Vor einiger Zeit war ich endlich mal wieder ganz in Ruhe zu Besuch bei meinen Eltern (das geschieht sonst eher auf der Durchreise „mal schnell eben“). Sie waren kürzlich umgezogen, und so blieb ich tatsächlich einige Tage, und wir erkundeten gemeinsam die neue Gegend.

 

Bei der Auswahl der neuen Wohnung haben wir darauf geachtet, dass zwei Gästezimmer vorhanden sind (damit mein Bruder mit seiner Frau und ich zeitgleich Platz haben; mehr zum Drama um die Gästezimmer im Haus meiner Eltern kannst du in meinem Buch „Einzelstück“ nachlesen). Ich bezog also eines der zwei Gästezimmer und genoss fröhliche Tage mit meinen Eltern.

 

Ich, Ende 30, sie Anfang 70.

Hier könnte auch stehen: Ich, Teenager, sie Mitte 40.

 

Denn genauso fühlt sich das oft an. Als Kind bleibt man immer das Kind seiner Eltern. Aber als Single, so meine Erfahrung, bleibt man in vielerlei Hinsicht noch etwas mehr Kind seiner Eltern.

 

Die Sache mit der Sicherheit

Mein Vater würde das nie zugeben, aber ich empfinde es so: In Ermangelung einer Heirat konnte er mich noch nie in die starke Hand eines (anderen) „Versorgers“ abgeben. Aus diesem Grund macht er sich bis heute Gedanken um mich. Oft auch Sorgen. Das merke ich an seinen Fragen: „Wie sieht es denn geschäftlich bei dir aus? Was machen die Aufträge?“ Als Freiberuflerin ist es immer spannend. In unsicheren Zeiten kommentiert mein Vater diese Spannung gerne mal mit einem „Wenn-du-doch-nur-einen-Mann-hättest-der-dir-Sicherheit-Bietet“ …

 

Ich merke in diesen Situationen, dass ich gut beraten bin, meinen Eltern nicht immer alles zu erzählen und mir andere Berater und Unterstützer zu suchen. Als Single vermisse ich oft Menschen, mit denen ich mein Leben besprechen kann. Und jemanden, der mir die Reifen wechselt und mich in Versicherungsfragen berät. Natürlicherweise lande ich mit so was immer noch oft bei meinen Eltern – aber das ist gar nicht so gut, wie ich merke. Denn so komme ich nie aus der Kind-Rolle raus.

 

Ich merke, dass ich gut beraten bin, meinen Eltern nicht immer alles zu erzählen und mir andere Berater und Unterstützer zu suchen.

Ich habe also begonnen, viele Fragen meines Lebens – und auch Sorgen, Nöte, Ängste und all das Handwerkliche und Praktische – nicht immer (oder zumindest nicht immer sofort) zu meinen Eltern zu bringen, sondern habe mir andere Ansprechpartner gesucht. Solche, bei denen nicht gleich die emotionale Fürsorge anspringt, sondern die mir ganz sachlich helfen können. Das wiederum entspannt die Beziehung zu meinen Eltern. Klar, ich bleibe immer ihr Kind, ob ich verheiratet bin oder nicht. Aber ich will ihnen auch beweisen, dass ich zurechtkomme, versorgt und sicher bin.

 

Ein lohnenswerter Kampf

Als Single ist meine Aufgabe da etwas größer; und meiner Erfahrung nach ist es tatsächlich egal, ob man Single-Frau oder Single-Mann ist – die Sorge der Eltern ist nur jeweils etwas anders gelagert. Wer heiratet, hat gesellschaftlich automatisch sein eigenes Leben erobert, in allen Bereichen. Singles müssen sich diese Eigenständigkeit oft hart erkämpfen. Aber dieser Kampf lohnt sich! Und ich rate allen Singles, ihn zu führen. Zu spät ist es dafür übrigens nie.

 

Dieser Eroberungsfeldzug ist für die Eltern wichtig, damit sie fröhlich loslassen können; und er ist für mich als Single wichtig, damit ich selbstständig werde und die Beziehung zu meinen Eltern auf Augenhöhe lebendig ist. Ich weiß, dass viele Singles aus diesem Grund Probleme mit ihren Eltern haben.

 

Auch ich kämpfe immer mal wieder damit, dass meine Eltern sich einmischen wollen. Oft bin ich selbst daran schuld, weil ich zu viel erzählt habe. Heute wähle ich – wenn das geht (manchmal überkommen mich ja auch einfach in einem Telefonat die Gefühle – oder die Eltern hören eh an meiner Stimme, dass was los ist …) – gut aus, was ich erzähle und was nicht. Ich empfinde das nicht als Geheimnisse-vor-meinen-Eltern-Haben, sondern als gesunde Abnabelung. Wohlwissend, dass meine Eltern immer für mich da sind. Egal, was ist. Und dafür bin ich unendlich dankbar, denn nicht alle von uns baden in einem solchen Meer elterlicher Liebe. Nichts anderes ist es, wenn meine Eltern sich um mich sorgen. Und das alles ist – in Grenzen – sehr gut!

Tina Tschage

hat Theologie studiert und das Handwerkszeug der Redakteurin erlernt. Sie lebt als Single-Frau in einer christlichen Gemeinschaft in München und arbeitet freiberuflich als Coach, Speakerin und Autorin.

  

www.tina-tschage.de und www.trau-frau.de