Hallo Junior,

 

erinnerst du dich? Den Umgang mit Veränderungen musstest du erst lernen. In deinem Heimatdorf Georgenthal in Thüringen, bist du ganz langsam aufgewacht für das Leben. Du musst etwa sechs oder sieben Jahre alt gewesen sein. Es war ein kalter Winter mit viel Schnee, der am Straßenrand zu einem kleinen Gebirge aufgetürmt worden war. Vater hatte die Idee, dich auf einem Schlitten durch den Schnee zu ziehen. Das hast du super gefunden. Aber schon der erste Versuch, dich über den Schneeberg am Straßenrand zu ziehen, schlug fehl. Der Schlitten fiel um und du lagst nass und mit viel Schnee im Gesicht daneben. Das war gar nicht lustig für dich! Aber es war auch eine höchst sinnliche Erfahrung von Veränderung, die dich kalt erwischte.

 

Der erste Schultag in der kleinen Dorfschule brachte eine weitere erhebliche Veränderung. Nicht jeder mochte dich dort. Du galtest als Kind der „Oberen Zehntausend“, auch wenn man das damals noch nicht so nannte. Deine Eltern waren schließlich Besitzer des renommierten Café Adler im Ort. Als introvertierter Junge hast du dich – auch ein wenig trotzig – zurückgezogen. Ein altes Foto zeigt dich mit einer Winterjacke im Klassenzimmer sitzend. Psychologisch sehr interessant! Gar nicht so viel später die Erfahrung der Flucht. Dein Weltbild änderte sich. Die Schüsse an der Grenze und das Erlebnis, am ersten Tag im Westen beinahe überfahren worden zu sein, hinterließen eine nachhaltige Botschaft: „Du bist nicht erwünscht in dieser Welt!“

In mir wuchs immer mehr der Wunsch, Veränderungen nicht mehr nur passiv zu erleben, sondern sie aktiv zu gestalten.

Es folgten noch viele unerwartete und unerwünschte Veränderungen: Die Trennung von den Eltern, die dich im Westen bei den Großeltern mütterlicherseits unterbrachten. Der Altersunterschied war groß, eine schwere Zeit für euch alle. Dann wieder eine Zeit bei den Eltern („Bin ich eine Ware, die man so einfach hin und her schieben kann?“). Und so wuchs in dir immer mehr der Wunsch, Veränderungen nicht mehr nur passiv zu erleben, sondern sie aktiv zu gestalten.

 

Erst die bewusste Begegnung mit der Liebe Gottes in Jesus Christus löste den Knoten und befreite dich von der Bitterkeit, die dich zu vergiften begann. Über zehn Jahre lange verkapselte schlechte Erfahrungen platzten plötzlich wieder an die Oberfläche deines Bewusstseins. Doch das Wissen „Ich bin geliebt!“ hatte dich mit den schmerzhaften Veränderungen versöhnt, die du erlebt hattest.

 

Damals begannst du zu begreifen, dass das Leben ohne schmerzhafte Veränderungen nicht abgeht. Nicht ohne Notwendigkeiten, denen wir uns beugen müssen, ja, die wir wie Freunde willkommen heißen müssen. Das Bewusstsein, von Gott und ein paar wenigen Menschen geliebt zu sein, begann dich stark zu machen. Du wagtest sogar die große Veränderung der Ehe: zusammen mit Margret, deiner Liebe auf den ersten Blick. Gemeinsam habt ihr einen neuen Lebensstil entwickelt. Zu der Erfahrung schmerzhafter Notwendigkeit als Katalysator für Veränderung kam also die Erfahrung der Liebe. Und damit wuchs eine ganz große Neugier auf die Weite der Welt und auf Menschen, die ganz anders waren als du. Die Lust auf Veränderung war dein Freund geworden. Und ist es bis heute geblieben.

 

Dein Senior

Heinz-Martin Adler

verheiratet mit Margret, Vater, Großvater und Urgroßvater, war Verlagsmitarbeiter, Geschäftsführer, Trainer und Erwachsenenbildner und befindet sich heute im aktiven Unruhestand. 

E-Mail: hmadler@t-online.de

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