Ihr wahrer Kern macht sie geschmeidig glatt und darum so gefährlich: Verkürzte Überzeugungen im Blick auf Gott und Bibel, die schnell zu „Glaubenslügen“ werden. Bleiben sie unerkannt, beschädigen sie über kurz oder lang unser Denken, Fühlen, Glauben und Handeln. Die Theologin Nicole Sturm enttarnt sie und ermutigt zu einem neuen Denken.
1. Erkennen
„Gott hat einen Plan für dein Leben“, sagt Jens. „Er hat einen Plan für jeden einzelnen von uns!“ Mit diesen Worten beendet er den offiziellen Teil des wöchentlich stattfindenden Hauskreisabends. Ein paar Teilnehmer stehen auf und machen sich auf den Heimweg, andere bleiben noch sitzen und unterhalten sich.
Sanna ist eine, die bleibt. Sie strahlt, fühlt sich vom Hauskreisabend, vor allem aber von Jens‘ letzten Sätzen ermutigt. Gott hat einen Plan – einen Plan für ihr Leben! Gott wird alles gutmachen. Das zu hören tut ihr gut.
Ganz anders ergeht es Sven. Er hat an diesem Abend keine Lust auf weitere Gespräche. Jens‘ Worte hallen in ihm nach, verunsichern ihn. Einen Plan für sein Leben – wenn es den gibt, warum sieht er dann nichts davon? Oder ist der plötzliche Tod seiner Frau etwa Teil dieses Plans? Ihr Tod, der ihn so tief in Trauer gestürzt hat, dass ihm bei der Arbeit massenhaft Fehler unterliefen? So viele, dass sein Chef ihm letzte Woche gekündigt hat? Wenn all das Teil von Gottes grandiosem Plan ist, na dann dankeschön – kein Interesse!
„Gott hat einen Plan für dein Leben“ ist eine Aussage, die Mut machen soll. Mut, Gott zu vertrauen, dass alles, was uns in unserem Leben passiert, einem guten, einem höheren Zweck dient. Das Problem ist nur: Ganz so einfach ist die Sache nicht…
2. Entlarven
Wenn jemand von „Gottes Plan für unser Leben“ spricht, sollte derjenige auch sagen können, was genau damit gemeint ist. Denn solch eine Aussage kann nicht nur Mut machen, wie es bei Sanna der Fall war, sondern genauso gut auch jede Menge Fragen aufwerfen. Denn wie detailliert ist dieser Plan? Haben wir da überhaupt noch etwas mitzureden? Haben wir einen freien Willen oder sind wir nichts weiter als Marionetten in Gottes Hand? Und falls wir das nicht sind: Ist es möglich, dass wir schlicht zu „dumm“ sind, um Gottes Plan für unser Leben zu erkennen? Ist Leid, wie Sven es erfahren hat, ebenfalls Teil dieses göttlichen Plans? Denn falls ja, wirft es die Frage auf, ob ich mich dann überhaupt dagegen wehren darf, wenn mir Unrecht widerfährt. Ist alles genau durchgetaktet von Gott oder hat mein eigenes Handeln einen Einfluss auf Gottes Plan? Steht vielleicht nur das Ziel fest und nicht jeder einzelne Schritt dorthin? Und würde Letzteres dann im Umkehrschluss bedeuten, dass es völlig egal ist, was ich tue, weil Gott am Ende sowieso alles so dreht, dass es passt und ich mein Lebensziel erreiche?
3. Ersetzen
Es stimmt, dass Gott einen Plan für unser Leben hat: Er will unser Heil und nicht unser Unheil. Aus diesem Grund stellt er seinen Kindern auch seinen Heiligen Geist zur Seite. Der soll uns helfen, uns ein Wegweiser sein, ein weiser Ratgeber und eine Hilfe, uns an all das zu erinnern, was Gott wichtig ist. Richtig ist aber auch, dass Gott nie wollte, dass wir, Marionetten gleich, durchs Leben gehen. Er hat uns Menschen einen freien Willen geschenkt: die Möglichkeit, selbst zu entscheiden.
Entspannen Sie sich, denn Gott ist größer als all unsere Fehlentscheidungen!
Gott will unser Bestes, trägt seinen Teil dazu bei; ist bereit, uns mit Weisheit und Weitblick zu leiten. Wenn wir uns in unserem Leben verlaufen, hilft er uns immer wieder zurück auf den Weg, der zum Guten führt, zu ihm. Gott kennt jeden einzelnen Menschen durch und durch. Er sieht unser Potenzial, unsere Geschichte, unsere Gedanken – einfach alles – und er weiß, was gut für uns ist, viel besser als wir selbst es tun. Aber er zwingt uns unser Bestes nicht auf, schiebt uns nicht wie Spielfiguren auf einem Schachbrett willenlos von hier nach dort. Stattdessen ist Gott wie ein genialer Straßenbaumeister: Sicher gibt es den optimalen „Straßenverlauf“ für unser Leben, aber als weiser Gott weiß er, dass wir dann und wann abzweigen, um die Gegend fernab der Route zu erkunden. Wenn wir dann merken, dass der eingeschlagene Weg vielleicht doch nicht so toll ist wie gedacht, dann baut Gott neue Wege für uns. Er holt uns dort ab, wo wir gerade sind, und lässt uns entscheiden, auch mal schlecht entscheiden. Vor allem aber bahnt er Wege, wo bisher keine sind. Hin zum Guten, zum Heil, zurück zu ihm, ganz nach dem Motto: „Die Route wird neu berechnet!“ Wir brauchen also keine Angst zu haben, dass wir uns so sehr verrennen, dass Gott keinen Weg mehr für uns findet. Wer mit Gott lebt, für den gibt es letztlich keine Sackgassen.
4. Einüben
Statt sich also mit der Frage zu quälen, ob man womöglich Gottes großen Plan für das eigene Leben durch zurückliegende Entscheidungen vereitelt hat: Entspannen Sie sich, denn Gott ist größer als all unsere (Fehl-)Entscheidungen! Und statt sich zu fragen, ob man zu dumm ist, um Gottes Plan zu verstehen: Entspannen Sie sich und vertrauen Sie einfach Gott, dass er Ihnen durch seinen Heiligen Geist zeigen wird, was Sie wissen müssen. Gott kennt uns Menschen durch und durch: alles Potenzial, alle Prägungen, Ängste, Macken, Herausforderungen, Gedanken – einfach alles. Er kann genau diesen Mix zu unserem Besten nutzen.
Und wenn Sie merken, dass der Weg, auf dem Sie unterwegs sind, zu keinem guten Ziel führt, dann halten Sie an! Bitten Sie Gott, den großen Straßenbaumeister, Ihnen den Weg zurück zu ebnen. Wenn Sie mit Schicksalsschlägen konfrontiert sind, dann lassen Sie sich versichern: Gott hat sie nicht als „Baumaterial“ für Ihren Weg oder Ihren Charakter geschickt! Wir leben in einer Welt, die nicht so ist, wie Gott sie einmal ursprünglich im Sinn hatte. Leidvolle Erfahrungen sind leider ein Teil unserer Welt. Aber sie sind weder Strafe noch Teil eines genialen verborgenen Planes. Stattdessen leidet Gott mit, ist „mittendrin“, und will uns helfen, dass wir nicht daran zerbrechen. Und ja, er kann sogar dafür sorgen, dass aus dem Mist, irgendwann Dünger wird. Menschen erleben: Das kann er und das tut er. Immer wieder.
5. Erinnern
„Denk an den Herrn bei allem, was du tust; er wird dir den richtigen Weg zeigen.“ (Sprüche 3,6)
10 Kommentare
Die Fragen unter Punkt Entlarven finde ich hervorragend. Dann verlieren Sie sich wieder etwas Richtung „Weg“. Ich meine, dass Gott keinen Plan für unser Leben hat, keinen „optimalen Weg“. Er sagt: Wo du hin gehst, da will ich mit dir sein. Dieser Ansatz, diese Haltung erleichtert mir die Sicht von allem. Diese Zusage hilft mir, mich nicht in richtig oder falsch zu verheddern.
Auf diesen Kommentar antwortenLieber Herr Morand, herzlichen Dank für Ihren Kommentar und Ihre gedankliche Ergänzung zu meinem Beitrag. Ich glaube auch nicht, dass es diesen "einen einzig richtigen perfekten Weg" gibt. Dass Gott uns auf unserem Weg begleitet, Umwege inklusive. Er ist da, nahbar, erreichbar - auch wenn wir mal nicht wissen, wie es weitergeht, oder merken, dass der aktuell eingeschlagene Weg womöglich nicht der ist, den wir gehen sollten. Gott ist da - immer.
Auf diesen Kommentar antwortenZunächst erst einmal eine echte Provokation: "Glaubenslüge"! Aber beim Durchlesen stelle ich fest: Ausgewogen und ehrlich. Danke für die wohltuende Bibelbetrachtung. Gottes Plan ist also ein guter Plan, legt mein Leben aber nicht schon von vornherein fest. Allerdings: Psalm 139,16 müsste hier auch noch einbezogen werden.
Auf diesen Kommentar antwortenJa, der Titel soll durchaus "provozieren“, mindestens aber in die Beiträge ziehen. Umso schöner, dass Sie positiv überrascht wurden. Wir geben Ihr nettes Feedback gern an Frau Sturm weiter.
Auf diesen Kommentar antwortenAls ich in die Suchleiste: "Gott hat einen Plan für dich" eingegeben habe, kam mir dieser Beitrag als Beleidigung vor, wie kann man so etwas schreiben, dachte ich. Aber als ich mich rein gelesen habe...einfach ein toller Beitrag, das du das mit dem Alltag in Verbindung gebracht hast: Straßenbaumeister, Landwirtschaft... Danke, Gottes Segen dir und allen die es lesen.
Auf diesen Kommentar antwortenLiebe Inna, ganz herzlichen Dank für deine liebe Rückmeldung! Und dass du nicht nach dem ersten Gedanken entschieden hast, den Artikel gar nicht erst zu lesen. Ja, Gott ist ein wunderbarer Straßenbaumeister. :) Ich wünsche dir, dass du das immer wieder neu erlebst!
Auf diesen Kommentar antwortenIch habe Gottes Reden über seinen Plan für mein Leben 2x deutlich gehört : 1. Das erste Mal mit 22 am Ende meines ersten Studiums, als Er mir sagte "Geht raus in die Welt und erfülle deine Aufgabe" Aber zu der Zeit war mein Glauben an Gott unklar - ich war auf der Suche nach Ihm. Aber obwohl da. Aber obwohl damals meine Bewerbung als Entwicklungshelfer bei DED für Tansania lief, entschied ich mich nicht zu gehen. 1a. Ich bräuchte weitere 22 Jahre für Berufserfahrung und die Suche nach dem "wahren Gott", bis Er mich fand. 2. Das zweite Mal sprach Er durch Prophetien unterschiedlichster Menschen - einschließlich eines Bruders zu mir. Und alle sagten mir wörtlich das Gleiche, Nämlich dass ich nach Ruanda gehen soll und die Aufgabe erfüllen, die Er für mich dort vorbereitet habe. Genauer war die Aufgabe nicht definiert. Jetzt bin ich schon 15 Jahre hier in Afrika, habe einige Firmen aufgebaut und versuche sie jetzt an einheimische Nachfolger zu übergeben. Die Aufgabe weiß ich bis heute noch nicht. Aber ich sehe mein Leben lang die Hand Gottes über meinem Leben. Und ich bin sicher, dass Er mir viel feiern Raum gibt. Manchmal denke ich Jesus hat Spaß daran zu beobachten wie ich Dinge angehen, wozu ich mich entscheide usw. Und ich bin sicher, daß Er mir eines Tages alles erklären wird, wenn ich dann auf Seinem Festmahl einen Wein mit Ihm trinken darf.
Auf diesen Kommentar antwortenDas ist eine wunderbare Lebens- und Berufungsgeschichte, die Sie da erzählen, Herr Kalka. Danke fürs Teilen!
Auf diesen Kommentar antwortenKann ich so nicht stehen lassen. Gott hat einen Plan ist überhaupt keine Lüge. Ich kann es anhand vieler Beispiele aus der Bibel eindeutig erkennen dass er einen Plan hat. Wenn wir von Lüge sprechen dann davon dass wir vielleicht glauben: Es müsste doch glatt laufen wenn Gott ein Plan für mein Leben hat! Aber genau das finde ich in der Bibel eben nicht. Hatte Gott mit Mose einen Plan? Definitiv. Trotzdem wurde er zum Mörder und erst einmal 40 Jahre in der Wüste geparkt Hatte Gott einen Plan mit Abraham? Definitiv. Trotzdem hat Abraham vor Ungeduld selbst die Initiative ergriffen und Ismael gezeugt. Hatte Gott einen Plan mit Josef? Definitiv. Trotzdem hat er so viel Böses an Josef lange Zeit zugelassen. Was heißt trotzdem. Es diente sogar am Ende alles dazu das Gottes Plan sich erfüllte. Wir können mühselig über Leid und Schicksalsschläge uns auffressen lassen. Aber viel tröstlicher ist doch gerade die Gewissheit dass Gott einen viel größeren Plan verfolgt als wir den momentan sehen. Und das alles am Ende zum Guten für die zusammen geführt wird die ihn trotzdem lieben und nicht ihr Vertrauen wegwerfen. Dass er da auch noch unsere Fehler, die Anderer miteinbaut um zu seinem Ziel zu kommen, das ist der geniale Wegführer Gott. Natürlich hat er einen Plan. Alles andere ist eine Lüge.
Auf diesen Kommentar antwortenLieber Marco! Ich glaube, Sie haben sich ein wenig von der Überschrift ablenken lassen. Mir geht es ganz sicher nicht darum, zu bestreiten, dass Gott einen Plan für unser Leben hat - mir geht es vielmehr darum, klarzustellen, dass das nicht beinhaltet, dass jeder einzelne Schritt vorgezeichnet ist. Niemand muss gemäß Gottes Plan zum Mörder werden - aber Gott kann auf krummen Linien gerade schreiben und trotz allem weiter seine Absichten verfolgen. Mir geht es primär darum, aufzuzeigen, dass Gottes Wege mit uns nicht festzementiert sind. Dass Abwege, Fehlentscheidungen unsererseits nicht das Ende bedeuten - oder aber dass wir keine eigenständigen Entscheidungen treffen können. Gott geht mit uns, auch auf krummen Ab- und Umwegen. Aber er lotst uns nicht auf Ab- oder Umwege.
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