Ich wusste: Die Zeit war reif, weiterzuziehen – aber wohin? Vor fast drei Jahren bin ich aus meinem gesicherten und für mich gut bezahlten Job in der Wirtschaft ausgestiegen. Ursprünglich als Schwangerschaftsvertretung für eine Freundin, arbeitete ich bis zu diesem Zeitpunkt in einem großen Hamburger Betrieb, der Aluminium herstellt – und das, ohne überhaupt Qualifikationen für den dortigen Job mitzubringen! Ich war definitiv eine Quereinsteigerin, nachdem ich zuvor Mission und Theologie studiert und danach zehn Jahre Vollzeit in Kirche und Mission gearbeitet hatte. Doch der Werksleiter fand überraschenderweise meine Bewerbungsunterlagen und auch mich spannend, sodass die Firma mich tatsächlich nahm.
Als Assistentin der Geschäftsführung – oder manchmal auch halbspöttisch „Pastorin im Werk“ genannt – arbeitete ich 30 Stunden in der Woche fröhlich in diesem Unternehmen und nebenher im Bereich „Jugend und Mission“ in Europa. Ich war damals zu einhundert Prozent überzeugt, dass Gott mir ein neues, wenn auch sehr anderes Missionsfeld zugetraut hatte. Ungesucht und doch gefunden! Das Verrückteste jedoch war, dass meine Freundin nicht wie geplant in diese Position zurückkehrte, weshalb ich nachfolgend insgesamt 18 Jahre unter drei verschiedenen Chefs auf oberster Ebene mitarbeitete. Was zunächst nur ein Jahr werden sollte, wurde zu einer ganzen Phase des Erwachsenwerdens. So Vieles habe ich in dieser Zeit gelernt, was mich zu einem besseren Menschen und einer besseren Leiterin werden ließ, und auch ich konnte viel weitergeben und bewegen.
Immer mal wieder stellte ich in all den Jahren Gott die Frage, wann ich aus diesem Geschäft aussteigen würde, um meinem Herzensanliegen mehr Zeit schenken zu können: der Entwicklung von jungen Führungskräften. Und dann war er da, der Tag X, der bereits vier Jahre zuvor angekündigt war! Ich hätte also alles klar kriegen können für meine nächsten Zukunftsschritte, aber so einfach gestaltete sich das nicht.
Ich hatte gewusst, dass wenn der Werksleiter, für den ich zuletzt gearbeitet hatte, in Rente gehen würde, auch mein Abschied käme. So war es abgemacht. Aber abgemacht war nicht, nicht zu wissen, was danach kommen würde! Weshalb es – wann immer ich gefragt wurde, was ich nun machen würde – sehr uncool klang: „Ach, ich gehe jetzt erst mal in die Arbeitslosigkeit und sortiere mich.“ Ich wollte es zwar einmal etwas ruhiger angehen lassen und Zeit haben, mich neu zu finden und mit Gott neue Wege zu gehen – aber doch nicht so! Denn auch wenn ich Gott gesagt hatte, dass ich für ein neues Abenteuer bereit sei, wäre es schon auch schön gewesen, wenn ich das Abenteuer selbst hätte definieren könnte! Doch so kam statt des nächsten coolen Jobs das „Abenteuer Arbeitslosigkeit“. Dass ich die geschenkte Zeit gut nutzen würde, stand außer Frage – aber wie sollte das alles finanziell hinkommen und wann wäre diese Phase vorbei? Doch wie so oft im Leben erwartete Gott auch dieses Mal, dass ich den ersten Schritt des Vertrauens ging, bevor ich die nächsten wissen würde…
Wie so oft im Leben erwartete Gott auch dieses Mal, dass ich den ersten Schritt des Vertrauens ging, bevor ich die nächsten wissen würde.
Mitten hinein in all die Mulmigkeit, Anspannung und Unsicherheit dieser Situation wurde ich mit einem meiner Lieblingsverse konfrontiert. In 1. Petrus 5,7 steht: „Alle eure Sorge werft auf ihn; denn er sorgt für euch!“ Da steht kein „Vielleicht“ oder ein „Mal sehen“ oder ein „Wenn-du-das-und-das-machst-werde-ich-für-dich-Sorgen“. Nein, dort steht schlicht und einfach: Wirf alle Sorgen auf Gott, denn er sorgt für dich! Viel besser, als ich jemals für mich sorgen könnte. Und „werfen“ ist ein aktives Wort! Das ist kein zögerliches Abgeben an Gott oder nur ein bisschen meiner Sorgen bei ihm ablegen, sondern alle meine Sorgen! Warum? Weil er sorgt und sorgen wird. Heute und in Zukunft.
In der Zeit meiner Arbeitslosigkeit erinnerte ich Gott jeden Tag daran, dass ich ihm gedanklich und aktiv meine Sorgen übergebe und sehr gespannt sei, was er daraus machen würde. Während ich also versuchte, dieses Nicht-Sorgen erneut einzuüben und den Vers zu praktizieren, erlebte ich Wunder der Versorgung: Aus den Sorgen wurden Versorgungen! Völlig überraschend und ohne dass ich jemandem von meiner engen finanziellen Situation erzählt hatte, schrieb mir ein Freund und Missionsleiter, er würde mir für jeden Monat meiner Arbeitslosigkeit Geld überweisen. Das war nicht nur mega mutmachend und tröstend, sondern zeigte mir auch, dass Gott mich in meiner Not sah und wirklich für mich sorgte! Ich war ihm nicht egal, und er nahm seine Verantwortung und Versprechen mir gegenüber sehr ernst. Ein anderes Mal schrieb mir ein befreundetes Ehepaar, sie hätten etwas geerbt und hätten den Eindruck, sie sollten mir davon für meine Arbeit den Zehnten abgeben. Ich war zu Tränen gerührt, dass Gott mich anderen aufs Herz legte, die sich stellvertretend für Gott um mich sorgen wollten.
Die Monate zogen sich dahin – und ja, zehn Monate fühlten sich an wie eine Ewigkeit! Mit der Zeit wurde jedoch das nächste Projekt klarer und ich konnte die geschenkte Zeit sehr gut nutzen. Es waren Monate, in denen Gott mir wieder neu zeigte, dass er sich wirklich sorgt, wenn ich ihm meine Sorgen anvertraue. Wenn ich ihm mein Vertrauen ausspreche. Wenn ich aktiv unterwegs bin, damit Gott mich leiten und lenken kann. Diese Gewissheit und dieses konkrete Erleben hilft mir immer neu, ihm auch in diesen ungewissen Zeiten zu vertrauen und zu wissen: Er meint es gut mit mir.