Ja, ich bin 35 und hatte noch nie Sex. Ich stehe zu meiner Entscheidung, meine Jungfräulichkeit erst dem Mann anzuvertrauen, mit dem ich mein ganzes Leben teilen werde. Allerdings bin ich seit 36 Jahren ein sexuelles Wesen, nämlich eine Frau. Mindestens ein Mal pro Monat empfinde ich große Lust auf körperliche Liebe. Das passiert ganz automatisch, genau so wurde ich geschaffen.

 

Viele, die wie ich mit Gott unterwegs sind, erleben beim Thema Sex viele Verbote, aber kein Training für die Praxis. Die Fragen, wie es denn gehen kann, wie ich gut mit meiner Sexualität umgehen kann, sodass es zum Leben in Gottes Kindschaft passt, blieben in den allermeisten Fällen unbeantwortet. Klar, welcher Pastor, der vielleicht seit Anfang zwanzig verheiratet ist, sollte hier fundierte Antworten geben, die über das Statement „Sex gehört in die Ehe“ hinausgehen?

 

Fakt ist: Wir, die wir Singles und Christen sind, klammern unsere Sexualität oftmals aufgrund dieses Statements formal aus – und verlagern sie in die Heimlichkeit unseres Lebens. Ich bin überzeugt, dass Pornografiesucht und verdeckte Bettgeschichten bei Männern wie Frauen hier gar nicht selten ihren Ursprung haben: Weil wir nicht über unsere Sexualität sprechen, mit niemandem! Denn es fehlen die geschützten Räume – und die Gesprächspartner.

Wie ist das bei dir? Liebst du dich? Innen wie außen? Wer und was hat dich geprägt, dir Wert vermittelt und Kerben eingeschlagen?

Tatsächlich ist meine Sexualität ja ein Teil meiner Persönlichkeit. Sie ist eine der stärksten Kräfte, die mich antreiben – oder eben bremsen. Zur Sexualität gehört doch so viel mehr, als der sexuelle Akt zwischen zwei Menschen an sich – und vieles davon kann ich auch als Single getrost leben: Berührungen mit anderen Menschen, körperliche Betätigung, Worte, Gesten und auch Selbstliebe in ihren vielfältigen Facetten. Die Entscheidung, Sex außerhalb der Ehe zu lassen, heißt nicht, die eigene Sexualität ganz zu lassen. Im Gegenteil! Ich bin auch als Single gut beraten, meine Sexualität und alle körperlichen Regungen wahrzunehmen, anzunehmen, ihnen nachzuspüren. Für die eine kann das heißen, in die warme Badewanne zu steigen. Für die andere kann das heißen, bewusst das eigene Geschlecht zu entdecken und Erregung zu genießen.

 

Es ist Zeit, dass wir Singles uns auf den Weg zu uns selbst machen und unsere Sexualität annehmen und leben – und zwar so, wie es zu jeder von uns passt. Der Weg beginnt bei meiner Identität und meinem Selbstwert. Wenn der klar ist, kann ich auch meine Körperlichkeit entdecken. Die habe ich bereits seit dem Mutterleib und die hat seitdem eine Prägung erfahren, derer ich mir Schritt für Schritt bewusst werden sollte. Ich zum Beispiel war immer Sportlerin, Saunagängerin und FKK-Strand-Besucherin. Mein Verhältnis zu meinem Körper ist sehr entspannt.

 

Wie ist das bei dir? Liebst du dich? Innen wie außen? Wer und was hat dich geprägt, dir Wert vermittelt und Kerben eingeschlagen? Wann und mit wem hast du vielleicht bereits intimen Kontakt gehabt – und was ist davon hängengeblieben? Mit welchen Statements bist du groß geworden, an welchen willst du festhalten, welche willst du überdenken? Inwieweit sprichst du darüber mit anderen und mit Gott?

 

All das sind Fragen, auf deren Spuren du dich um deiner selbst, um eines (zukünftigen) Partners und um Gottes Willen begeben solltest.

 

 

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Tina Tschage

hat Theologie studiert und das Handwerkszeug der Redakteurin erlernt. Sie lebt als glückliche Single-Frau in einer christlichen Gemeinschaft in München und arbeitet als freiberufliche Coach, Speakerin und Autorin.

www.tina-tschage.de und www.trau-frau.de

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