Wie heißt’s?

„Der Bullerbü-Komplex … und die Kunst, es gut sein zu lassen“

 

Wer hat’s geschrieben?

Lars Mandelkow, Jahrgang 1971, ist Theologe und Psychologe. Bevor er 2017 zusammen mit seiner Frau und zwei seiner vier Kinder nach Norwegen zog, hat er viele Jahre als Paartherapeut, Referent und Supervisor in Norddeutschland gearbeitet. Heute unterrichtet er in Norwegen Psychologie und Kommunikation an einer christlichen Hochschule.

 

Worum geht’s?

Viele Kinder sind mit Astrid Lindgrens Geschichten über die Kinder aus Bullerbü großgeworden. Bullerbü ist ein Ort in Schweden, an dem man sich rundum wohlfühlen kann. Ein Stück heile Welt. Als Kind träumt man sich beim Lesen der Bücher und Anschauen der Filme dorthin, wo die besten Freunde direkt nebenan wohnen, man für einander da ist und täglich neue Abenteuer erlebt. Als Erwachsener sehnt man sich nach der Naturverbundenheit in Bullerbü, nach den funktionierenden Beziehungen und der dort gelebten Work-Life-Balance.

 

So schön dieses Bild, das wir uns von Bullerbü machen, auch ist: Lars Mandelkow zeigt in seinem Buch auf, dass es eben nur eine Geschichte ist. Eine Geschichte, geschrieben für Kinder, die viele wesentliche Aspekte auslässt und dadurch eben nicht die Wirklichkeit widerspiegelt. Nirgendwo wird davon berichtet, was passiert, wenn die Ernte schlecht ausfällt, oder bei einem medizinischen Notfall, wenn kein Arzt geschweige denn eine gut ausgestattete Klinik in der Nähe ist. Stattdessen vermittelt die Geschichte das Bild von Kindern, die immer brav, und Eltern, die immer tiefenentspannt sind. Der Alltag verläuft in ruhigen Bahnen. Ein idealisiertes, unrealistisches Bild, wie Mandelkow klar hervorhebt. Ein Ideal, das schon zu Astrid Lindgrens Zeiten nicht existierte. Die Botschaft des Buches: Es ist absolut okay, kein perfektes Bullerbü-Leben zu führen. Denn gut ist gut genug!

 

Wie ich es finde.

Ich möchte vorausschicken, dass ich die Bullerbü-Geschichten liebe! Ich bin mit ihnen großgeworden und noch heute kehre ich regelmäßig nach Bullerbü zurück, indem ich die Bücher und DVDs hervorkrame und darin versinke.

 

Beim Lesen des Buches musste ich feststellen, dass Bullerbü auch für mich als Erwachsene noch immer ein Ideal ist, dem ich (unbewusst) nacheifere. Es tut gut, dieses Idealbild in Bezug auf seine Plausibilität zu hinterfragen. Es entspannt, denn man kann an solchen falschen Idealvorstellungen auch leiden – dann nämlich, wenn man sie nicht erreicht. Im Klappentext heißt es, dass das Buch vom Druck befreien will, perfekt sein zu müssen – und das tut es.

 

Es ist wirklich gut geschrieben, leicht zu lesen und regt doch zum Nachdenken an. Mir hat der Mix aus persönlichen Berichten, Hinterfragen des Ideals, Reflektionsangeboten und Impulsen zum Weiterdenken und Umsetzen sehr gut gefallen, weil die einzelnen Elemente fließend ineinander übergehen.

 

Es ist kein Anti-Bullerbü-Buch, sondern vielmehr ein Weckruf, dass auch ein Leben, das ganz anders ist als das der Bullerbü-Bewohner, richtig klasse sein kann. Es schärft den Blick für das Gute, was da ist, und führt zu einer neuen, stärkeren Wertschätzung dieser Dinge. Dieses Buch lässt aufatmen und tut einfach gut!

 

Wer sollte es lesen?

Jeder, der bereit ist und Lust hat, die eigenen Idealvorstellungen zu hinterfragen und sich auf die Suche nach guten, womöglich sogar weitaus besseren und vor allem realistisch-lebbaren Alternativen zu machen.

 

Wo ist es erschienen?

SCM Hänssler, 224 Seiten, EUR 18,99 (Klappenbroschur), EUR 14,99 (E-Book)

 

 

NICOLE STURM hat Theologie studiert und arbeitet als Autorin sowie als psychotherapeutischer Coach (Heilpraktikerin für Psychotherapie) in ihrer Praxis VORWÄRTSLEBEN in Norddeutschland.

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