„Mein Mann und ich wohnen seit vielen Jahren mit meinen Eltern unter einem Dach, was auch weitestgehend stressfrei war. Nun ist vor einigen Monaten mein Vater gestorben und seitdem hat sich meine Mutter sehr verändert. Ständig mischt sie sich in alles ein, meckert an meinem Mann herum und auch ich kann ihr nichts rechtmachen. Das belastet unsere Ehe sehr und wir streiten immer wieder, weil ich ihr angeblich nicht genug Grenzen setze. Ich weiß ja, dass sie es auch nur gut meint, aber die Situation spitzt sich immer weiter zu. Was sollen wir tun? Wir können doch nicht ausziehen und die alte Frau alleine lassen!“

 

 

Das, was Sie beschreiben, erleben viele, wenn ein Elternteil stirbt. Ihre Mutter muss den Verlust ihres Partners verarbeiten und ihr Leben neu sortieren. Jahrelang hat sie Mann und Kind(er) versorgt und hatte viele Aufgaben – nun weiß sie plötzlich nichts mehr mit ihrer Zeit anzufangen und muss sie neu füllen lernen. Leben Kinder – vor allem Töchter – im gleichen Haus, passiert es sehr häufig, dass Mütter sich aus Einsamkeit immer mehr in deren Familien drängen und das Kommando übernehmen wollen.

 

Machen Sie die Trauer zum Thema!

Vor allem in den ersten Monaten nach dem Tod des langjährigen Partners, sind ältere Menschen sehr mit ihrer Trauer und ihrem Verlust beschäftigt. Das Leben scheint nicht mehr lebenswert zu sein und sie fühlen sich verlassen und einsam. Der Partner ist einfach gegangen – sie selbst bleiben zurück und müssen irgendwie weitermachen – das ist alles andere als leicht! Aber nicht nur Ihre Mutter hat den Partner verloren, sondern auch Sie Ihren Vater. Das ist für Sie genauso gravierend und schmerzhaft. Reden Sie mit Ihrer Mutter darüber, wie es Ihnen in Ihrer Trauer geht und tauschen Sie Ihre gegenseitigen Empfindungen aus! Hören Sie einander zu, denn es geht nicht darum herauszufinden, wer gerade mehr leidet und für wen es schlimmer ist, sondern sich in der Trauer zu begegnen und Verständnis füreinander zu entwickeln. Dann kann man im zweiten Schritt gemeinsam nach Lösungen suchen, wie es ohne den Partner und ohne den Vater weitergehen kann.

 

Setzen Sie klare Grenzen!

Wenn Ihre Mutter sich ständig in Ihr Leben einmischt und unter anderem Ihren Mann kritisiert, ist das für Ihre Ehe natürlich sehr belastend und sollte unbedingt unterbunden werden. Bei allem Verständnis ihrer Situation, überschreitet Ihre Mutter hier eindeutig Grenzen, und das sollten Sie ihr gegenüber auch deutlich ansprechen, um Ihre eigene Ehebeziehung zu schützen.

 

Wenn Ihr Vater nun schon einige Monate nicht mehr da ist, wäre vielleicht ein grundsätzliches Gespräch aller im Haus wohnenden Personen hilfreich, bei dem man bespricht, wie es „gemeinsam unter einem Dach“ künftig weitergehen kann. Hier ist bei älteren Menschen Fingerspitzengefühl gefragt, damit das Gefühl, nicht mehr gebraucht und gewollt zu sein, bei Ihrer Mutter nicht noch verstärkt wird und sie sich von Ihnen abgelehnt fühlt. Vielleicht können Sie gute und positive neue Rituale einführen, wie zum Beispiel ein gemeinsames Mittagessen oder Kaffeetrinken am Wochenende.

 

Überlegen Sie einmal, wie Sie ihr entgegenkommen können und was Sie ihr an Gemeinsamkeiten anbieten können, über die sie sich freuen würden. Vielleicht müssen Sie sie dann gar nicht mehr so oft in ihre Schranken verweisen und Sie alle lernen ganz neu, auf eine gute Weise miteinander zu leben.

 

Welche Frage bewegt Sie?

 

Das Leben stellt uns immer wieder vor neue Fragen und Herausforderungen – doch nicht immer finden wir auf uns selbst gestellt auch hilfreiche Antworten. In unserer Rubrik „Lebensfragen“ stellen Lebensberater, Seelsorger und Therapeuten daher anonymisiert Fallbeispiele vor, die ihnen in ihrer Beratungsarbeit begegnet sind, und bieten praktische Lösungsansätze an.

 

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Inge Frantzen

ist Systemische Lebensberaterin (IGNIS) und arbeitet als Redakteurin bei MINDO.

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