MINDO: Herr Lardon, ein heilsamer Glaube, ein Glaube also, der wohltuende und heilende Impulse in unser Leben bringt – wie sieht der aus?
THOMAS LARDON: Wenn Glaube heilsam und wohltuend sein soll, kann man davon ausgehen, dass etwas krank oder zumindest anstrengend ist. Und klar, mein Alltag kann sehr entmutigend und belastend sein. Vielleicht habe ich aber auch noch nie richtig aufgeräumt in meinem Leben. Da hält dann auch der aufbauende Worship-Gottesdienst nicht lange vor.
Ich muss also „an die Wurzeln gehen“ – genau das ist die Bedeutung des Wortes „radikal“. Radikal glauben hat Jesus uns vorgemacht in seiner liebevollen Kompromisslosigkeit. Wenn ich von ihm lerne, wird alles heil und wohl.
Kritisch nachfragt: Ist der Wunsch, dass Glaube vor allem auch uns Menschen guttun muss, dem heutigen Zeitgeist geschuldet – oder ist das biblische Wahrheit?
LARDON: Nein, es darf uns gar nicht immer gut gehen! Nur in der Tiefe wird die Höhe sichtbar. Das Weizenkorn keimt im Boden, der Schatz im Acker muss ausgegraben werden und mancher Hiob wird alles verlieren, bevor die Frucht, die Perle, das Licht sichtbar werden.
Ich habe das persönlich als schmerzvollen, aber rückblickend als heilsamen Prozess erfahren. Als die Geschäfte nicht mehr liefen, Unfälle und Krankheiten passierten, Beziehungen in die Brüche gingen – da habe sogar ich verstanden, wer da die Leine anzog!
Welche ungesunden, ja vielleicht sogar krankmachenden Glaubenssätze und Gottesbilder, die Menschen mit sich herumtragen, sind denn Ihrer Beobachtung nach am weitesten verbreitet?
LARDON: Es ist vor allem die Distanz – Gott ist ja so weit weg. Dabei ist sein Sohn Jesus unser Bruder, und Gott damit – unser Vater? Das schafft unser kleines Vorstellungsvermögen nicht, wir müssen es erst mal theologisch klären. Dann wird eine einfache Aussage zerrupft wie ein Hefezopf. Und jeder glaubt an das Stück, das er abbekommen hat. Wir müssen wieder hin zu der radikalen Wahrheit: Christus in uns, die Hoffnung der Herrlichkeit.
Es darf uns gar nicht immer gut gehen! Nur in der Tiefe wird die Höhe sichtbar.
Nun werfen Kritiker dem christlichen Glauben gern vor, dass er nicht heilsam sei, sondern im Gegenteil: dass er Menschen unfrei mache und manchmal sogar krank. Was entgegnen Sie?
LARDON: Sie haben leider oft recht! So vielen Menschen kann nur noch von Spezialisten geholfen werden, diesen Seelenknäuel zu entwirren. Aber es ist ja nicht der einfache Glaube an den Schöpfergott, den Christus, der uns durch seine Wunden geheilt hat und den guten Geist, der alles in Bewegung bringt. Es sind die tiefliegenden Verletzungen und Verknotungen, die der Seele die Luft rauben.
Wenn nun jemand bemerkt, dass sein Glaube ihn in der Tat mehr verletzt, als dass er ihn heil macht – was raten Sie?
LARDON: Nicht weit von meiner Wohnung ist im Wald eine Quelle, zu der die Nachbarn einmal in der Woche hinfahren und ihre Kanister auffüllen. Das ist nicht nur kostenlos, das Wasser ist auch mineralreich und schmeckt köstlich!
Ich würde also empfehlen, so eine „geistliche Quelle“ zu suchen. Es ist der einsame Glaube, der die Verletzungen verstärken kann. Glaube braucht Input, Gemeinschaft und Aktion, um frisch zu bleiben.
Was kann jeder selbst dazu tun, dass sein Glaube wahrhaftiger wird und im wahrsten Sinne des Wortes „Heil bringend“ für ihn und andere?
LARDON: Ich habe die alte Bibel von meinem Vater geerbt, er war „Prediger des vollen Evangeliums“ (das hat er tatsächlich als Berufsbezeichnung angegeben!) und hat viele Randnotizen auf das vergilbte Dünndruckpapier geschrieben. Immer, wenn ich in ihr lese, bin ich nicht nur mit ihm verbunden, sondern auch mit seinen Gedanken zur Predigtvorbereitung. Dieses Bibelstudium ist oft der Höhepunkt meines Tages (Abendessen mal ausgenommen). Und wer gerade in der Nähe ist, kriegt meine Erkenntnisse gleich zu hören. Also: Nimm andere mit auf deinem Glaubensweg! Lass sie teilhaben an deinen Fragen und Zweifeln. Aber überrasche sie auch mit deiner Freude über neu Entdecktes oder Wiedergefundenes. Ich zumindest empfinde das als heilbringend.
Und zuletzt: In welchem Bereich Ihres Lebens hat der Glaube Sie ganz persönlich heiler gemacht?
LARDON: Nach meiner Krise hat sich die Blickrichtung verändert: Es zählt nur noch das Jetzt. Begriffe wie „Zufall“, „Glück gehabt“, auch „langfristige Planung“ oder „Kosten-Nutzen-Rechnung“ sind ganz aus meinem Wortschatz verschwunden. Ich lebe im Glauben, ich erzähle und schreibe darüber. Dass ich leidgeplagter HSV-Fan, begeisterter Hobbykoch und Rotweinlover bin, hatte ich schon gesagt, oder?
Die Fragen stellte Sabine Müller.
THOMAS LARDON
ist seit vierzig Jahren als Autor, Herausgeber und Unternehmer im Verlags- und Kunstbereich tätig, besonders in den Bereichen Biografie und Spiritualität. Er gründete Buch- und Zeitschriftenverlage, u. a. für das Wirtschaftsmagazin „brandeins“, verlegte SPIEGEL-Bestseller und führte zwei Kunstgalerien. Im Sommer 2024 erscheinen im Gütersloher Verlagshaus seine Kartenbox „Himmlische Mächte begleiten deinen Weg“ und das „Quizbuch BIBEL“. Mehr unter www.lardon.me