Die Bezeichnung „Generalisierte Angststörung“, abgekürzt GAS, diente früher der medizinischen Einordnung von Angstproblemen, die nicht in die anderen Störungskategorien passten. Das hat sich geändert, weil man erkannt hat, dass es sich um ein eigenständiges und durchaus häufiges Problem handelt, das auch einer spezifischen Behandlungsweise bedarf.

 

 

Wie häufig sind Generalisierte Angststörungen?

Ungefähr jede 20. Person in Deutschland leidet im Lauf ihres Lebens mindestens einmal unter einer generalisierten Angststörung. Der Anteil von Frauen liegt um ein Drittel höher als der von Männern. Wahrscheinlich ist es die Angststörung, mit der sich die Hausärzte am meisten beschäftigen müssen, oft ohne zu wissen, womit sie es wirklich zu tun haben. Üblicherweise gehen an der GAS erkrankte Personen nämlich nicht zum Arzt, weil sie diese Störung bei sich vermuten, sondern der körperlichen Symptome wegen, die fast zwangsläufig daraus hervorgehen. Aber sogar Fachleute für Angsterkrankungen erkennen die GAS mitunter nicht, weil sie oft mit anderen Angststörungen einhergeht, zu denen eine auffälligere Symptomatik gehört. Das psychische Kernproblem bei der GAS ist hingegen „nur“ die Sorge.

 

 

Wie kommen Generalisierte Angststörungen zustande?

Eine GAS ist nicht dadurch definiert, dass sich andere bereits vorhandene Angststörungen immer weiter ausbreiten, bis ein „Flächenbrand der Angst“ daraus entstanden ist, obwohl das auch eine Rolle für ihr Zustandekommen spielen kann. Die GAS ist vielmehr ein eigenständiges Störungsbild mit spezifischen Ursachen. Dem Stand der Forschung nach kann man von zwei Voraussetzungen ausgehen: Oft besteht eine gewisse Veranlagung zu ängstlicher, mitunter zwanghafter Besorgnis, die begünstigt, dass sich die eigentliche Kernsymptomatik breit macht: eine fast ununterbrochene innere Nötigung, sich große Sorgen zu machen.

 

 

Wie äußern sich Generalisierte Angststörungen?

Typisch für eine GAS sind exzessive Sorgen über einen langen Zeitraum hinweg. Die Anlässe dazu mögen realistisch sein, aber der sorgenvolle Umgang damit ist es nicht. Die Sorgen verlieren ihr Maß und führen zu psychischen und körperlichen Symptomen wie hoher Reizbarkeit, Schlafstörungen und Verspannungen und Problemen mit Magen und Darm. Oft verbindet sich die GAS mit der Sozialphobie, und begreiflicherweise demoralisiert der Dauerstress durch die Sorgen auch viele Betroffene, weswegen sie mit Depression darauf reagieren. Natürlich liegt es auch nahe, sich durch Alkohol, Drogen und Medikamente Entlastung zu verschaffen.

 

Dass die GAS keine besonders auffällige Symptomatik entfaltet, liegt an der Funktion der Sorgen in diesem Störungsbild: Im Unterschied etwa zur Panik dient die Angst hier eigentlich der Vor-Sorge, um gar nicht erst Situationen entstehen zu lassen, die eine heftige Angstattacke auslösen könnten. Die unter der GAS leidende Person versucht darum, sich (und andere nahestehende Wesen) gedanklich wie auch praktisch gegen alle möglichen Gefahren abzusichern. Sie bemüht sich also um vollständige Kontrolle. Wenn man diese auch nicht erreichen kann, was ja jedem irgendwie bewusst ist, kann man sich doch damit trösten, sich auf dem Weg dorthin zu befinden. Dafür muss man allerdings den Preis ständiger Ruhelosigkeit zahlen. Man hat aber auch noch einen weiteren Vorteil davon: Solange man sich grübelnd mit den Sorgen beschäftigt, kann man es vermeiden, sich mit der befürchteten Situation direkt zu konfrontieren. Wie bei allen Angststörungen geht es also auch bei der GAS um ein Vermeidungsverhalten.

 

 

Was kann man bei einer Generalisierten Angststörung für sich selber tun?

Um diese Störung überhaupt in ihr Bewusstsein kommen zu lassen, kommt es für die Betroffenen darauf an, eine freundliche Haltung zu sich selbst einzunehmen und damit den Sorgenkreislauf an der entscheidenden Stelle zu unterbrechen. Umgekehrt kann sich die Angst nicht nur generalisieren, sondern auch chronifizieren, wenn sie immer dann, wenn Betroffene ihre Sorgen als übermäßige Belastung erkennen, wieder mit Sorge reagieren, sich also wegen ihrer Sorgen Sorgen machen. Der mentale Schlüssel zur Selbsthilfe ist also: „Ich mache mir unglaublich viele Sorgen – was für eine Last! Ich verdiene es wirklich, davon nicht mehr so bedrückt zu werden. Darum entschließe ich mich, Entlastung zu suchen und die Sorgen nicht mehr über mich herrschen zu lassen!“

Um das bei einer GAS allein zu schaffen, müssen die Umstände günstig, sprich: ermutigend sein. In der Regel wird der Weg heraus aber auf jeden Fall leichter oder sogar überhaupt erst möglich, wenn sich die Person mit ihrem großen Sorgenproblem verständigen anderen Menschen anvertraut.

 

 

Wie können Angehörige und Freunde Betroffenen beistehen?

Kaum erfolgreich und eher symptomverstärkend ist bei einer GAS der gut gemeinte Versuch, gute Argumente gegen die Sorgen ins Feld zu führen. Die betroffene Person wird, um ganz sicher zu gehen, alle Einwände sehr kritisch betrachten und sie ist darin geübt, dabei stets das „Haar in der Suppe“ zu finden. Hilfreich ist aber eine liebevolle Konfrontation, wobei das Problem jedoch ganz im Verantwortungsbereich der Person belassen wird, die es hat. Etwa so: „Du bist so sehr von deinen Sorgen bestimmt, das macht mich traurig und ratlos. Ich bin sicher, dass es nicht so sein müsste. Ich würde dir so wünschen, dass du zu einer optimistischeren Lebenseinstellung findest. Willst du dir nicht professionell dabei helfen lassen?“

 

 

Wann brauchen Betroffene professionelle Hilfe und worin kann sie bestehen?

Als Medikation können kurzzeitig Benzodiazepine eingesetzt werden, die wenigstens einmal wieder schlafen lassen und entspannen. Als längerfristige Medikamente werden Antidepressiva eingesetzt. Sehr wirksam sind Entspannungsverfahren und das Einüben von Achtsamkeit, wodurch vor allem auch die Sorgen über die Sorgen zur Ruhe kommen können.

Psychotherapeutisch empfehlen sich Methoden der Kognitiven Verhaltenstherapie mit dem Schwerpunkt der realistischen Veränderung von Katastrophenfantasien durch logische Auseinandersetzung und Vorstellungsübungen, in denen die Person ihrer Angst nicht mehr ausweicht und dadurch erfährt, dass sie damit zurechtkommen kann.

 

 

Dr. Hans-Arved Willberg

ist Theologe, Philosoph sowie Sozial- und Verhaltenswissenschaftler. Er leitet das Institut für Seelsorgeausbildung (ISA) und ist selbstständig als Rational-Emotiver Verhaltenstherapeut (DIREKT e.V.) und Pastoraltherapeut, Trainer, Coach und Dozent mit den Schwerpunkten Burnoutprävention und Paarberatung sowie als Buchautor tätig. Er hat mehr als 30 Bücher und zahlreiche Zeitschriftenartikel veröffentlicht.  

 

www.life-consult.org

Das könnte Sie auch interessieren