„Meine Frau (40) und ich (43) haben uns vor fünf Jahren scheiden lassen und teilen uns seither das Sorgerecht für unsere Tochter (12). Bisher lief alles recht gut, seit kurzem aber will meine Tochter die beiden Wochenenden, die ich sie im Monat bei mir habe, nicht mehr mit mir verbringen. Sie hat sich in letzter Zeit schon stärker zurückgezogen und nun sagt sie, sie habe einfach keine Lust, zu mir zu kommen – auch, weil sie dann an den Wochenenden ihre Freunde nicht sehen kann und sich langweilt. Ich bin traurig und mache mir Sorgen, dass ich meine Tochter verliere! Bald steht die Pubertät mit all den Herausforderungen ins Haus und ich fürchte, wenn ich sie jetzt schon nerve, sie dann erst recht für immer für mich verloren! ist Wie kann ich sie zurückgewinnen?“

 

 

Als Vater von zwei inzwischen erwachsenen Söhnen, kann ich Ihre Gedanken sehr gut nachvollziehen. Vater und Mutter bleibt man ein Leben lang und möchte seine Kinder auch weiterhin beschützen und regelmäßig Kontakt haben – egal, wie alt sie sind. Und vermutlich auch besonders dann, wenn das Leben sich anders entwickelt hat, als es ursprünglich von uns gedacht war. Durch Ihre Scheidung und dem getrennten Leben von Ihrer Familie, mussten Sie schon mehr loslassen, als Sie vermutlich wollten. Und nun kommt auch noch dieses Verhalten Ihrer Tochter dazu. Das schürt Ängste.

Vater und Mutter bleibt man ein Leben lang und möchte seine Kinder auch weiterhin beschützen und regelmäßig Kontakt haben – egal, wie alt sie sind.

So wie Sie Ihre letzten fünf Familienjahre beschreiben, kann und möchte ich Sie beruhigen und sogar beglückwünschen. Sie haben es als geschiedenes Elternpaar offensichtlich hinbekommen, trotzdem eine gute Mutter und ein guter Vater zu bleiben. Das spiegelt sich in den gut gelösten und regelmäßigen Kontakten wider, die Sie auch nach der räumlichen Trennung hinbekommen haben.

 

Wenn wir unser Leben betrachten, von der Geburt bis zum Tod im Alter, besteht dieses Leben aus sechs bis sieben Lebensphasen. In jeder Lebensphase gilt es, neues menschliches Verhalten zu erlernen. Mit die bekannteste Lebensphase ist die Lebensmitte, in der es oft zur bekannten „Midlifecrisis“ kommt. Diese Lebensphase durchlaufen wir ungefähr im 45. Lebensjahr – Sie stehen also kurz davor. In dieser Phase müssen wir akzeptieren, dass wir vermutlich schon mehr Jahre erlebt haben, als die, die noch vor uns liegen. Trauerarbeit ist erforderlich, nicht nur in Bezug auf die Jahre, die vorüber sind. Sehr oft sind dann unsere Kinder im Teenageralter, so wie jetzt Ihre Tochter.

 

 

Das Erwachsenwerden meistern

Die Lebensphase des Teenagers, auch „Adoleszenz“ genannt, dauert von zirka 12 bis 20 Jahren, gehört ebenso zu den bekannteren Lebensabschnitten. In diesen Jahren gibt es drei Hauptaufgaben parallel zu bewältigen: Der Junge wächst zum Mann heran und das Mädchen wird zur Frau – rein körperlich-biologisch. Diese Veränderung allein ist schon eine große Herausforderung. Für Ihre Tochter bedeutet das, wahrzunehmen, dass sie fraulicher wird, die Brüste wachsen und die Periode beginnt. Der Körper wird runder und fülliger. Damit entsteht auch die große Herausforderung, das neue Spiegelbild anzunehmen. Und plötzlich sind auch die Jungs auf dem Schulhof nicht mehr nur blöde und kindisch, sondern eben auch süß. Die ersten Schmetterlingen beginnen im Bauch zu fliegen …

In dieser Zeit braucht der Teenager Möglichkeiten, sich auszuprobieren, und Eltern müssen oft eine große Bandbreite von Möglichkeiten aushalten.

Die zweite große Herausforderung besteht darin, dass jeder Teenager lernen muss, wer er/sie ist, was er/sie kann, was ihn/sie ausmacht. In dieser Zeit braucht der Teenager Möglichkeiten, sich auszuprobieren, und Eltern müssen oft eine große Bandbreite von Möglichkeiten aushalten. Was gestern noch „in“ und selbstverständlich war, ist heute bereits mega-out. Und auch von „Ich esse alles“ über „Ich esse nur noch vegetarisch“ bis hin zu „Ich bin ab sofort Veganer!“, von blau-grün gefärbtem Haar bis zur Glatze, ist alles möglich. Teenager haben noch keinen guten Selbstwert und müssen diesen durch Ausprobieren finden. Ihren Selbstwert finden sie in dieser Zeit in ihrer Clique, bei ihren Freunde, denn die sind genauso auf der Suche zu sich selber und genauso wankelmütig, hier fühlen sie sich verstanden.

 

Zerbruch des Elternideals

Um sich selber zu finden, muss der Teenager sich von anderen Menschen lösen – auch und vor allem von den Eltern, die ihm bis jetzt gezeigt haben, wie das Leben funktioniert. Der Jugendliche muss selber leben lernen, sich kennen lernen, seine Stärken und seine Schwächen, und auch selbst Entscheidungen treffen. Dafür muss er sich von seinem Elternhaus, von „Mama und Papa“ loslösen – ein Trauerprozess, denn das bisherige „Elternideal“ zerbricht.

 

Zurück zu Ihrer Frage: Wenn Sie es als Vater schaffen, Ihre Tochter loszulassen, damit sie sich selber finden kann, wird sie als eigenständige Persönlichkeit zu Ihnen zurückkommen. Wenn Sie sie hingegen festhalten wollen, wird sie sich höchstwahrscheinlich mit aller Kraft aus Ihrem Griff befreien. Darum: Vertrauen Sie Ihrer Tochter, vertrauen Sie auf Ihr schon gelegtes Beziehungsfundament und Sie werden Ihre Tochter nicht verlieren! Ich wünsche Ihnen für diesen Lebensabschnitt viel Kraft, viel Mut und Zuversicht. Glauben Sie mir: Man kann die Teenagerzeit der Kinder tatsächlich überleben!

Frank Pahnke

verheiratet, Vater zwei erwachsener Kinder. Lebensberater und Heilpraktiker Psychotherapie mit eigener Praxis in Trossingen.

 

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Die Fragen in unserer Rubrik „Familienfragen“ sind aus dem Erfahrungshintergrund der Beraterinnen und Berater exemplarisch formuliert worden, sodass jederzeit strenge Vertraulichkeit gewährleistet bleibt. Wir veröffentlichen keine seelsorgerlichen Anfragen an die Redaktion ohne vorherige ausdrückliche Genehmigung der Ratsuchenden.

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