Wenn es um das Thema „Erschöpfung“ geht, ist es sehr hilfreich, wenn man Ratsuchenden Tipps für ein systematisches Vorgehen an die Hand geben kann. Gleichzeitig sollte es aber auch möglich sein, individuelle Bedürfnisse und Situationen zu berücksichtigen. Das Konzept, das ich daraus für meine Praxis für Burnout-Prävention entwickelt habe, gliedert sich in vier Bereiche: „Meine Person“, „Meine Belastungen“,Meine Ressourcen“ und „Meine Erholungskompetenz“. Jeder Bereich lässt sich auf ganz individuelle Art betrachten und an die jeweiligen individuellen Bedürfnisse anpassen. In dieser Folge dreht sich alles um den dritten Aspekt: „Meine Ressourcen“ oder auch „Entdecken, was in uns steckt“.

 

 

Ressourcen ist das Thema, das ich bei meinen Klienten oftmals als Erstes anspreche. Löst das Thema „Belastungen“ Unbehagen und Widerwillen aus, so bekomme ich zum Stichwort „Ressourcen“ sehr oft große, verzweifelte Augen zu sehen: „Ressourcen? Ja also, ähm, eher keine – sonst wäre ich ja nicht hier!“ So oder ähnlich lautet meist die Antwort auf meine Frage nach den „guten Anteilen im Leben“.

 

Der blinde Fleck

Erstaunlicherweise ist in stressigen Zeiten der berühmte blinde Fleck zu einer ganzen Fläche geworden. Leeres Blatt! Wir, und da schließe ich mich gerne mit ein, nehmen oft nicht mehr wahr, welche Vielfalt an Unterstützungen und Möglichkeiten sich in unserem Leben verbergen.

 

Gerne erinnere ich mich daran, wie in meinem Praxisraum beinahe der Platz ausging, als ich anfing mit einer Klientin ihre Ressourcen auf Zettel zu schreiben und auf dem Boden auszulegen. Es war so erstaunlich, wie bereits das Bewusstmachen der vorhandenen Möglichkeiten und Ressourcen einen Menschen aufrichten konnte. Wunderbar! Für mich dient das Bewusstmachen der Ressourcen nicht allein dazu, Menschen wieder mehr Stabilität und Sicherheit zu geben, sondern auch dazu, ihnen ihre „Selbstwirksamkeit“ zu erhalten beziehungsweise ihre Eigen-Ständigkeit zu fördern, nicht zuletzt aus berufsethischen Gründen. Außerdem (mal so ganz unter uns gesprochen) beruhigt es auch die Beraterin, wenn sie sieht, wie viel Menschen doch mitbringen, und es entlässt sie aus der Idee, sie müsse zaubern können. Gewiss grenzt es für mich jedes Mal wieder an ein Wunder, wenn auf einmal eine Erkenntnis die Menschen durchflutet. Und letztendlich bitte ich auch immer Gott um Weisheit und Einsicht für den Prozess – und erlebe, wie der, der gerne gibt, wunderbare Erkenntnisse schenkt (siehe Jakobus 1).

 

Die Schatzkiste finden

Aber wo kann man denn nach Ressourcen suchen, beziehungsweise wie kann man sie finden? Auch hier gehe ich am liebsten systematisch vor. Die Systematik variiert allerdings je nach Situation und Persönlichkeit der Ratsuchenden. Sie kann sich auf die verschiedenen Lebensbereiche beziehen, und so können nach und nach der Beruf, die Beziehungen (die zu Gott, unserem Vater im Himmel, eingeschlossen) und die eigene Person mit ihren Begabungen und Kompetenzen analysiert und bewertet werden. Oder man bricht es noch weiter herunter und macht es damit noch klarer: Ressourcen in mir, Ressourcen außerhalb von mir und Ressourcen außerhalb von beidem – nämlich mein Glaube.

 

Oft fällt es mir persönlich am leichtesten, wenn ich in einem inneren Spaziergang meinen Lebensweg durchgehe. Und dann tauchen solche Dinge auf wie: Schon im Kindergarten konnte ich gut spüren, wie es anderen so geht, und ich hatte mich damals schon um die Kleineren gekümmert und sie versucht zu versorgen. Kurz nach der Konfirmation hatte ich die erste Gruppe geleitet. Das hat mir viel Spaß gemacht. Und da in meinem Leben nicht nur freundliche und nette Menschen aufgetaucht sind, habe ich auch gut gelernt mich zu behaupten und abzugrenzen.

Die Kunst oder auch Gnade ist es, sein Leben als Schatzkiste wahrzunehmen und nicht als Leidensweg.

Später habe ich es geschafft, obwohl es für mein Umfeld oft unverständlich und unnötig zu sein schien, mir neue Ziele zu stecken und Neues zu wagen. Ich habe durch ganz unterschiedliche schwierige Lebensphasen gelernt, geduldig zu sein und mein Vertrauen auf Gott, meinen liebenden Versorger-Papa im Himmel zu setzen, wodurch dieser Glaube nun eine Tiefe hat, die sich verlässlich anfühlt. All das ist in meiner Schatzkiste. Die Kunst – oder auch Gnade – ist es, sein Leben als Schatzkiste wahrzunehmen und nicht als Leidensweg.

 

Und dann nehme ich mir noch die Ressourcen außerhalb von mir vor:

→ Welche Menschen sind in meinem Leben, die für mich wertvoll sind?

 

→ Was konkret sind die guten Bedingungen, die ich jetzt schon habe – zum Beispiel eine schöne Wohnung oder ein Haus –, die mir helfen, mein Leben gut zu gestalten?

 

→ Was würden Freunde sagen, was ich besitze oder was mir zur Verfügung steht, um mein Leben gut zu gestalten?

 

→ Welche immateriellen Sachen gibt es, die einfach so ohne mein Dazutun existieren und mich unterstützen? Zum Beispiel: „Ich lebe in einem guten Land mit einem angenehmen Klima, meine Nachbarn sind freundlich und hilfsbereit“ u. a.

Oft holpert es am Anfang ein bisschen – aber bekanntlich ist ja aller Anfang schwer. Doch irgendwann scheint der Damm gebrochen und es sprudelt nur so in unserem Gehirn. Manchmal entzündet sich sogar ein ganzes Feuerwerk an Ressourcen-Ideen. Und genau das sind dann die wundervollen Momente, die unbedingt gefeiert werden müssen!

 

Ressourcen erweitern

Nun haben wir uns jetzt unsere Ressourcen bewusst gemacht. Das ist sehr gut und sehr hilfreich – und manches Mal auch ausreichend, Mut machend, stärkend. Aber damit muss es nicht enden. Ressourcen können ja durchaus auch erweitert und hinzugewonnen werden. Ressourcen können verfeinert, trainiert und ausgebaut werden.

 

Ein ganz einfaches Beispiel: Ich habe Hunger und möchte gerne Pfannkuchen machen. Ich schaue in den Kühlschrank und stelle fest, dass ich keine Eier habe. Mehl, Salz und Milch ja – nur die Eier fehlen. Jetzt kann man entweder aufgeben oder die fehlenden Ressourcen beim Supermarkt um die Ecke kurz dazu kaufen. Ressourcen erweitert, Vorhaben gelungen.

Ressourcen können erweitert, verfeinert, trainiert und ausgebaut werden.

Oder anderes Beispiel: Ich stelle fest, dass ich zwar Kontakte habe, sie allerdings für mich immer weniger passen oder gar generell zu wenige sind. Der nächste Schritt: Ich überlege mir, was ich gerne mache, und wo ich Menschen vermute, mit denen ich mich gut verstehen könnte. Ein Hobby vielleicht und darin dann einen Kurs belegen. Oder mich in der örtlichen Kirchengemeinde engagieren? Es muss nur zu mir passen. So kann man schnell neue Menschen kennenlernen und neue und passende Kontakte finden.

 

Als Fahrplan können wir festhalten:

 

1. Werde dir deiner Ressourcen bewusst, eventuell auch mit Hilfe von Freunden!

2. Lege eine Ressourcenliste an, damit du dich an düsteren Tagen ermutigen kannst!

3. Erweitere deine Ressourcen in kleinen Schritten!

 

 

Ich selbst erlebe es immer wieder als herzerwärmend, wenn ich mir meine Ressourcen bewusst mache. Das geht runter wie Öl! Darum nehme ich mir in diesen Momenten immer vor, das doch öfters zu machen. Zu feiern, was alles schon da ist! Und weil mir dieser Vorsatz auf Anhieb nicht so gut gelungen ist, habe ich jetzt bei jeder Wochenreflexion den Punkt „Ressourcen“ hinzugenommen. Am Ende meines Kalenders trage ich ein, welche Ressourcen ich bei mir entdeckt habe. Und wenn mir vielleicht in einer Woche nichts einfällt, dann freue ich mich an den Dingen, die da schon stehen.

So einfach ist das. Und dann danke ich Gott, dass er mich so wunderbar gemacht hat – und das darfst du auch. Sag ihm danke! Er freut sich darüber.

Karin Maurer

ist Verhaltenswissenschaftlerin, systemische Beraterin und Burnout-Coach. Ihre Seminare bietet sie on- und offline an oder lädt zu einer Auszeit in die Schweiz ein. 

 

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