Schon länger beschäftigt mich die Frage nach der tatsächlichen Wirksamkeit meines Tuns. Zunehmend spüre ich, altersbedingt, dass meine Ressourcen endlich sind. Und ich will sie dort einsetzen, „wo es sich lohnt“.

 

Bilanz aufnehmen

Ein kritischer Blick auf meine bisherige Bilanz fördert erste Einsichten zutage: Einiges, was mit Leidenschaft begonnen wurde, ist über die Jahre irgendwie stecken geblieben, immer noch unvollendet, manchmal sogar gescheitert. Warum? Ehrlich gesagt könnte man das Meiste wohl unter der Rubrik „menschliches Versagen“ zusammenfassen, bei mir und bei anderen: fehlende Weitsicht oder Klugheit, zu wenig Gemeinsinn und dafür zu viel Eigensinn, zu wenig Ehrlichkeit, Mangel an Mut und vieles mehr. Dieser Befund fühlt sich wie Gift für mein eingebautes Belohnungssystem an. Er macht mich müde.

 

Allzu einfach wären nun zwei typische Instant-Reaktionen: Ein „Jetzt-erst-Recht“, das mich mehr Energie, mehr Mut und mehr Risikobereitschaft in eine Sache stecken lässt. Oder aber ein abgeklärt-resigniertes „Bevor-ich-mich-aufrege-ist-es-mir-lieber-Egal“.

 

Ich bin jedoch der Meinung, dass Menschen sich ändern können. Und zwar dann, wenn man sie nicht zwingt, etwas zu tun, von dem sie (noch) nicht überzeugt sind, wenn sie ausreichend Zeit zum Nachdenken und Ausprobieren haben und vor allem, wenn sie dabei den tieferen Sinn der Veränderung erkennen – für sich und für andere.

 

Das Leben ist langsam. Lernen geschieht langsam, Reifen erst recht.

Aber ganz ehrlich? Auch dieser Gedanke gefällt mir nicht. Das geht mir zu langsam! Wir sind als Menschen „in der Zeit eingeklemmt“. Da macht allein das schiere Warten keine guten Gefühle. Zeit steht außerdem nicht endlos zur Verfügung. Sie ist eine knappe Ressource. Ich will sie „auskaufen“.

 

Und doch stimmt es einfach: „Gut Ding will Weile haben“. Das Leben ist langsam. Lernen geschieht langsam, Reifen erst recht. Und es ist geheimnisvoll. Man kann niemanden zwingen, seine in Freud und Leid verborgenen Lektionen entdecken zu wollen. Das muss man freiwillig tun, sich Zeit dafür nehmen. Selbst für die Entscheidung, ob man dazu Hilfe in Anspruch nehmen will – von anderen Menschen oder vielleicht sogar „von oben“.

 

Gelassenheit einüben

Obwohl mir mit Mitte 50 nicht mehr endlos Zeit zur Verfügung steht, will ich diese Gedanken mit ins neue Jahr nehmen. Ich möchte an der Seite meiner Freunde und Kunden weiter in „gelassener Leidenschaft“ für positive Veränderungen einstehen. Aber ich will auch immer wieder respektvoll warten, Entscheidungen nicht erzwingen und mit den spannenden Folgen dieser Haltung in mir verantwortlich umgehen.

 

Mit der Hilfe des Gottes, der sich „Hüter meiner Seele“ nennt, will ich den Wolf in mir und in anderen besser bändigen lernen. Und mit scheinbar unbefriedigenden Zwischenergebnissen leben. So wie ich eines bin. Auch hier ist das letzte Wort noch nicht gesprochen.

Kristian Furch

ist Partner bei der Führungsberatung „LeadershipPartners“, die Unternehmen bei der strukturellen und individuellen Umsetzung „guter Führung“ unterstützt. Er ist verheiratet, hat drei erwachsene Kinder und zwei Enkelkinder.

 

www.leadership-partners.com

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