Neulich unterhielt ich mich mit einem guten Bekannten, der als Seelsorger arbeitet, über Pornografie. Es wunderte mich nicht, als er mir erzählte, dass auch viele Singles Pornografie konsumieren und nicht selten süchtiges Verhalten entwickeln. Was mich wunderte, war sein Begründungsansatz: „Singles haben aus meiner Sicht schon eine größere Gefährdung, eben weil sie körperliche Nähe nicht spüren können und diese körpersprachliche Zuwendung nicht erleben können.“
Ganz ehrlich: Dieser Satz hat mich mehr als irritiert zurückgelassen. Weil er nicht stimmt! Denn was hätten wir für einen lieblosen Schöpfer, wenn er Singles Nähe und körpersprachliche Zuwendung verwehren würde! Die Wortkombi „nicht können“ höre ich in Bezug auf Singles und Nähe immer wieder. Und das ärgert mich sehr! Singles „können“ keine Intimität erleben? Hinter diesem Denken steckt die vor allem unter Christen weit verbreitete Doktrin, dass alles, was mit Intimität, Nähe und Körperlichkeit zu tun hat, ausschließlich in der ehelichen Beziehung erlebt werden kann und darf.
Sinnlichkeit leben
Was für ein Schmarrn! Ich sehe und erlebe das anders – und darum werbe ich schon lange und leidenschaftlich für einen weiteren Blick von Sexualität. Wir sollten dringend darüber nachdenken, wie auch Singles auf der sinnlichen und körperlichen Ebene Gefühle von Verbundenheit und Nähe erleben können. Auch wenn ich als Christin hier bewusst auf zwischenmenschliche genitale Sexualität verzichte.
Singles „können“ keine Intimität erleben? Hinter diesem Denken steckt die unter Christen weit verbreitete Doktrin, dass alles, was mit Intimität zu tun hat, ausschließlich in der ehelichen Beziehung erlebt werden kann und darf.
„Pornografie ist ,programmatische Beziehungslosigkeit‘“, formuliert der Sexualtherapeut Christoph Joseph Ahlers – und genau das ist Singlesein für viele auch. Hier liegt aus meiner Sicht das Hauptproblem: dass „Beziehung“ für viele ausschließlich „Paarbeziehung“ heißt. So hat sich unser Schöpfergott das aber überhaupt nicht gedacht! Seine Gemeinde besteht aus Menschen jedes Familienstandes. Und Familie leben heißt, Nähe, Beziehung und Verbundenheit leben. Wie kann das für Singles funktionieren? Indem sie ganz bewusst in Beziehungen leben: Freundschaften, Patenschaften, Ess-, Wohn-, Urlaubs-, Lebensgemeinschaften.
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Leben teilen
Wer also sind die Menschen, mit denen du dein Leben teilst, mit denen du Gemeinschaft lebst, welche Art auch immer? Bei mir ist es eine Lebens-Gefährtin. Wir haben uns schon vor zehn Jahren verbündet mit dem Ziel, unser Leben zu teilen – auch mit einigen anderen in einer großen Hausgemeinschaft. Darüber hinaus habe ich ein paar wenige, richtig gute Freunde. Und wir knuddeln uns, kraulen uns die Haare und lassen einander an Sorgen, Freuden, Nöten und Späßen teilhaben. Hier gebe und nehme ich Nähe und Intimität – seelisch und körperlich. Hier erlebe ich Zugehörigkeit. Das tut mir gut, und das brauche ich.
Ich weiß, dass ich ein sehr knuddeliger Typ bin, andere sind das nicht. Was bist du für ein Typ? Brauchst du immer wieder mal eine kräftige Umarmung – oder eher ein tiefgehendes Gespräch? Wir sind als Menschen unterschiedlich und auch in diesem Bereich herauszufinden, wie man tickt, ist sehr wertvoll. Und dann mit den Menschen das Leben zu teilen, die mir etwas von dem geben können, was ich brauche – und bei denen ich etwas von dem leben kann, was ich gerne teile. Ja, das kostet auch was, zum Beispiel meine Entscheidung, mich weiterentwickeln zu wollen. Denn Beziehung geht nicht ohne Entwicklung und Wachstum. Beides tut oft weh – aber langfristig tut es gut!
Ich möchte dich ermutigen, herauszufinden, wie du deine Bedürfnisse nach Nähe und Intimität wahrnimmst und wie du ihnen begegnest. Und dann wünsche ich dir viel Kreativität! Und tolle Entdeckungen! Und versöhnte und fröhliche Beziehungen zu dir selbst und zu anderen.
1 Kommentar
Hmmm. Ich kann für mich aus meiner Erfahrung sprechen, dass körperliche Nähe zu Familie und Freunden (Umarmungen, Knuddeln, Kraulen) bei mir innerlich nicht auf das selbe „Konto“ fließt wie Intimität mit einem Mann. Es tut gut, garkeine Frage - aber die körperliche Nähe zu einem Mann ist für mich damit nicht zu ersetzen oder zu vergleichen. Ich habe mich schon oft gefragt, warum das so unterschiedlich ist. Vielleicht, weil bei Berührungen im Freundes-und Familienkreis das sexuelle komplett ausgeklammert ist. Bei Berührungen mit (m)einem Mann muss es auch nicht direkt um Sex gehen, aber auch Umarmungen und alles weitere gelten meiner ganzen Person (inklusive Sexualität). Das ist für mich eine Ganzheitlichkeit bei Berührungen, die ich so bei Familie und Freunden nicht habe. Ist das nachvollziehbar? 🤔 Ich habe aber auch erlebt, dass ein ganzer Tag mit kleinen Kindern, die man auf dem Arm trägt und die quasi nonstop an einem „dranhängen“, mein Berührungskonto sich auch gut gefüllt anfühlt. Zwar ganz anders als im Zusammensein mit einem Mann, aber trotzdem „voll“. Auch Mütter in meinem Umfeld erzählen oft, dass sie in der Zeit mit Babys & Kleinkindern kaum mehr das Bedürfnis nach Intimität mit ihrem Mann haben, weil ihr Berührungskonto schon durch den ständigen Körperkontakt mit den Kindern gefüllt ist. So - das war jetzt umfangreich und wie ich hoffe, auch verständlich. Mein Punkt ist, dass für mich wie gesagt die Berührungen mit Freunden und Familie sehr schön sind, aber irgendwie nicht in gleicher Weise auf dieses „Berührungskonto“ einzahlen. Schade - es wäre schön (und praktisch), es wäre so - aber die Ganzheitlichkeit fehlt dabei für mich.
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