Abwerfen, was uns belastet: Wenn es um das Thema „Erschöpfung“ geht, ist es sehr hilfreich, wenn man Ratsuchenden Tipps für ein systematisches Vorgehen an die Hand geben kann. Gleichzeitig sollte es aber auch möglich sein, individuelle Bedürfnisse und Situationen zu berücksichtigen. Das Konzept, das ich daraus für meine Praxis für Burnout-Prävention entwickelt habe, gliedert sich in vier Bereiche: „Meine Person“, „Meine Belastungen“, „Meine Ressourcen“ und „Meine Erholungskompetenz“. Jeder Bereich lässt sich auf ganz individuelle Art betrachten und an die jeweiligen individuellen Bedürfnisse anpassen. In dieser Folge dreht sich alles um den zweiten Aspekt: „Meine Belastungen“.

 

Belastungen sind das Natürlichste der Welt, das muss ich immer wieder betonen. Ein Leben ohne Schwierigkeiten gibt es schlichtweg nicht. Die Frage ist lediglich: Habe ich genügend Ressourcen, um mit diesen Belastungen umzugehen? Und auch: Bin ich mir bewusst, dass ich zum Gestalten berufen bin? – Um ehrlich zu sein: Mir gefällt diese Wahrheit auch nicht. Aber schon in der Bibel heißt es: „…und ob ich schon wanderte im finsteren Tal“ oder „… und wenn du durchs tiefe Wasser oder reißende Ströme gehst …“ Es scheint auch hier keine Frage zu sein, ob es Täler, tiefe Wasser und reißende Ströme im Leben gibt. Aber erst mal der Reihe nach.

 

 

Lebensbaustellen systematisch angehen

Belastungen sind oft das heikelste Thema, aber auch das drängendste. Belastungen sind meistens vielschichtig und scheinen miteinander verbunden zu sein, sie können komplex sein und schwer zu durchschauen. Deshalb empfehle ich, auch bei diesem Thema systematisch vorzugehen:

 

1. Was steht derzeit an?

2. Gibt es Altlasten?

3. Welche Zukunftssorgen belasten mich?

 

Grundsätzlich empfehle ich immer, sich zuerst den aktuellen Belastungen zuzuwenden. Wenn es gelingt, im Hier und Jetzt zu entlasten, dann kann man auch viel besser zurückschauen oder in die Zukunft blicken. Die aktuellen Belastungen können erneut unterteilt werden:

 

1. Innere Belastungen

2. Äußere Belastungen

 

Zu den inneren Belastungen zähle ich all jene inneren Stimmen, die einem mehr Stress machen, als nötig. Das sind solche Sätze wie: „Du musst bei allen beliebt sein!“ oder „Du darfst unmöglich um Hilfe bitten – schaff das gefälligst alleine!“ Und auch „Sei perfekt!“ ist so ein Satz, bei dem man zusätzlich ins Schwitzen kommt.

 

 

Dem inneren Kritiker ein Ohr schenken

Kennen Sie das? Sie haben eine Aufgabe bekommen oder ein Projekt steht an und Sie hätten allen Grund, sich darauf zu freuen. Sie fangen munter, doch plötzlich ist da wieder diese Stimme: „Los, beeil dich!“, oder „Na, ob du es diesmal wirklich schaffst?“ Es ist der innere Kritiker, der einem noch mehr Stress macht, als nötig. Wohin also mit diesem Gesellen? Mein Tipp: Mit ins Boot holen! Ja, Sie haben richtig gelesen! Im Grunde ist er nämlich einfach nur besorgt um Sie und möchte Sie beschützen. Sicher, er stellt es nicht besonders glücklich an, aber er hat Potenzial!

Wenn wir uns immer wieder vor Augen halten, dass der innere Kritiker uns schützen möchte, dann ist schon mal ein bisschen der heißen Luft raus!

Wenn wir uns immer wieder vor Augen halten, dass der innere Kritiker uns schützen möchte, dann ist schon mal ein bisschen der heißen Luft raus! Er möchte zum Beispiel sicherstellen, dass wenn es sich um etwas Wichtiges handelt, wir auch motiviert bleiben, es zu Ende zu bringen. Wir können im inneren Dialog so etwas sagen wie: „Danke für den Hinweis, aber ich weiß, dass ich genügend Zeit habe, um es gut genug fertig zu machen“! Probieren Sie es einmal eine Woche lang aus! Es ist erstaunlich, wieviel besser es sich arbeiten lässt, wenn man zielstrebig, aber auch gelassen vorgeht. Die Effizienz wird in die Hände klatschen und sich bei Ihrer Konzentration bedanken.

 

Was aber machen wir mit den Dingen, die außerhalb von uns liegen: dem Chef, der nervt; dem Kollegen, der immer weiß, wie er einem Arbeit aufdrücken kann; der vielen Arbeit, die sich immer mehr auftürmt; mit Familie und Freunden, die alle (zu) viel von uns erwarten?

Meine Empfehlung: Verschaffen Sie sich einen Überblick über all die Dinge und Menschen, die Ihnen derzeit Stress bereiten. Haben Sie keine Angst davor! Und falls doch, dann machen Sie die Aufstellung eben mit einer Freundin oder einem Freund oder Ihrem Partner zusammen.

 

 

Listen schaffen Überblick

Wenn die Liste dann soweit fertig ist, gehen Sie sie nochmals durch und verteilen Sie Punkte: Nehmen Sie einen roten Stift und notieren hinter jedem Stichwort eine Zahl zwischen eins und drei! „Eins“ für „Ist leicht zu beheben“, „Zwei“ für „Ist schwieriger zu beheben“ und „Drei“ für „Ist schwierig zu beheben“. Damit haben Sie sich selbst eine Strategie geschenkt, wie Sie sich voran arbeiten können. Fangen Sie immer bei den Einser-Punkten an: Was können Sie sehr einfach und leicht abstellen und sich damit ein wenig mehr Entspannung ins Leben holen? Legen Sie einen konkreten Schritt fest, den Sie in den nächsten Tagen umsetzen können! Die Einser-Punkte brauchen nur wenig Kraftanstrengung, um behoben zu werden, ersparen Ihnen aber schon jede Menge kostbarer Lebensenergie! Mit diesem Erfolgserlebnis sind Sie dann motiviert, die nächsten Punkte in kleinen Schritten anzugehen.

Eins ist klar: All die Belastungen sind nicht über Nacht in Ihr Leben gekommen und sie werden auch nicht über Nacht verschwinden!

Übrigens, ganz ähnlich können Sie mit den Altlasten und den Zukunftssorgen umgehen:

 

1. Verschaffen Sie sich einen Überblick!

2. Skalieren Sie die Punkte!

3. Legen Sie kleine Schritte fest!

 

Sie sehen: Abwerfen, was uns belastet, ist gar nicht so kompliziert. Der Knackpunkt ist eher: Wie kann ich dranbleiben? Denn eins ist klar: All die Belastungen sind nicht über Nacht in Ihr Leben gekommen, und sie werden auch nicht über Nacht verschwinden. Natürlich passieren auch ab und an Wunder (und man darf Gott sicher darum auch bitten), aber in aller Regel ist es ein Prozess, dass wir Schritt für Schritt unser Leben wieder so gestalten, dass es zu uns und unseren Möglichkeiten passt.

 

Um motiviert zu bleiben, hilft ein guter Gefährte an Ihrer Seite und immer wieder eine kleine Belohnung für Ihre erfolgreichen kleinen Schritte. Das setzt die wohltuenden Akzente! Und bei all den mehr oder weniger anstrengenden kleinen Schritten, dürfen Sie sich einer Sache sicher sein: Sie sind „von guten Mächten treu und still umgeben, behütet und getröstet wunderbar“ (Dietrich Bonhoeffer). Sprechen Sie sich das immer wieder selbst zu – oder lassen Sie es sich von lieben Menschen zusprechen!

Karin Maurer

ist Verhaltenswissenschaftlerin, systemische Beraterin und Burnout-Coach. Ihre Seminare bietet sie on- und offline an oder lädt zu einer Auszeit in die Schweiz ein. 

 

Mehr unter: www.coaching-und-gesundheit.com

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