Wissen Sie, was der Wirtschaft fehlt? Menschen mit Persönlichkeit, die sich trauen, querzudenken und Dinge infrage zu stellen. Der Ehrgeiz, keine Fehler machen zu wollen, verwirrt und lähmt.

 

Darum sind Sie eingeladen zum „Ja“ des Lebens und Liebens. Überlegen Sie hin und wieder, wie leicht Sie zu sich selbst und Ihren Schwächen stehen können. Das Streben nach einem fehlerfreien Leben verstellt den Blick für das Wesentliche. Es bleibt an der Oberfläche, anstatt die Tiefe und Einzigartigkeit der eigenen Geschichte zu entdecken. Fragen Sie sich:

→ Lebe ich meine Tage atemlos und gehe abends mit einer Vollbremsung zu Bett – oder gibt es sinnvolle Strukturen für meinen Tag?

→ Drückt sich mein Lebensziel in meinem Lebensstil aus?

 

 

Mut zu Fehlern

Eine Null-Fehler-Toleranz kann sich heute kein Mensch mehr leisten. Leben Sie also damit, Fehler zu machen! Sehen Sie sie nicht als Feind, sondern als Chance. Manchmal tut es gut, sich selbst loszulassen. Dabei beginnt jeder Befreiungsprozess mit einem Ja von innen und rechnet mit der Kritik von außen.

Von den Persern heißt es, sie würden in ihre Teppiche absichtlich kleine Fehler einweben, weil sie so angenehmer auf das menschliche Auge wirken. Schade, dass ich keinen Perserteppich besitze – ich würde das sofort überprüfen! Vielleicht würde es mir helfen, mich auf den Gedanken einzulassen, dass Fehler nicht nur in einen Teppich, sondern auch zum Leben gehören.

 

Wenn gut nie gut genug ist

Es ist ein Fehler, keine Fehler machen zu wollen. Manche Menschen verschwenden ihr ganzes Leben bei diesem Versuch. Ob etwas ein Fehler ist oder nicht, hängt von Ihrer eigenen Bewertung ab. Der eine sieht in einer vermasselten Chance einen Weltuntergang, der andere kommt zu der Einstellung: „Alles ist gut so, wie es gekommen ist.“

Es ist ein Fehler, keine Fehler machen zu wollen. Manche Menschen verschwenden ihr ganzes Leben bei diesem Versuch.

Im Streben nach Perfektion entsteht ein Tunnelblick, in dem das Wesentliche übersehen wird. Egal, was eine Perfektionistin erreichen will – es ist nie genug! Diese Erfahrungen durfte ich bitter durchleben. Ja, ich bin eine Perfektionistin, doch irgendwann habe ich mich für mutige Unvollkommenheit entschieden. Ich verlasse den Tulmult des Denkens, wenn er in Fragequalen führt, und erlaube mir eine Gedankengeschwindigkeit, die mit meiner Seele behutsam umgeht.

 

 

Die Ästhetik des Unvollkommenen

Ein Hoch auf Wabi-Sabi! Denken Sie jetzt an die grüne scharfe Sushi-Paste? Nein, die heißt Wasabi. Wabi-Sabi ist eine wundervolle japanische Tradition, die die „Vollkommenheit der Unvollkommenheit“ auf eine ganz besondere Weise ausdrückt: Zerbricht ein Gefäß, das sich schon seit einiger Zeit im Besitz der Familie befindet, wird es auf besondere Weise repariert und erhält dadurch eine besondere Schönheit. Auf keinen Fall werden Gegenstände einfach weggeworfen.

Beeinflusst wurde Wabi-Sabi von der chinesischen Kintsugi-Technik. Bei dieser Technik, die seit dem 16. Jahrhundert angewendet wird, werden die Risse im Material mit Gold aufgefüllt. So entstehen atemberaubende Kunstwerke, denen man ansieht, dass sie einmal zerbrochen waren. Durch die goldgefüllten Risse erhält ein Gegenstand mit Makel eine ganz eigene und vor allem einzigartige Schönheit.

 

 

Die Schönheit der Vergänglichkeit

Hinter Wabi-Sabi steht die Überzeugung, dass nur das, was eine sichtbare Geschichte vorweisen kann, auch wirklich schön ist. „Authentizität“ ist hier wichtiger als Makellosigkeit. Dinge, denen die Patina des jahrelangen Gebrauchs anhaftet, werden als schöner erachtet als fabrikneue Produkte.

Der Makel wird nicht kosmetisch behandelt, bis er unsichtbar ist, sondern im Gegenteil: Er wird im wahrsten Sinne des Wortes „vergoldet“ und hervorgehoben.

Mir eröffnet diese Lehre einen neuen Blickwinkel, der meine Fehler und Schwächen jenseits des Perfektionismus schön und einzigartig findet. Der Makel wird nicht kosmetisch behandelt, bis er unsichtbar ist, sondern im Gegenteil: Er wird im wahrsten Sinne des Wortes vergoldet und hervorgehoben. Ist das nicht genial? Und nein, ich fülle meine Falten nicht mit Gold auf, sondern betrachte sie mit einem wohlwollenden Lächeln.

 

Weniger performen, mehr sein

Unser Leben ist nicht so berechenbar, dass wir stets fest mit seinem Gelingen rechnen können. Auch Scheitern ist eine der Möglichkeiten. Aber auch das gehört zum menschlichen Dasein und kann nicht einfach entsorgt werden. Eine bewusste Lebensführung verzichtet daher auf die Idee vom perfekten Leben.

 

Wenn ich mich also mal wieder auf dem Trip befinde, alles perfekt machen zu müssen, erlaube ich mir Gedanken an Wabi-Sabi und ein stilles Gebet. In diesen Momenten verzichte ich auf Schwarz-Weiß-Denken und suche den Blick für das himmlische große Ganze. Meine kleinen und großen Sorgen lege ich vertrauensvoll in Gottes Hand. Das führt meinen Tunnelblick in die Weite und ich darf erkennen, dass Persönlichkeit überzeugt und nicht das Streben nach Fehlerlosigkeit. Der Blick auf die machbaren Dinge verhindert komplizierte Denkmanöver. Gerne gebe ich zu, dass ich hier noch blutige Anfängerin bin. Darum:Machen Sie doch mit und haben Sie Mut zur Unvollkommenheit!

Monika Bylitza

ist Kommunikationstrainerin, Coach und Autorin. Vor kurzem ist ihr neuestes Buch „Stachelige Persönlichkeiten im Business“ erschienen (Verlag der Francke-Buchhandlung), das sie gemeinsam mit dem Psychotherapeuten Jörg Berger verfasst hat.

 

www.monika-bylitza.de

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