Ich habe eigentlich schon immer sehr gern und auch recht viel gelesen. Das Repertoire reicht von psychotherapeutischen Fachbüchern, die ich für meine Arbeit lese, über spannende Krimis, (historische) Romane und Biografien bis hin zu Kinderbüchern.

 

Eintauchen in fremde Leben

Lesen ist für mich ein toller Zeitvertreib. Beim Lesen kann ich ganz abschalten, kann dem Alltag mit all seinen Herausforderungen und To-Dos entfliehen. Wenn ich lese, versetze ich mich in eine andere Person hinein, tauche ein in ihre (fiktive oder auch reale) Lebenswelt. Hin und wieder ertappe ich mich dabei, wie ich die Figuren im Buch anfeuere, in Gedanken mit ihnen diskutiere oder sie dahin wünsche, wo der Pfeffer wächst. „Lass dir das nicht gefallen! Wehr dich endlich!“, kommentiere ich dann in Gedanken. Vor ein paar Monaten brachte mich ein Buch dazu, ungelogen eine halbe Packung Taschentücher zu verbrauchen, so sehr musste ich heulen. Die Geschichte handelte von zwei Frauen, die seit der Schulzeit befreundet sind, sich dann aber aus den Augen verlieren und irgendwann doch wieder zueinander finden. Jetzt, wo ich das schreibe, klingt es geradezu kitschig. Und doch hat eine Szene in diesem Buch so viele Emotionen in mir angestoßen, solche Sehnsucht geweckt, dass ich mich schlussendlich heulend auf dem Sofa sitzend wiederfand – und eben diese Entdeckung gemacht hatte: Dass da eine Sehnsucht in mir ist, die durch das Buch geweckt wurde. Eine Sehnsucht, derer ich mir vorher gar nicht bewusst gewesen war.

 

Lesend heiler werden

In einem Fachbuch stolperte ich kurze Zeit später über den Begriff „Bibliotherapie“. Das Wort könnte man als „Bücher, die zu Diensten sind“ übersetzen. Zu diesem Konzept könnte man viel schreiben. Interessant für uns Otto-Normal-Leser ist aber vor allem die Erkenntnis, dass Lesen eine heilsame Wirkung haben kann.

Was man in Gedanken schon erfolgreich durchgespielt hat, fühlt sich dann auch im wirklichen Leben machbarer an.

Wenn wir beim Lesen eines Buches in eine andere Welt eintauchen, bekommen wir die Chance, ganz unverbindlich neue Perspektiven einzunehmen, nämlich die der handelnden Personen. Im Laufe der Geschichte werden wir mit Situationen, Fragen und Gefühlen konfrontiert, denen wir im realen Leben in dieser Form vielleicht nie begegnen oder denen wir um jeden Preis auszuweichen versuchen würden. ___STEADY_PAYWALL___

Begegnen uns diese Dinge aber sicher verpackt zwischen zwei Buchdeckeln, dann trauen wir uns, uns ihnen zu stellen. Während wir also lesen, erlauben wir uns, neue Blickwinkel auf Situationen einzunehmen, die wir uns im echten Leben womöglich verbieten würden. Wir gestehen uns emotionale Reaktionen zu, die wir sonst oft zu unterdrücken versuchen. Wenn jemand im Buch überlegt, ob er Weg A oder B einschlagen soll, dann fragen wir uns, wie wir selbst wohl an ihrer Stelle entscheiden würden. Natürlich nur rein theoretisch.

 

Wenn wir im wirklichen Leben dann aber tatsächlich mit vergleichbaren Dingen konfrontiert werden, dann haben wir durch unsere Lesereisen schon viel gedankliche Vorarbeit geleistet. Auf die können wir zurückgreifen. Was man in Gedanken schon erfolgreich durchgespielt hat, fühlt sich dann auch im wirklichen Leben machbarer an. Wir wachsen durch das Lesen von Büchern. In diesem Sinne: Frohe Lesestunden Ihnen!

NICOLE STURM

ist psychotherapeutischer Coach (Heilpraktikerin für Psychotherapie) und liebt es, Menschen zu heilsamen Perspektivwechseln zu verhelfen. Ihr ist es ein Herzensanliegen, dass Menschen in Krisen- und Umbruchszeiten zeitnah individuelle Unterstützung bekommen und das so flexibel und niederschwellig wie möglich. Mehr zu ihren (Online-)Angeboten erfahren Sie hier: www.vorwärtsleben.de

Das könnte Sie auch interessieren