Wir sind Geschichtenerzähler. Damit meine ich nicht, dass wir uns allabendlich mit anderen zusammensetzen und uns gegenseitig Märchen und Sagen erzählen. Vielmehr geht es um die Geschichten, die wir uns selbst erzählen – über das Leben, unsere Möglichkeiten und uns selbst.
Vor einigen Jahren hatte ich hierzu ein Erlebnis, das sich in mein Gedächtnis eingebrannt hat. Meine Tochter besuchte einen Schwimmkurs. Kurz vor Ende des Kurses waren wir eine Woche im Urlaub und sie jeden Tag im Wasser. Wir bekamen mit, dass man am Urlaubsort auch das Schwimmabzeichen machen kann. Das wollte sie gerne versuchen.
Die Prüfung fing an, alles lief gut – bis es darum ging, einen Ring vom Beckenboden hochzuholen. Der Bademeister wollte es anders gemacht haben, als unsere Tochter es wochenlang im Kurs geübt hatte. Der Frust war groß, die ersten Tränen rollten ihr über die Wangen. Wir baten um eine kurze Unterbrechung. Nachdem sie sich etwas beruhigt hatte, zeigte ich ihr, wie der Bademeister die Übung gerne ausgeführt haben wollte. Sie machte es nach – erst etwas unbeholfen, dann immer sicherer. Nach einigen Minuten kam der Bademeister zurück. Er bat sie, die Übung noch mal zu versuchen – erst im flacheren Wasser, dann immer tiefer. Dann lächelte er und gratulierte ihr zum bestandenen Schwimmabzeichen.
Wie wir über uns reden, macht etwas mit uns: Es lässt uns als Verlierer oder aber als Sieger zurück.
Meine Tochter wirkte trotzdem traurig. „Ich habe es erst im zweiten Anlauf geschafft“, sagte sie. Ich nahm sie zur Seite und fragte sie: „Wenn wir nach Hause fahren und Oma und Opa vom Schwimmabzeichen erzählen, welche Geschichte möchtest du ihnen dann erzählen?“ Sie schaute mich fragend an. Daraufhin erklärte ich ihr, dass es zwei Geschichten gibt, die beide gleichermaßen wahr sind:
1. „Ich wollte mein Schwimmabzeichen machen, habe aber eine Übung nicht hingekriegt. Erst im zweiten Anlauf hat es geklappt.“
2. „Ich wollte mein Schwimmabzeichen machen. Dabei kam raus, dass wir eine Übung im Kurs anders geübt hatten, als der Bademeister es haben wollte. Also habe ich seine Variante ein paar Minuten geübt und es dann auch direkt geschafft!“
Es ist ein und dieselbe Geschichte und doch ganz anders. Wie wir über uns reden, macht etwas mit uns: Sie lässt uns als Verlierer oder aber als Sieger zurück. Wie hätten Sie die Geschichte erzählt? Wenn Sie mögen, dann hören Sie sich doch einmal selbst zu, wenn Sie reden. Welche Geschichten erzählen Sie über sich, Ihre Möglichkeiten und das Leben?
3 Kommentare
Es kann so einfach sein. Macht das Leben einen zuversichtlich oder zögerlich? Menschen enttäuschen, Wege sind nicht schon vorher bekannt. Jedoch Gottes Treue macht mich zuversichtlich. Auf unbekannten Wegen durfte ich seine Gegenwart spüren und im Rückblick erkennen. Vertrauen kann so leicht sein, wenn ich nicht immer auf meine Zweifel und Fehler blicke, sondern auf dass, was ich geschafft habe. Sorgen bedrängen jeden (wenn man es auch nicht jedem ansieht). Werde nicht das Opfer Deiner Sorgen, sondern gib sie ab an Gott und blicke und hoffe auf die Möglichkeiten des Weges vor Dir. Der folgende Artikel kann dabei auch etwas helfen den Fokus zu korrigieren. Und Freunde ebenfalls. Sei offen für die "Sorgen" Deiner Freunde, dann lernst Du Deine eigenen Sorgen besser einzuordnen. https://www.erf.de/themen/glaube/sorge-und-vertrauen/2803-542-3888
Auf diesen Kommentar antwortenDanke für den guten und gedanklich erweiternden Kommentar, lieber Frank!
Auf diesen Kommentar antwortenDanke für deinen Kommentar, Frank! Ja, jeder kennt Sorgen, nur überspielen wir sie oft, damit unsere Mitmenschen es nicht merken. Mit vertrauten Menschen im Gespräch zu sein und auch diese Aspekte nicht auszuklammern, ist so bereichernd! Wie du schon schriebst: Wir merken, wir sind nicht allein. Unsere Perspektive verändert sich. Vor allem aber können wir von einander lernen und können im Idealfall so manchen Stolperstein stolperfrei umrunden. Das ist auch meine Motivation, wenn ich Artikel schreibe: andere an (hoffentlich) hilfreichen Einsichten teilhaben lassen, damit sie nicht die gleichen Fehler machen wie ich oder die Menschen, von denen ich gelernt habe. Liebe Grüße!
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