Eine Bekannte rief ganz aufgelöst bei mir an. Sie war gerade von einem Städtetrip mit ihrem Mann zurückgekommen. „Ich habe an Rolf immer geschätzt, dass er so gut mit Geld umgehen kann. Wir hatten ja nie viel, aber er hat stets den Überblick behalten und so manches Schnäppchen an Land gezogen. Aber in letzter Zeit ist er vom Sparfuchs zum Geizhals mutiert!“ Sie weint. „Am Wochenende war es wieder ganz schlimm: Wir haben eine tolle Stadtführung gemacht und ich wollte danach gerne noch in einem Café etwas trinken. Rolf meinte dann, dass das doch völlig überteuert sei. Wir sollten lieber im Supermarkt Anrührkaffee kaufen. Dann könnten wir in der Pension für einen Bruchteil des Geldes so viel Kaffee trinken, wie wir wollen. Es war nicht mit ihm zu reden …“

Grundsätzlich gilt, dass alles übertrieben werden kann – und somit auch jeder gute Wert zu einem Unwert werden kann.

Meine Bekannte musste miterleben, wie aus einem tollen Wert (Sparsamkeit) ein „Unwert“ wurde (Geiz). Geiz ist nichts anderes als ins Extrem getriebene Sparsamkeit. Man sucht nicht mehr nach der besten Option, sondern unterbindet jede Form von als unnötig empfundenem Luxus. Grundsätzlich gilt, dass alles übertrieben werden kann – und somit auch jeder gute Wert zu einem Unwert werden kann: Gründlichkeit wird zur Kleinlichkeit, Toleranz zur Gleichgültigkeit, Flexibilität zu Chaos etc. Ins Extrem getriebene Werte sind nicht mehr hilfreich, sondern werden oftmals zu einer Herausforderung im Miteinander.

 

Das Problem ist: Wer in Extremen lebt, hört auch in Extremen. Würde man Rolf also sagen, er solle sich doch auch mal etwas gönnen, würde er meinen, er soll verschwenderisch leben. Was für ihn keine Option ist. Was also tun?

 

1. Lassen Sie die Person wissen, dass Sie den guten Wert hinter dem aktuell gelebten Unwert sehen und schätzen: Sparsamkeit.

 

2. Geben Sie Rückmeldung zu Ihrem Empfinden, dass dieser Wert zu intensiv ausgelebt wird: Aus Sparsamkeit wurde Geiz.

 

3. Lassen Sie die Person wissen, welche Veränderung Sie sich wünschen: Sich bei aller Sparsamkeit auch mal etwas gönnen.

 

4. Erklären Sie, was das konkret für Sie bedeutet und was nicht: Es sich auch mal gutgehen lassen, über das Allernötigste hinaus, ohne jedoch verschwenderisch zu sein.

 

 

Die gute Seite neu hervorlocken

Gerade Punkt 4 ist wichtig. Erinnern Sie sich: Wer in Extremen lebt, denkt oft auch in Extremen. Zu wissen, dass es nicht um eine Veränderung hin zum selbsterklärten Feindbild geht (Verschwendung), kann helfen, dass das Gegenüber nicht gleich innerlich zumacht: „Ich möchte nicht, dass wir unser Erspartes unbedacht zum Fenster rauswerfen. Ich möchte mir aber auch mal ohne schlechtes Gewissen etwas gönnen.“

 

So wird klar: Es geht nicht darum, aus einem Geizhals einen Verschwender zu machen, sondern den Sparfuchs wieder hervorzulocken, den man schätzt. Da der Geizhals oft gar nicht wahrnimmt, dass er sich verändert hat, braucht er einen Impuls von außen, in welche Richtung die Veränderung gehen soll: hin zum Sparfuchs, der einen Cafébesuch in vollen Zügen genießen kann!

 

 

Nicole Sturm

ist Theologin und Heilpraktikerin für Psychotherapie. Als psychotherapeutischer Coach begleitet sie Menschen in Veränderungsprozessen – und das nicht nur in ihrer Praxis in Norddeutschland, sondern auch ortunabhängig durch Online-Coachings.

 

Mehr über Nicole Sturm und ihre Angebote erfahren Sie hier: www.vorwärtsleben.de