Wenn uns ein Verlust ereilt, dann trauern wir. Die plötzlichen Einschränkungen und Verluste, die wir ausgelöst durch das Corona-Virus erleben, sind ein Stück Abschied-Nehmen von der Welt, wie wir sie bisher kannten.

 

Auf einmal kann ich nach Feierabend oder am Sonntag nicht mehr in mein Lieblingscafé gehen. Und Menschen, denen ich gern nahe bin, darf ich nicht mehr sehen oder nur noch mit großem Abstand. Ich kann meine Patenkinder oder auch andere Menschen nicht mehr umarmen.

 

Freunde von mir mussten ihre Hochzeit auf die Videokonferenz-App „Zoom“ verlegen, andere den 80. Geburtstag – so hatten sie sich die große Feier nicht vorgestellt! Und dann gibt es noch die Menschen, die man aus Sicherheitsgründen allein sterben lassen und beerdigen muss.

 

Andere vermissen es, zur Arbeit zu fahren und Kollegen zu treffen. Die nächsten haben – entweder zeitweise oder womöglich sogar für immer – ihre Existenzgrundlage verloren. Und wieder andere sind erkrankt oder kennen Menschen, die krank oder womöglich sogar gestorben sind.

 

 

Phasen des Trauerns

All das ist zu betrauern.  Wer um einen Menschen oder um eingeschränktes Leben trauert, durchläuft – oft auch mehrmals hintereinander – verschiedene Phasen. Die Sterbeforscherin Elisabeth Kübler-Ross hat sie wie folgt definiert:

 

Phase 1: Leugnen – die aktive Verweigerung. Das war in der ersten Corona-Phase stark in den Medien zu hören: „Ist das nicht alles übertrieben?“, „Spinnen die Politiker?“ „Ist das nicht einfach nur ne Grippe? Menschen sterben doch immer!“ usw. Einige Menschen stecken immer noch in der Leugnungsphase. Sie denken, man könnte doch einfach wieder zum normalen Leben zurückkehren.

 

Phase 2: Zorn – die aggressive Verweigerung. Das habe ich auch gespürt: „Muss das alles so streng sein? Warum bestraft die Polizei Leute, die auf einer Wiese sitzen, weil das nicht als Sport gilt?“ Wenn ich so etwas höre, spüre ich Ärger und kann mich richtig aufregen. Schutzmaßnahmen, ja. Aber bitte nicht übertreiben!

Krisen sind an sich nicht gut – doch viele gute Dinge wurden in Krisen geboren.

Phase 3: Verhandeln – die partielle Verweigerung. Man sieht ein, dass man gegen die Situation als Ganzes nichts machen kann, aber kämpft innerlich weiter gegen einzelne Aspekte an. Bei mir klingt das so: „Hier in Berlin haben schon so viele Menschen Covid-19 überstanden. Warum muss man die weiter einsperren? Könnte man nicht nur die Risikogruppen besser schützen? Muss man alles dicht machen? Kann man die Läden nicht montags für die öffnen, die im Januar und Februar geboren sind und dienstags …“

 

Phase 4: Depression – die depressive Annahme. Man sieht ein, dass man nichts machen kann und spürt die Trauer und den Schmerz. Ich spürte das stark, als ich realisierte, welche wirtschaftlichen Verluste mir die Krise bereits gebracht hatte. Eine Weile später kam eine weitere Phase der Trauer über die sozialen Verluste, die Menschen, die ich nicht sehen kann. Zoom und virtuelle Umarmungs-Smileys können für mich echte Begegnung nicht ersetzen.

 

Phase 5: Akzeptanz – die verklärte Annahme. Verklärt heißt in dem Fall nicht, dass man sich in eine spirituelle „Das Universum wird schon wissen, wofür es gut ist“-Haltung zurückzieht, sondern in der Lage ist, bewusst „Ja“ zu den Einschränkungen und Möglichkeiten zu sagen, die die Krise bietet, zu sagen.

 

 

Schub nach vorn

Ich erlebe aber auch, dass meine Kreativität neu erwacht und ich nach Möglichkeiten suche, wie ich anderen Menschen dienen und auch selbst wieder auf andere Weise Geld verdienen kann. Krisen sind an sich nicht gut – doch viele gute Dinge wurden in Krisen geboren.

 

Die Phasen durchläuft man nicht nur einmal, sondern häufig mehrfach – immer wieder auch durch immer neue Nachrichten ausgelöst. Ich habe ein ganzes Wochenende intensiv getrauert, jetzt rollt die Traurigkeit immer wieder mal in Wellen über mich hinweg, besonders wenn ich Menschen vermisse. Und auch der Zorn poppt immer mal wieder hoch und zeigt mir, wie viel Energie in mir steckt, Umstände nicht hinzunehmen.

 

Ich versuche, den Nachrichtenkonsum und damit auch den Zorn in Grenzen zu halten, weil zwei Minuten intensiv gespürter Zorn das Immunsystem für acht Stunden schwächt – und genau das braucht gerade niemand. Doch ein zunehmender Teil meiner Emotionen ist von Akzeptanz geprägt und der Neugier und Entdeckerfreude: Was kann ich jetzt aus der Situation machen?

 

 

Meine Tipps für dich:

 

→ Spüre, in welcher Phase der Trauer du dich gerade primär befindest: Willst du das alles nicht wahr haben? Spürst du Zorn oder Depression? Oder hast du mit dem, was jetzt ist, Frieden geschlossen?

 

→ Spüre, wo andere stehen: Vermutlich stehen die Menschen in deinem Umfeld an einer anderen Stelle als du. Das ist okay. Überlege, wie du ihrer Leugnung, ihrem Zorn, ihrer Trauer oder auch ihrer Akzeptanz begegnen willst.

 

Kerstin Hack

ist Verlegerin, Speakerin und Coach. Sie lebt und arbeitet in Berlin auf einem ehemaligen DDR-Marineschiff, das sie gemeinsam mit Freunden zu einem Haus- und Seminarboot umgebaut hat. 

 

www.kerstin-hack.de

 

www.down-to-earth.de

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