Wenn es um das Thema „Erschöpfung“ geht, ist es sehr hilfreich, wenn man Ratsuchenden Tipps für ein systematisches Vorgehen an die Hand geben kann. Gleichzeitig sollte es aber auch möglich sein, individuelle Bedürfnisse und Situationen zu berücksichtigen. Das Konzept, das ich daraus für meine Praxis für Burnout-Prävention entwickelt habe, gliedert sich in vier Bereiche: „Meine Person“, „Meine Belastungen“, „Meine Ressourcen“ und „Meine Erholungskompetenz“. Jeder Bereich lässt sich auf ganz individuelle Art betrachten und an die jeweiligen individuellen Bedürfnisse anpassen. In dieser Folge dreht sich alles um den vierten Aspekt, frei nach dem Motto: „Einmal aufladen, bitte!“

 

 

Über Erholung lässt es sich – ähnlich wie beim Thema „Ressourcen“ – etwas leichter plaudern, zumindest bis zu einem gewissen Grad. Erholung wird oft gleichgesetzt mit Nichtstun. Das kann es sein, ist es aber eben nicht nur. Manche Menschen vertragen Nichtstun nicht so leicht wie andere, was oft spezielle Ursachen hat, die hier zu erläutern den Rahmen sprengen würde. Aber in solchen Fällen gehe ich besonders behutsam vor.

 

Bei allen Menschen ähnlich sind jedoch die Startschwierigkeiten, wenn es darum geht, Erholung in den Alltag zu integrieren. Es beginnt mit der Einsicht, wie notwendig diese ist. Hier hilft in der Regel der Vergleich mit einem Handy-Akku: Auf die Frage: „Wann hältst du es für notwendig, dein Handy zu laden?“, reagieren die meisten mit der spontanen Antwort: „Na, bevor es ganz leer ist!“

 

Laden, bevor das Leben abstürzt

Bei unserem „Lieblingsgerät“ sind uns viele Zusammenhänge selbstverständlich – auch, dass man nicht so lange wartet, bis es mitten in einer Anwendung abstürzt. Warum? Weil das ärgerlich ist! Und unnötig Zeit kostet.

Was lädt nachhaltig unsere Batterien wieder auf? Was regeneriert unser „System“ in der Tiefe?

Ich habe einmal gegoogelt, wie viele Tipps es rund um das Thema „Handy ganz runterfahren“ gibt – es ist unglaublich! Ich möchte sehr gerne bei meinem Gerät solche negativen Auswirkungen vermeiden, und beachte also lieber diese Ratschläge. Genau darum geht es auch, wenn ich versuche die Notwendigkeit von Erholungsstrategien zu vermitteln. Nachdem jedoch die Einsicht, sich regelmäßig Erholung zu gönnen, gewonnen ist, muss sich natürlich eine gute Strategie anschließen. Und eine solche ist recht einfach zu erklären, denn sie besteht aus zwei Teilstrategien, die jeder versteht:

 

1. Kurzfristige Aktionen für die akute Situation und

2. Langfristige Aktionen für das dauerhafte Wohlbefinden sowie den Erhalt der vollen Leistungsfähigkeit.

 

Die in der Teilstrategie 1 verfügbaren Aktionen, die sich für die akute Stress-Situation empfehlen und eher kurzfristig unterstützen, zielen darauf ab, uns während des Arbeitstages in einer moderaten „Betriebstemperatur“ zu halten.

 

Das Heißlaufen unterbrechen

Vielleicht kennen Sie das auch: Man arbeitet zunächst ganz ruhig vor sich hin und erledigt einen Punkt nach dem anderen, bemerkt dann, wie die Zeit dabei vergeht, arbeitet ein wenig schneller – wird dabei aber auch nervöser. Und so schaukelt es sich ganz schnell hoch, bis man im Kopf so überhitzt ist, dass man keine gute Arbeit mehr leisten kann! Oder: Man hat einen Konflikt oder ein nerviges Problem und kommt einfach nicht wieder runter. Man steigert sich hinein und wird immer ineffizienter, was dann wiederum nervt und Stress auslöst!

 

Hier braucht es eine Strategie, unserem Gehirn klar zu machen, dass es mit einem Gang langsamer und entspannter viel schneller und besser ans Ziel kommt. Diese Möglichkeiten gibt es, und man kann sie oft sogar ganz unauffällig und leise einsetzen. Die Fäuste zu ballen, dabei tief in den Bauch hinein atmen (das gibt dem Gehirn das Signal: „Alles ist gut!“), kurz innehalten, die Fäuste langsam wieder öffnen und dabei ausatmen, ist nur eine Möglichkeit. Das Heißlaufen wird unterbrochen, das Gefühl der Selbststeuerung stellt sich wieder ein. Und durch die Verminderung der Stresshormone fällt dann auch das lösungsorientierte Denken wieder leichter, man kommt aus der Sackgasse heraus. Eine zusätzliche Idee: Sprechen Sie während des Innehaltens ein kurzes Ein-Wort-Gebet : „Danke“ oder „Bitte“ oder „Hilfe“ – gerade so, wie es aus Ihrem Herzen kommt!

 

Nachhaltig regenerieren

Welche Möglichkeiten enthält nun die Teilstrategie 2 – sprich: Wie können wir unsere Batterien nachhaltig wieder aufladen? Was regeneriert unseren Körper, unser „System“, in der Tiefe? Die meisten meiner Klienten wünschen sich hier eine Antwort nach dem Schema „Erstens – zweitens – drittens“. Doch so einfach ist es nicht. Vielleicht auch deshalb, weil es zunächst so einfach klingt, aber dann doch schwierig umzusetzen ist.

Wenn wir wieder aus der Vogelperspektive heraus beobachten können, was wir machen und wie wir es machen, dann haben wir schon viel erreicht!

Wie zu Beginn schon erwähnt, fällt es manchen Menschen grundsätzlich sehr schwer, zur Ruhe zu kommen. Sie benötigen andere Lösungsansätze als diejenigen, die eigentlich genau wissen, was sie brauchen, dazu aber einen genauen Plan und verbindliche Termine setzen müssen. Allgemein aber braucht Erholung folgende Zutaten:

 

Freude erleben. Lachen. Schlafen. Nichts-Tun-Müssen-Momente erleben.

Reize reduzieren. Dafür sorgen, dass sich Muskeln im Köper entspannen können, den Körper durch Bewegung bzw. Sport wieder spüren lernen.

Genießermomente entwickeln, bei denen Glückshormone in Umlauf gebracht werden.

 

Wenn wir wieder soweit sind, dass wir aus der Vogelperspektive heraus beobachten können, was wir machen und wie wir es machen, dann haben wir schon viel erreicht!

 

Wir alle haben unseren individuellen Zugang zur Regeneration und vielleicht auch individuelle Orte, an denen wir besonders gut aufladen. Für mich waren es schon immer die Berge, die mir geholfen haben, in anstrengenden Zeiten meinen Akku wieder zu laden. Hier erlebe ich Glücksmomente, hier atme ich frei durch, hier kann ich mich bewegen und gleichzeitig zur Ruhe kommen. Jeder hat so seine Orte, wo es ihm besonders leicht fällt – und genau die müssen wir aufsuchen. Wenn Sie es nicht auf Anhieb wissen: Probieren Sie es aus! Suchen Sie unterschiedliche Orte auf und erleben Sie, wo es am besten gelingt! Und als Christin bin ich darüber hinaus unendlich dankbar, dass ich von Gott die Freiheit bekommen habe, alle sieben Tage eine Pause zu machen: Sonntag. Ruhe. Aufatmen. In Gottes Frieden – sein Shalom – eintauchen!

 

Erholung – eine lebenslange Übung

Auf den Punkt gebracht, lässt sich das Ganze folgendermaßen zusammenfassen:

1. Erkennen Sie an, dass auch Sie Ihre Batterie regelmäßig laden müssen.

2. Lernen Sie Techniken, um sich kurzfristig während des Tages in Balance zu halten.

3. Vereinbaren Sie mit sich eine klare Strategie, wie Sie langfristig Erholung einplanen und integrieren können.

4. Probieren Sie unterschiedliche Dinge aus.

5. Feiern Sie es, wenn es Ihnen gelungen ist – und ermutigen Sie sich selbst, falls es einmal danebenging.

Auch für mich persönlich ist all das – immer noch und immer wieder –  ein Übungsfeld: den Tag über in Balance bleiben, kleine Pausen einplanen, einmal auf dem Balkon stehen und tief durchatmen. Mich ausreichend mit Getränken zu versorgen, gesund und bewusst zu essen. Regelmäßig für Bewegung zu sorgen und liebe Kontakte zu pflegen. Kurzum: gute Selbstfürsorge zu betreiben. Dazu kommt: Nach stressigen Zeiten eine kleine Auszeit einzustreuen, für Inspiration zu sorgen und Glücksmomente zu planen. Stolz kann ich sagen: Ich schaffe es immer besser! Und voller Demut: Mein Lernprozess ist noch lange nicht am Ende.

Karin Maurer

ist Verhaltenswissenschaftlerin, systemische Beraterin und Burnout-Coach. Ihre Seminare bietet sie on- und offline an oder lädt zu einer Auszeit in die Schweiz ein. 

 

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