„Meine Schwester kann offenbar alles – und das macht mich oft richtig neidisch! Wenn ihr einmal etwas weniger gut gelingt, freue ich mich regelrecht. Eigentlich will ich das nicht und als Christin weiß ich natürlich, dass Neid kein Gefühl ist, dem ich Raum geben sollte. Wie also kann ich damit besser umgehen?“
Es ist herausfordernd, wenn wir bei unseren Mitmenschen erleben, dass ihnen Dinge anscheinend leicht von der Hand gehen oder sie etwas besitzen, was wir selbst gern unser Eigen nennen würden. Solche Situationen können uns wütend machen oder uns das Gefühl vermitteln minderwertig zu sein.
Dabei können wir auf ganz unterschiedliche Dinge neidisch sein: auf Besitz, auf Erfolge, aber auch auf Aussehen, Gesundheit oder die Freundschaften unserer Mitmenschen. In welcher Weise wir dabei neidisch reagieren, hängt von unseren Werten ab. Vielleicht macht uns das neue Auto der Freundin nicht neidisch, aber ihre sozialen Kontakte schon, denn genau das ist es, wonach wir uns sehnen.
Neid ist ein Thema, über das wir nicht gerne sprechen. Dabei scheint es etwas zu sein, dass die Menschheit schon lange begleitet. Schauen wir zum Beispiel in die Bibel, dann fällt uns auf, wie häufig wir dort auf neidische Menschen stoßen: Bei Kain und Abel führte der Neid zum Brudermord (siehe 1. Mose 4) und Josef wurde von seinen neidischen Brüdern in die Sklaverei verkauft (siehe 1. Mose 37). Diese Liste könnten wir noch lange fortsetzen. Sie alle waren Menschen wie wir, die damit leben mussten, dass andere etwas besaßen, das sie selbst gerne gehabt hätten, und die mit dieser Situation mehr schlecht als recht umgegangen sind.
Wie können wir mit Neid umgehen?
Neid ist kein Gefühl, das wir einfach abschalten können, indem wir sagen: „Ab heute bin ich nicht mehr neidisch!“ Stattdessen dürfen wir Neid als ein Symptom verstehen, dem ein Mangel in uns zugrunde liegt. Kain war neidisch auf seinen Bruder, weil dieser anscheinend Gottes Gunst besaß – etwas, nach dem auch er sich sehnte. Doch anstatt mit diesem Bedürfnis zu Gott zu gehen, blieb Kain damit allein und wurde zum Mörder. Es schien für ihn die einzig mögliche Lösung zu sein: Der Beneidete muss weg!
Wir werden vielleicht nicht gleich zum Mörder, aber wir beginnen beneidete Menschen zu meiden, freuen uns an ihrem Misserfolg oder kaufen uns einfach das begehrte Gut, das der andere besitzt. Doch auch unsere Lösungen sind oft nur Scheinlösungen, die manches neue Leid mit sich bringen können. Sie geben uns vielleicht kurzzeitig ein besseres Gefühl – was aber hilft uns bei Neid langfristig?
Welcher Mangel wird bei uns angestoßen, wenn wir neidisch auf unsere Mitmenschen sind? Wonach sehnen wir uns?
1. Wir nehmen unseren Mangel wahr
Kain war damit konfrontiert, dass er glaubte, sein Bruder würde von Gott mehr geliebt als er. Doch statt diesen gefühlten Mangel wahrzunehmen, richtete er seinen Hass auf Abel. Doch nicht Abel war das Problem, sondern sein eigenes Empfinden.
Welcher Mangel wird in uns unangenehm berührt, wenn wir neidisch auf unsere Mitmenschen sind? Nach was genau sehnen wir uns? Ist es wirklich das bessere Aussehen und der berufliche Erfolg – oder steckt dahinter die tiefe Angst, weniger zu haben als andere? Weniger Ansehen? Weniger Wert? In dem Maß, in dem wir unseren Mangel ehrlich benennen können, können wir dem Neid den Nährboden nehmen.
2. Wir gehen zu dem, der uns sagt: „Dir wird nichts mangeln“
In Psalm 23 heißt es: „Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln.“ Gott selbst stellt sich uns als unseren guten Hirten vor, der für uns sorgen wird. Damit ist nicht gemeint, dass er uns ständig alle Wünsche erfüllen würde. Es ist viel mehr die Einladung, dass wir zu ihm kommen dürfen und ihn an unserem Mangel teilhaben lassen, indem wir ihn vor ihm ausbreiten.
Wie wäre es, wenn wir das nächste Mal, wenn wir zum Beispiel neidisch auf die Figur einer Freundin sind, mit unserem himmlischen Vater ins Gespräch kommen und ihm davon berichten, was dieses Neidgefühl mit uns macht? Vielleicht klingt das dann so: „Herr, mich macht die Figur meiner Freundin so neidisch! Ich wäre auch gerne so schlank und ich bin traurig, dass ich das nicht bin. Ich glaube sogar, dass ich aus diesem Grund niemals glücklich sein kann. Ich habe auch Angst, deshalb nicht so wertgeachtet zu sein, wie ich es bräuchte. Ich gebe dir nun diesen Mangel, denn du hast mir versprochen, dass mir nichts mangeln wird. Zeige mir, wie du das Loch in mir füllst. Hilf mir, damit umzugehen. Ich entscheide mich, dir darin zu vertrauen!“
Der Gott, der sich uns in der Bibel vorstellt, ist ein treuer Gott. Er hält seine Zusagen. Vielleicht begegnet er uns anders, als wir uns vorstellen. Aber weil er uns so gut kennt, wird er uns auf die Weise begegnen, die uns in der Tiefe stärkt. Und vielleicht müssen wir dieses Gebet auch häufiger beten, bis wir selber daran glauben und es nicht bloß Worte sind. In diesem Moment passiert noch etwas: Wir bleiben mit unserer inneren Not nicht allein, sondern teilen sie. Und das bewahrt uns davor, dass sich diese negativen Gedanken in uns breitmachen können. Vielleicht hätte es Kain vor seiner mörderischen Tat bewahrt?
3. Wir nehmen in Dankbarkeit an, was wir haben
„Auf der anderen Seite ist das Gras immer grüner“, heißt es. Doch dort, wo wir uns ständig mit anderen vergleichen, werden wir unglücklich, weil wir unseren Blick nur auf das lenken, was wir nicht haben.
Wie wäre es darum, wenn wir einen Blickwechsel vornehmen: Wofür sind wir in unserem Leben dankbar? Was läuft bei uns gut? Nicht umsonst heißt es: „Danken schützt vor Wanken.“ Dankbarkeit als neue Lebenshaltung dürfen wir immer neu einüben. Und vielleicht kann uns auf diese Weise unser Neid zurück in Gottes Arme führen und uns Vertrauen in den schenken, der uns zusagt: „Ich bin der gute Hirte, dir wird nichts mangeln!“
Die Fragen in unserer Rubrik „Lebensfragen“ sind aus dem Erfahrungshintergrund der Beraterinnen und Berater exemplarisch formuliert worden, sodass jederzeit strenge Vertraulichkeit gewährleistet bleibt. Wir veröffentlichen keine seelsorgerlichen Anfragen an die Redaktion ohne vorherige ausdrückliche Genehmigung der Ratsuchenden.