„Psychotherapie“ – was genau ist das eigentlich, wer braucht sie und wer darf sie anbieten? Welche Therapieverfahren haben sich bewährt und was übernehmen die Krankenkassen? Ein einführender Überblick von Hans-Arved Willberg.
Was bedeutet das Wort „Psychotherapie“?
Das Wort „Psychotherapie“ kommt, wie so viele Fremdwörter, aus der Medizin und heißt wörtlich: Seelenheilung (vom Altgriechischen „psyche“ = Seele und „therapeuein“ = heilen, dienen). So gesehen hat es „Psychotherapeuten“ schon immer und in allen Kulturen gegeben, und auch die religiöse Seelsorge wäre demnach eigentlich, sofern die Seele dadurch Heilung erfährt, eine Form der Psychotherapie. Genauso könnte man aber die Psychotherapie umgekehrt auch als heilende Seelsorge bezeichnen, wenn man das Wort „Seelsorge“ einfach nur als „Sorge für die Seele“ versteht. Rechtlich gesehen ist „Psychotherapie“ jedoch ein medizinischer Fachbegriff.
Wer darf Psychotherapie ausüben?
Die moderne Psychotherapie ist aus der Medizin hervorgegangen. Sehr lang galt sie als reiner Teilbereich der Psychiatrie und ihre Ausübung war Ärzten vorbehalten. Das entsprach aber zunehmend nicht der Realität, weil es viele psychotherapeutisch qualifizierte Personen aus anderen Berufshintergründen gab. Darum räumte man wenigstens Diplompsychologen mit entsprechenden Zusatzqualifikationen ein, im ärztlichen Auftrag psychotherapeutisch tätig zu werden. Erst vor 20 Jahren wurden für Deutschland mit dem Berufsbild „Psychologischer Psychotherapeut“ durch das „Psychotherapeutengesetz“ neue Verhältnisse geschaffen. Seither können dazu ausgebildete Psychologinnen und Psychologen gleichberechtigt Psychotherapie durchführen und werden auch von den gesetzlichen Krankenkassen wie Mediziner dafür bezahlt.
Psychotherapeutische Fachpersonen sind keine Magier. Psychotherapie ist Hilfe zur Selbsthilfe – und Selbsthilfe ist eine Form von Arbeit.
Nun gibt es aber darüber hinaus auch viele gut qualifizierte Personen aus anderen Berufen, die in einem Psychotherapieverfahren ausgebildet sind. Sie haben die Möglichkeit, die staatliche Zulassung zur Ausübung der Psychotherapie nach dem Heilpraktikergesetz zu erhalten. Dann dürfen auch sie psychotherapeutisch tätig werden, aber der Titel „Psychotherapeut“ ist jenen anderen vorbehalten. Die „Heilpraktiker für Psychotherapie“ erhalten auch keine Vergütung durch die gesetzlichen Krankenkassen. Manche Privatkassen übernehmen allerdings einen Teil der Kosten.
Augenblicklich findet wieder eine Reform statt. An Universitäten sollen neue Masterstudiengänge für Psychotherapie eingerichtet werden. Das ist dann ein neues Berufsbild neben den Medizinern und Psychologen.
Wer braucht Psychotherapie?
Psychotherapie geschieht, auch wenn sie von psychologischen Fachpersonen vorgenommen wird, grundsätzlich im Rahmen der Heilkunde. Die Möglichkeit oder Dringlichkeit einer psychotherapeutischen Behandlung hängt davon ab, ob es eine Diagnose dafür gibt. Maßstab dafür ist das „ICD“, die „Internationale Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme“ der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Normalerweise stellen Ärztinnen und Ärzte fest, ob eine behandlungsbedürftige Störung oder Erkrankung vorliegt. Aber so wie es die freie Arztwahl gibt, kann auch jede Person, die bei sich eine seelische Störung vermutet, direkt einen Termin in einer Praxis für Psychotherapie vereinbaren.
Welche Psychotherapieverfahren gibt es?
Ursprünglich hatten die tiefenpsychologischen Verfahren das Monopol, allem voran Sigmund Freuds Psychoanalyse. Grund dafür war die psychiatrische Anschauung, die meisten seelischen Störungen und Erkrankungen kämen aus dem Unterbewussten. Aber im Lauf der Zeit hat sich der psychiatrische Wissensstand sehr verändert. Heute ist klar, dass es verschiedene Ursachen wie auch verschiedene Zugänge der Heilung bei psychischen Problemen gibt. Das spiegelt sich auch darin, dass viele unterschiedliche Psychotherapieverfahren entstanden sind. Drei davon gelten als besonders bewährt und haben darum die Anerkennung der gesetzlichen Krankenkassen erhalten: Die ursprünglichen, aber natürlich auch weiter entwickelten tiefenpsychologischen Verfahren, die Kognitive Verhaltenstherapie und Systemische Therapien.
Was muss man beachten, wenn man Psychotherapie in Anspruch nehmen will?
Jede Person, die sich psychotherapeutisch helfen lassen will, hat Anspruch auf ein paar Probiertermine bei ärztlichen und psychologischen Psychotherapeuten. Weil der Bedarf nach Psychotherapie aber sehr groß ist, folgt dann in aller Regel eine Wartezeit von mehreren Monaten, bis die eigentliche Psychotherapie beginnen kann. Es kann sinnvoll sein, stattdessen einen gut qualifizierten Heilpraktiker für Psychotherapie aufzusuchen, der möglichst auch eines der anerkannten Psychotherapieverfahren anwendet. Das muss man zwar selbst finanzieren, was aber auch eine Motivationshilfe sein kann. Vor allem darf man jedoch auch damit rechnen, sehr bald mit der Therapie beginnen zu können.
Wer auf einen Therapieplatz wartet, sollte nicht allein bleiben. Bei stärker belastenden Problemen ist vor allem eine regelmäßige ärztliche Begleitung ratsam. Oft kann, besonders bei akuten Stressproblemen, der ambulanten Psychotherapie auch ein Kuraufenthalt vorgeschaltet werden.
In den vergangenen Jahrzehnten hat sich je länger je mehr die Kognitive Verhaltenstherapie an die Spitze der Psychotherapieentwicklung gesetzt und dabei auch viel von den Einsichten und Methoden anderer Psychotherapieschulen integriert. Wer unentschlossen ist, welches Psychotherapieverfahren er wählen soll, wird darum kaum etwas falsch machen, wenn er eine Praxis für Kognitive Verhaltenstherapie aufsucht.
Bei sehr ernsten psychischen Problemen wie hochgradigem Kontrollverlust oder akuter Selbst- und Fremdgefährdung ist Psychotherapie immer erst ein zweiter Schritt nach einer sehr zeitnahen ärztlichen Behandlung. Genau wie bei anderen Gesundheitsproblemen darf man hierfür auch den Notdienst in Anspruch nehmen oder sich direkt zur Notaufnahme einer Psychiatrischen Klinik begeben.
Zuletzt: Psychotherapeutische Fachpersonen sind keine Magier. Psychotherapie ist Hilfe zur Selbsthilfe – und Selbsthilfe bei der Bewältigung größerer Probleme ist eine Form von Arbeit. Die Psychotherapie hat hierfür wunderbare Methoden entwickelt, aber sie wirken nur, wenn man sie konsequent anwendet.
2 Kommentare
Zunächst einmal Danke für die umfangreiche und gut recherchierte Darstellung. In der Tat sind psychologische Psychotherapeuten sehr gut ausgebildete Fachkräfte. Denn sie haben nach einem absolvierten Psychologiestudium (Dipl.-Psych. oder Master scs.) mit Schwerpunkt klinische Psychologie noch eine mehrjährige Zusatzausbildung hinter sich. Am Ende steht hier ein Approbation ähnlich wie bei den Ärzten. Diese ist zugleich die Zulassung, um in einer eignen Praxis die Leistungen direkt mit der Krankenkasse abzurechnen. Um es deutlich zu machen: Heilpraktiker haben i.d.R. diese qualifizierte Ausbildung nicht. "Das Berufsbild des Heilpraktikers umfasst die allgemeine Heilkundeausübung und wird durch die Berufsbezeichnung „Heilpraktiker“ ausgedrückt. Vom Arzt oder Psychotherapeuten unterscheidet ihn, dass für ihn keine Ausbildung vorgeschrieben ist und er die Heilkunde ohne Approbation („ohne Bestallung“) ausübt." https://de.wikipedia.org/wiki/Heilpraktiker Das impliziert nicht, dass es unter den als Heilpraktiker psychotherapeutisch Arbeitenden nicht auch sehr gute Praktiker gibt. Aber, so sieht es ja auch der Gesetzgeber, es gibt sehr wohl einen Unterschied zwischen einem zugelassenen psychologischen Psychotherapeuten und einem Heilpraktiker. Leider kommt mir diese notwendige Differenzierung in dem Artikel etwas zu kurz.
Auf diesen Kommentar antwortenSehr gut erklärt, wer oder was hinter dem Heilpraktiker steckt: https://krautreporter.de/2802-der-sinn-und-unsinn-von-heilpraktikern-verstandlich-erklart
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