Als junger Pastor in einer ländlichen Gegend, war ich für mehrere Gemeinden zuständig, von denen zwei gleichzeitig einen starken Wachstumsschub erlebten. Eine der drei Gemeinden hatte sich gerade neu gegründet. Nach innen machten viele Mitglieder starke Erfahrungen mit dem Heiligen Geist und nach außen, in Bezug auf das Gemeindewachstum, gab es eine steile Wachstumskurve. Wenn es aber zu Schwierigkeiten im Gemeindeleben kam, reagierte ein Teil der Gemeindeleitung emotional unreif und übergriffig. Schuld an fast allen Schwierigkeiten war ihrer Meinung nach der „glaubensschwache Baptismus“, dessen offizieller Vertreter ich war.

 

Nach einem halben Jahr reagierte ich psychosomatisch mit Herzrasen, wenn ich an den bevorstehenden abendlichen Leitungskreis dachte. Irgendwann hatte meine Frau die Nase voll und fragte den verzagten Pastor, also mich: „Wer hat dich berufen? Diese unreife Bande – oder der Herr der Heerscharen?“

 

 

Berufen – von wem?

 

In diesem Moment wusste ich wieder, wer mich berufen hatte. „Ja, ich sage es noch einmal: Sei mutig und entschlossen! Lass dich nicht einschüchtern und hab keine Angst! Denn ich, der Herr, dein Gott, stehe dir bei, wohin du auch gehst“ (Josua 1,9, HFA). Dieses Wort der Ermutigung, diese Zusage der mitgehenden Präsenz Gottes, wurde einst Josua, dem Nachfolger von Mose, zugesprochen. Und von da an – von den alttestamentlichen Propheten über die neutestamentlichen Apostel bis zu uns heute – wurde dieser Vers immer wieder auch in einen persönlichen Kontext gesetzt. Darum wusste ich: Er durfte auch mir gelten – und so war von diesem Tag die Macht der „unreifen Bande“ gebrochen.

 

Mit Fünfzig, nach zwanzig spannenden Jahren als Pastor, in denen ich viele Wunder Gottes, starkes Gemeindewachstum, aber auch Tragödien und menschliches Versagen erlebt hatte, beschloss ich, auszusteigen und nicht weiter als Pastor einer Ortsgemeinde zu arbeiten. Die Kinder waren aus dem Haus, ich hatte mit einem tollen Team vierzehn Jahre lang eine große, innovative Gemeinde aufbauen können. Ich wollte meinen bisherigen Dienst reflektieren, mich theologisch weiterbilden und dann sehen, was kommt.

 

MEHR MUTWORTE

GEORGIA MIX: „Sei getrost und unverzagt!“

 

KRISTIAN FURCH: „Gib mir dein Herz!“

Geistlich hatte ich den Eindruck, dass unsere Zeit in diesem konkreten Dienst zu Ende ging. Das teilte ich den Verantwortlichen mit, die diesen Schritt jedoch eher skeptisch betrachteten. Die Gemeindemitglieder sammelten Unterschriften, um mich zum Bleiben zu bewegen. Einige Leute erklärten mich für verrückt, weil ich eine sichere, gut bezahlte Stelle in einer starken Gemeinde freiwillig aufgeben wollte.

 

Wenn man als Pastor seinen Dienst beenden will, meldet man sich bei den Personalverantwortlichen seines Kirchenverbandes. Diese Begegnungen waren sehr ernüchternd. Die erste offizielle Person, der ich von meinem beabsichtigten Ausstieg erzählte, nickte nur müde und sagte mir, dass ich dann meinen Pastorenausweis abgeben und mein kostenloses Konto bei der Kirchenbank kündigen müsse.

Ich war nicht ausgebrannt, verbittert oder enttäuscht. Ich war jemand, der sich weiterentwickeln wollte und deshalb weitergehen musste.

Dem zweiten Verantwortlichen des Bundes, mit dem ich nach mehreren Monaten einen Termin hatte, erzählte ich von meinem Weg, meinen Stärken und Erfahrungen, und dass ich bereit für neue Abenteuer sei. Dieser antwortete völlig überrascht: „Ich dachte, du wärst – wie so viele andere – ausgebrannt?“ Ich war aber nicht ausgebrannt, verbittert oder enttäuscht. Ich war jemand, der sich weiterentwickeln wollte und deshalb weitergehen musste. Der Personalverantwortliche hatte mir außer einem Schulterzucken kein neues Abenteuer anzubieten.

 

Gott aber hatte mir etwas anzubieten. Doch das Angebot bestand nicht in einer festen Stelle mit guter Bezahlung – es bestand in der Herausforderung, „mutig und entschlossen“ zu sein, und in dem Versprechen, dass sein Beistand dort sein würde, „wohin ich auch gehen“ würde.

 

 

Auf ins nächste Abenteuer!

So zogen wir, auch um Miete zu sparen, von der Stadt aufs Land, und renovierten das schöne Fachwerkhaus der Eltern meiner Frau, während wir beide uns eine neue Existenz aufbauten. Meine Frau begann als Aushilfslehrkraft, bis sie nach mehreren Jahren eine ganze Stelle als Lehrerin an einer Sonderschule bekam. Ich selbst machte mich als Gemeindeberater selbstständig, unterrichtete als Gastlehrer an einer Bibelschule, absolvierte parallel dazu ein Masterstudium in Theologie, bis ich als Referent für Gemeindegründung im „Bund Evangelisch-Freikirchlichen Gemeinden“ anfing. In all der Zeit sind wir finanziell gut zurechtgekommen, konnten ein Haus renovieren und neu beruflich starten.

 

Während ich früher Pastor einer Gemeinde war, bin ich heute für rund fünfundzwanzig Gründungsprojekte zuständig. Mein Dienst hat sich vervielfältigt. Eine der Botschaften, die ich heute Gemeindegründern mitgebe, lautet darum: „Ja, ich sage es noch einmal: Sei mutig und entschlossen! Lass dich nicht einschüchtern und hab keine Angst! Denn ich, der Herr, dein Gott, stehe dir bei, wohin du auch gehst.“

 

 

 

MEHR VON KLAUS SCHÖNBERG

→ Interview: „Gereifter Glaube muss nicht mehr alles verstehen“

 

 

Klaus Schönberg

ist Referent für Gemeindegründung im Bund Evangelisch Freikirchlicher Gemeinden (BEFG). Vor kurzem ist sein neuestes Buch „Basisbuch Gemeindegründung“ (Oncken/blessings4you) erschienen. Er gehört zum Mitdenker-Team von MINDO.