MINDO: Kris, ein heilsamer Glaube, ein Glaube also, der wohltuende und heilende Impulse in unser Leben bringt – was gehört dazu?

 

KRIS MADARÁSZ: Ich erlebe meinen Glauben dort als heilsam, wo ich Gott als den Schöpfer, Erlöser, Erhalter und Vollender in den Blick bekomme. Dann muss ich das alles nicht mehr sein. Und ich muss auch nicht von meinen Mitmenschen erwarten, dass sie meine Bedürftigkeit ausfüllen. Ich kann loslassen und von Gott empfangen, was nur er sein und geben kann. Die frohe Botschaft ist für mich, dass wir uns Gottes Annahme, Liebe und seine unbedingte Zuwendung nicht verdienen müssen, sondern dass wir dankbar darauf reagieren und in Beziehung zu ihm leben dürfen.

 

 

Ist der Wunsch, dass Glaube vor allem auch uns Menschen zu Gute kommen muss, dem Zeitgeist geschuldet? Oder ist das biblische Wahrheit?

 

MADARÁSZ: Ich bin überzeugt, dass uns der Glaube – im Sinne einer gesunden Beziehung zu Gott – ultimativ guttut. Das Problem ist nur: Wir wissen doch oft gar nicht, was wohltuend und heilsam für uns ist. Unser Glaube, unsere Beziehung zu Gott, muss durch Reifeprozesse gehen, die sich manchmal alles andere als wohltuend anfühlen, die aber dennoch Ausdruck von Gottes Güte sind. Er meint es auch dann gut mit uns, wenn er uns schmerzhafte Dinge zumutet. Wir brauche beides: Annahme, bedingungslose Liebe, den uns unbedingt zugewandten Gott. Aber das beinhaltet eben auch: Ermahnung, Befreiung von unserer Neigung, uns um uns selbst zu drehen und anderen zerstörerischen Verhaltensmustern. Zur Heilung ist oft eine schmerzhafte Diagnose erforderlich. Das fühlt sich nicht gut an, das will man nicht hören, ist aber unter Umständen lebensrettend.

Zur Heilung ist oft eine schmerzhafte Diagnose erforderlich.

Und dann gibt es noch die Erfahrung von Leid, von Phasen, in denen uns Gott als der Verborgene erscheint, die in diesem Leben Geheimnis bleiben und wo uns nichts übrig bleibt, vertrauensvoll auf sein Versprechen zu bauen, dass er es auch dann gut mit uns meint und alles zu einem guten Ziel führen wird. All das fühlt sich oft nicht gut an, ist aber letztlich gut.

 

 

Welche ungesunden, ja vielleicht sogar krankmachenden Glaubenssätze und Gottesbilder, die Menschen mit sich herumschleppen, sind deiner Beobachtung nach am weitesten verbreitet?

 

MADARÁSZ: Falsche Gottesbilder lassen sich in ihrer extremen Ausprägung vielleicht so einordnen: Da ist auf der einen Seite der „Gott da oben“, der auf mich und die ganze Welt herabschaut, der alles sieht und dem nichts entgeht. Er ist über alles erhaben und urteilt am Ende des Lebens als distanzierter, unbestechlicher Richter, ob es gereicht hat oder nicht. Irgendetwas wird er immer finden und so muss ich immer auf der Hut sein. Im schlimmsten Fall ist er ein cholerischer Diktator oder empathieloser Buchhalter. Einem solchen Gott kann man sich vielleicht unterwerfen. Man kann mit aller Kraft versuchen, seinen strengen Ansprüchen zu genügen, aber lieben wird man einen solchen Gott nicht.

 

Auf der anderen Seite ist da der harmlose, der „liebe Gott“, der in erster Linie dafür zuständig ist, meine Bedürfnisse zu stillen, mich anzufeuern, meine Träume auszuleben. Der findet immer gut, was ich denke und tue. Das ist aber ein schwacher Gott meiner Imagination, der nicht retten kann.

 

Natürlich sind das Extreme und manche Aspekte solcher Vorstellungen können sich vermischen und wir können hin und her pendeln zwischen diesen Zerrbildern von denen wir alle nicht frei sind. Es ist eine lebenslange, bisweilen schmerzhafte Aufgabe sich von solchen negativen Gottesbildern zu trennen.

 

 

Nun werfen manche Kritiker dem christlichen Glauben vor, dass er nicht heilsam sei, sondern im Gegenteil: dass er Menschen unfrei mache und manchmal sogar krank. Was entgegnest du darauf?

 

MADARÁSZ: Wahrscheinlich haben Kritiker des Glaubens genau solche Karikaturen von Gott im Kopf. Ich würde ihnen entgegnen: „Ihr habt Recht! Einem solchen Diktator-Gott oder harmlosen Wunscherfüller-Gott sollte man auch nicht glauben! Das macht in der Tat krank und unfrei. Und ja – Kirche hat sich da immer wieder schuldig gemacht, indem sie manipulativ gehandelt, schräge Gottesbilder gepredigt und so viel Schaden angerichtet hat.“

 

Ich würde mir im ehrlichen Gespräch mit Kritikern des Glaubens wünschen, dass sie sich dennoch auf den Gott einlassen, wie er sich in seinem Wort und unüberbietbar in Jesus Christus offenbart hat. Denn hier ist die heilsame Dimension des Evangeliums, der frohen Botschaft von Gottes unbedingter Liebe zu uns, erfahrbar.

 

 

Wenn nun aber jemand bemerkt, dass sein Glaube ihn in der Tat mehr verletzt, als dass er ihn heil macht – was rätst du diesem Menschen?

 

MADARÁSZ: Ein erster wichtiger Schritt ist gemacht, wenn man das anerkennt und ausspricht: „Mein Glaube hat mich verletzt, ja sogar krank gemacht. Ich bin enttäuscht und wütend!“ Es ist schwer, aber notwendig, sich diesem Schmerz und der Enttäuschung zu stellen und es sich zu erlauben, zu trauern. Man sollte sich die Zeit und den Abstand zugestehen, den es braucht, um wieder zu heilen. In jedem Fall würde ich dazu raten, sich seelsorgerliche und gegebenenfalls therapeutische Hilfe zu suchen, denn oft geht es hier ja um traumatische Erlebnisse und tiefe Wunden, die viel Zeit, fachkundige Behandlung und Begleitung brauchen.

 

Was kann ich selbst dazu tun, dass mein Glaube wahrhaftiger und im wahrsten Sinne des Wortes „Heil bringend“ für mich und andere wird?

 

MADARÁSZ: Ich denke, unser Glaube ist ein Weg, den wir in Gemeinschaft miteinander und mit Gott gehen. Es ist und bleibt ein Suchen, manchmal Irren und Wieder-zurück-Finden, ein Vertrauen darauf, dass Gott treu ist und seine Versprechen halten wird. Wenn wir neugierig, lern- und korrekturfähig bleiben, wenn wir unsere überkommenen Bilder von Gott hinterfragen (lassen) und immer wieder abgleichen mit dem, was Gott über sich selbst sagt und wie er sich in Jesus nahbar gemacht hat – ich glaube, dass dann unser Glaube reifen kann und heilsam für uns selbst und andere wird.

Es erfordert Demut, sich in die Gemeinschaft der Glaubenden einzufügen – und Mut, zu glauben, dass man selbst etwas zu geben hat, was andere brauchen.

Diesen Glaubensweg können und sollen wir nicht alleine gehen, wir brauchen unsere Glaubensgeschwister. Es erfordert Demut, sich in diese Gemeinschaft der Glaubenden einzufügen – und Mut, zu glauben, dass man selbst ein ganz wichtiger Bestandteil für die Gemeinschaft ist und etwas zu geben hat, was andere brauchen. Verletzungen, Enttäuschungen und Zweifel werden auf diesem Weg nicht ausbleiben, aber in der gemeinsamen Nachfolge wird die Gegenwart des Auferstandenen immer wieder geheimnisvoll erlebbar werden!

 

 

Und zuletzt, wenn du uns das verraten magst: In welchem Bereich deines Lebens hat der Glaube dich ganz persönlich heiler gemacht?

 

MADARÁSZ: Ich habe meinen Glauben lange nicht als heilsam erlebt. Ich bin mit der Vorstellung von Gott als einem sehr strengen Richter aufgewachsen, dem ich es nie recht machen kann. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass Gott mich wirklich liebt, so wie ich bin. Der christliche Autor Brennan Manning hat es einmal so gesagt: „Gott liebt dich bedingungslos, wie du bist, und nicht, wie du sein solltest – denn keiner ist je so, wie er sein sollte.“

 

Dass man sich Gottes Liebe nicht erarbeiten braucht, das versuche ich immer noch zu buchstabieren. Das hat auch meine Arbeit als Anbetungsleiter auf den Kopf gestellt. Wir singen uns Gottes Gegenwart und Aufmerksamkeit nicht herbei! Gott braucht unseren Dienst nicht. Er kommt klar. Er hat alles in unendlicher Fülle. Aber er hat die Initiative ergriffen, uns nachzugehen, zu retten und zu seinen Kindern, Erben und Teilhabern an dieser Fülle zu machen. Wir können darauf nur staunend reagieren und anbetend antworten – mit unserem Leben, unserem Dienst und unseren Liedern.

 

Das entlastet mich ungemein, das macht mich froh und ich komme aus dem Staunen nicht mehr heraus, seit ich diesem Geheimnis nachspüre, dass der Schöpfer des Universums tatsächlich Interesse an mir hat, an uns, an dieser Welt hat – so zerrissen auch alles noch sein mag; dass er uns liebt und uns in ewige Gemeinschaft mit ihm einlädt und versprochen hat, dass eines Tages alles gut werden wird – das ist für mich heilsamer Glaube!

 

 

Vielen Dank für diese anregenden Impulse.

 

 

Die Fragen stellte Inge Frantzen.

 

 

 

KRIS MADARÁSZ

ist Musiker, Songwriter und Pastor in der „Frankfurt City Church“, einer jungen Kirche im Herzen von Frankfurt am Main. Neben seiner Gemeindearbeit vermittelt er in Seminaren, Konzerten und Workshops theologische Grundlagen und praktische Hilfe für die Musikarbeit in Gemeinden und schreibt deutschsprachige Anbetungslieder („Ursprung und Ziel“, „Groß ist deine Barmherzigkeit“, „Jesus, Fels der Zeiten“ u. a.), in diesem Jahr ist sein Album „Ganz anders“ erschienen. Mit seiner Frau und zwei Söhnen lebt er in Frankfurt. 

 

www.krismadarasz.com

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