MINDO: Herr Furch, leichter zu leben – danach sehnt sich eigentlich jeder. Warum löst allein der Gedanke an Leichtigkeit eigentlich so ein positives Gefühl in uns aus?

 

KRISTIAN FURCH: Die meisten von uns scheinen das Leben wohl eher als „schwer“ zu empfinden. Einerseits wollen wir das Leben gestalten und formen, andererseits drückt uns offenbar die daraus folgende Verantwortung. Wir erleben also eine Spannung und sehnen uns dann nach Erleichterung.

 

 

Was macht uns heute das Leben denn am ehesten schwer? Die Menschen vergangener Jahrhunderte mussten ganz objektiv betrachtet sicher häufig unter schwierigeren Bedingungen leben als wir. Oder ist das ein Irrtum?

 

FURCH: Nein, ich denke das ist absolut richtig. Der Soziologe Hartmut Rosa bezeichnet den Zwang zur „Verfügbarmachung der Welt“ als Fluch unserer Zeit, der uns auch dazu treibt, uns und unsere Umgebung quasi ständig zu optimieren: Unseren „style“, unseren Instagram-Account, unseren Freundeskreis, unsere Kinder, ja, sogar unsere Freizeitaktivitäten. Das ist Stress pur – ohne Pause!

 

 

Nun ist „Ich will leichter leben“ natürlich leichter gesagt, als getan. An was scheitern die meisten bei der Umsetzung?

 

FURCH: Daran, „nein“ zu sagen – etwas zu unterlassen, nach dem es sie drängt, es zu tun.

 

 

Da möchte jemand sein Berufsleben, sein Beziehungsleben oder auch einfach seine Freizeit leichter gestalten, kann aber schwerlich alle Baustellen zugleich in Angriff nehmen. Was wäre hier ein umsetzbarer erster Schritt?

 

FURCH: Den Bereich leichter zu machen, der den größten positiven Hebeleffekt auf andere Bereiche hat. Beispiel: Im Urlaub Pause zu machen, statt ein hektisches Reiseprogramm zu absolvieren. Im Alltag Dinge machen, zu denen man spontan Lust hat, auch wenn sie unspektakulär sind, zum Beispiel einen Spaziergang oder ein spontanes Treffen mit Menschen, mit denen sich das Leben leicht anfühlt.

Nur wenn ich einen guten Zugang zu meinen eigenen Gefühlen habe, kann ich auch emphatisch sein und mich anderen zuwenden.

 

Wie wirkt es sich auf einen Menschen aus, wenn er sein Leben dann tatsächlich leichter macht, indem er seinen Alltag, seine Beziehungen, seine Arbeit, und vielleicht auch seinen Glauben „entrümpelt“?

 

FURCH: Man wird tendenziell konzentrierter, emphatischer, wirksamer. Man nimmt besser wahr, was in einer bestimmten Lebenssituation wirklich angemessen und gut ist. Für sich selber, aber genauso gut auch für andere. Man ist präsenter. Mit sich selber im Reinen. Selbstbewusster.

 

 

Und wie vermeidet man, dass diese Übung am Ende zum Egotrip wird, der auf Kosten anderer geht, allem voran des Partners oder der Kinder?

 

FURCH: Im eingeschwungenen Zustand lernt man zwischen den Extremen zu balancieren. Nur wenn ich zum Beispiel einen guten Zugang zu meinen eigenen Gefühlen habe, kann ich auch emphatisch sein und mich anderen zuwenden. Aus der eigenen Leichtigkeit heraus kann ich anderen helfen, ihre Lasten leichter zu machen.

 

 

Bitte ergänzen: „Leichter leben“ lohnt sich, weil …

 

FURCH: … das am Ende bedeutet, bewusster zu leben.

 

 

Vielen Dank für das Gespräch.

 

 

Die Fragen stellte Inge Frantzen.

 

KRISTIAN FURCH

ist Partner bei der Führungsberatung „LeadershipPartners“, die Unternehmen bei der strukturellen und individuellen Umsetzung „guter Führung“ unterstützt. Er ist verheiratet, hat drei erwachsene Kinder und zwei Enkelkinder. Mit seiner Frau Dorothea tanzt er leidenschaftlich gerne. Fit hält er sich außerdem beim regelmäßigen Leistungsschwimmen im DLRG.

 

www.leadership-partners.com

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