MINDO: Herr Diener, ein heilsamer Glaube, ein Glaube also, der wohltuende und heilende Impulse in unser Leben bringt – wie sieht der aus?
MICHAEL DIENER: Glaube ist heilsam, wenn wir „beziehungs-weise“ glauben. Ich weiß mich von Gott geliebt und bedingungslos angenommen. Deshalb ist „das Leben“ nicht mein Feind, sondern das Wachstumsfeld meines Glaubens. Was ich in der Gemeinschaft mit Gott lerne – hören, echt sein, Vergebung erleben, neu beginnen, dranbleiben –, das „er-lebe“ ich mir selbst und anderen gegenüber. Und wenn ich das nicht weiß oder leben kann, ist Gott immer noch für mich da.
Kritisch nachgefragt: Ist der Wunsch, dass Glaube vor allem auch uns Menschen guttun muss, dem heutigen Zeitgeist geschuldet oder ist das biblische Wahrheit?
DIENER: Nur Gott ist gut. Was mich mit Gott in Gemeinschaft bringt, ist gut. Aber der Weg zum und mit dem gütig guten Gott kann sehr schmerzhaft, spannungsvoll und herausfordernd sein. Was gut ist, tut nicht immer gut. Aber wenn Glaube nur schmerzt, nur deprimiert, dann ist etwas falsch oder krank.
Welche ungesunden, ja vielleicht sogar krankmachenden Glaubenssätze und Gottesbilder, die Menschen mit sich herumtragen, sind denn Ihrer Beobachtung nach am weitesten verbreitet?
DIENER: Mir begegnen überwiegend folgende drei Gottesbilder: Der „Leistungsgott“ („Gott muss ich mir verdienen, denn niemand liebt mich und nimmt mich an, wie ich bin“), der „Koppelschlossgott“ („Gott ist mit mir und meinen Meinungen, was „biblisch“ ist – gegen die anderen“) und der „Traumtänzergott“ („Gott hat mich vor der Lebenswirklichkeit zu beschützen, anstatt mich in ihr zu begleiten und zu halten“).
„Der Weg zum und mit dem gütig guten Gott kann sehr schmerzhaft, spannungsvoll und herausfordernd sein.“
Nun werfen Kritiker dem christlichen Glauben gern vor, dass er nicht heilsam sei, sondern im Gegenteil: dass er Menschen unfrei mache und manchmal sogar krank. Was entgegnen Sie?
DIENER: Den christlichen Glauben gibt es nicht. Es gibt ganz gewiss krankmachende, zerstörerische Formen von Glauben, aber es gilt „abusus non tollit usum“: der Missbrauch darf den rechten Gebrauch nicht verbieten. Und überall, wo Christus in seiner Fülle gegenwärtig ist, geschieht Heilsames.
Wenn nun jemand bemerkt, dass sein Glaube ihn in der Tat mehr verletzt, als dass er ihn heil macht – was raten Sie?
DIENER: Ich mache Mut zu einer intensiven seelsorgerlichen Begleitung und vermittle diese gegebenenfalls auch. Und dann muss es intensiv um die Frage gehen, wer und was diesen Glauben prägt, wo die Quellen sind, die Ressourcen und Perspektiven des geistlichen Lebens.
Was kann jeder selbst dazu tun, dass sein Glaube wahrhaftiger wird und im wahrsten Sinne des Wortes „Heil bringend“ für ihn und andere?
DIENER: Ich gehe noch einmal zurück zur ersten Antwort: beziehungs-weise glauben. Es gibt ein Wort von George Bernanos, das mich intensiv begleitet: „Man verliert nicht einfach den Glauben, aber der Glaube hört auf, dem Leben Form zu geben.“ Was gibt meinem Glauben Form und Gestalt? Und da kenne ich keine prägendere Quelle als sich lieben zu lassen und zu lieben – konkret. Und ich halte viel von Bonhoeffers Impulsen eines „gemeinsamen Lebens“: Glaubensgemeinschaft, verbindlich und über die eigene Frömmigkeitsblase hinaus. Das hilft, „in Form“ zu bleiben.
Und zuletzt: In welchem Bereich Ihres Lebens hat der Glaube Sie ganz persönlich heiler gemacht?
DIENER: Ich beschränke mich auf einen Bereich: Vergebung. Ich habe in den vergangenen Jahren immer wieder durchlitten und durchlebt, zu vergeben – mir selbst, aber auch gerade Mitmenschen, die mir Unrecht getan haben – „… wie auch wir vergeben unseren Schuldigern“. Ich kann gar nicht in Worte fassen, wie viel Hass, böse Gedanken und Seelengift aus meinem Leben verschwunden sind, seitdem ich nicht mehr „nach-tragend“ sein muss.
Vielen Dank für Ihre Zeit.
Die Fragen stellte Sabine Müller.
1 Kommentar
Sehr geehrter Herr Diener! Ich habe ihren Vortrag über die bunte Gemeinde gehört! Es war wohl 2015 und ist im Internet hinterlegt! Ich finde ihn außerordentlich biblisch! Ich hoffe Sie verstehen das als Kompliment, weil sie immer wieder Bezug nehmen auf die Art wie Jesus wohl die Sache sehen würde! Der Professor Thorsten Dietz hat einige Bemerkungen im Podcast Fleisch und Wort gemacht und sie sehr ehrenvoll dargestellt als ich dann ihren Vortrag hörte wie bunte Gemeinde zu verstehen ist, war ich vollkommen ihrer Meinung und konnte gar nicht mehr verstehen dass man es auch anders sehen kann oder sogar als Verehrung! Jetzt möchte ich aber sagen dass ich neuapostolisch bin seit Kindheit! Auch bei uns in der Kirche gibt es natürlich Homosexuelle Transgender und andere ChristenInnen, die ihren Glauben meistens noch ernster nehmen aber durch gesellschaftliche Herabsetzungen und ganz besonders in christlichen Kreisen kaum ihre Art zu glauben darstellen können. Ich bin mittlerweile der Meinung dass das in allen domiNationen out of attain ist. Ich selber bin in der dritten Generation neuapostolisch! Bei uns in den Kirchen wird das Thema er totgeschwiegen! Bzw es können z.b. schwule geoutete Männer keine Amtsträger sein! Sie können sich sehr engagieren in Musik in Kultur und ähnlichenI aber Sie bekommen leider nicht den gleichen menschenwürdigen Klang den sie verdienen! Ich hoffe dass Ihr Beitrag noch sehr oft angeklickt wird! Ich wünsche Ihnen Gottes reichen Segen Ausrufezeichen und ich spüre dass die Welt sich verändert! Ich bin davon überzeugt, dass wie Sie es auch sagen, alle ihren Weg erst finden müssen um zu einem barmherzigen Jesu in Lichtblick zu finden! Mit freundlichen Grüßen Uwe
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