Manchmal beginnt der Sturm, bevor der Tag überhaupt angefangen hat. Und doch liegt mitten darin ein stiller Raum, der nur darauf wartet, entdeckt zu werden.

 

Stell dir vor, du stehst morgens im Stau, das Handy klingelt ununterbrochen und im Radio laufen die Nachrichten – lauter Trubel noch bevor der Tag richtig begonnen hat. Zu Hause sieht es ähnlich chaotisch aus: Die Kinder rufen nach dir während das Frühstück anbrennt und gleichzeitig dein Handy vibriert. Und im Büro jagt ein Termin den nächsten, dein Team fragt nach deiner Zuarbeit und innerlich läufst du schon auf Hochtouren. Genau in solchen Momenten wünschst du dir vielleicht, einfach kurz die Pausetaste drücken zu können.

 

 

Innehalten heißt, nach innen halten

Doch wie schafft man es, mitten im Chaos anzuhalten und Ruhe zu finden? „Innehalten“ bedeutet wörtlich: nach innen halten – also innerlich zur Ruhe kommen, auch wenn es um dich herum turbulent zugeht. Es heißt, bewusst einen Augenblick lang nichts zu tun, tief durchzuatmen und sich zu sammeln, bevor es weitergeht. Einfach klingt das nicht, denn oft schreit alles in uns: „Dafür habe ich jetzt keine Zeit!“ Aber gerade dann, wenn wir glauben, keine Sekunde erübrigen zu können, wirkt eine kurze Unterbrechung Wunder.

 

In der Hast verlierst du dich.

Im Innehalten findest du dich wieder.

 

Innehalten bedeutet nicht Stillstand, sondern neue Kraft zu schöpfen. Es bedeutet nicht aufgeben. Es bedeutet, eine Ruheinsel aufzusuchen, kurz die Richtung zu prüfen – und dann gestärkt weiterzugehen.

 

 

Das „eine Notwendige“

Dieses Dilemma – machen müssen versus anhalten wollen – ist nicht neu. Schon in der Bibel gibt es die Geschichte von zwei Schwestern, Maria und Marta, die Jesus zu Gast hatten. Marta wirbelte geschäftig herum, um alles vorzubereiten, während Maria sich einfach zu Jesu Füßen setzte und ihm zuhörte. Marta war genervt, weil sie allein schuften musste, doch Jesus sagte liebevoll: „Marta, du machst dir Sorgen und Mühe um vieles, aber nur eines ist notwendig.“ Maria hatte erkannt, wann es Zeit war, innezuhalten und das Wichtige nicht im Trubel zu verpassen.

Man kann lernen, im Alltag Mini-Pausen einzubauen. Es ist wie ein Muskel, den man trainiert.

Diese Geschichte zeigt: Unsere To-dos mögen noch so dringlich erscheinen – manchmal ist es wichtiger, einen Moment still zu werden und aufzutanken. Hand aufs Herz: Wie oft gleichen wir im Alltag Marta, die keine Zeit zum Hinsetzen findet, obwohl wir uns eigentlich nach dem Maria-Moment sehnen? Doch Jesus zeigt, wie wertvoll diese stillen Momente sind – sie sind das „eine Notwendige“, das uns niemand nehmen kann. Und auch Psalm 46 ruft uns zu: „Seid stille und erkennt, dass ich Gott bin!“ – eine Einladung, mitten im Sturm auf einer Ruheinsel innezuhalten und auf Gott zu vertrauen.

 

 

Mini-Pausen mitten im Trubel

Vielleicht fragst du dich: Wie soll das gehen, wenn rundherum das Chaos tobt? Die gute Nachricht ist: Man kann lernen, im Alltag solche Mini-Pausen einzubauen. Es ist wie ein Muskel, den man trainiert – am Anfang fühlt sich das Innehalten ungewohnt oder sogar „falsch“ an. Vielleicht hast du anfangs ein schlechtes Gewissen, kurz nichts zu tun. Doch erinnere dich: Diese Pause schadet niemandem – im Gegenteil. Mit Übung gelingt es immer leichter, und du wirst merken, dass du danach präsenter und kraftvoller weitermachen kannst.

 

 

Rituale, die erinnern helfen

Kleine Rituale können helfen, sich zu erinnern. Manche Menschen stellen sich zum Beispiel zu jeder vollen Stunde einen kurzen Handy-Timer als Erinnerung, einmal tief durchzuatmen. Andere nutzen das Mittagsläuten der Kirchenglocken als Signal für einen Moment der Einkehr. Einige Ideen dafür:

 

Atempause: Schließe zwischendurch kurz die Augen (oder senke den Blick) und nimm drei tiefe Atemzüge. Spüre, wie die Luft langsam ein- und ausströmt, und lass mit jedem Ausatmen etwas Anspannung gehen.

 

Kurzgebet: Sprich innerlich ein kurzes Gebet oder ein Bibelwort, zum Beispiel: „Herr, schenke mir deinen Frieden.“ Das lenkt deinen Fokus weg vom Stress hin zu Gott.

 

Sinnesmoment: Richte für ein paar Sekunden deine Aufmerksamkeit auf etwas Konkretes in deiner Umgebung – einen Vogel vor dem Fenster, das leise Summen des Computers, den Boden unter deinen Füßen. Dieses bewusste Wahrnehmen holt dich in den Augenblick zurück.

 

Stille Übergänge: Baue zwischen zwei Aufgaben einen bewussten Übergang ein. Leg zum Beispiel nach einem Telefonat den Hörer beiseite, atme einmal tief durch, oder trink einen Schluck Wasser, bevor du die nächste Aufgabe startest.

 

Bewegung: Wenn möglich, steh kurz auf und streck dich oder roll die Schultern. Durch eine kleine Bewegung lockerst du die Anspannung im Körper und vertreibst das Stressgefühl.

 

 

Einfach, kurz – und heilsam

Vielleicht spricht dich eine dieser Ideen besonders an. Probier sie aus und schau, was dir guttut. Mit der Zeit werden solche Pausen zur wertvollen Gewohnheit. Auch ich habe mir angewöhnt, in hektischen Momenten bewusst einen Augenblick innezuhalten. Wenn mein Terminkalender überquillt und ich merke, wie die Unruhe in mir hochkriecht, lehne ich mich kurz zurück, schließe die Augen, atme dreimal tief durch und schicke ein kurzes Stoßgebet zum Himmel. Dieses einfache Ritual dauert vielleicht 15 Sekunden, doch es hilft mir enorm, klarer zu denken und gelassener weiterzumachen. Tatsächlich schaffe ich meine Aufgaben danach oft besser, als wenn ich ohne jede Pause durchgehetzt wäre.

Du wirst entdecken, dass der Trubel ein Stück seiner Macht verliert, sobald du dich traust, mitten darin still zu werden.

Einer meiner bewussten Maria-Momente? Es war ein besonders stressiger Tag. Auf der Arbeit war viel los, ich kam gereizt und müde nach Hause. Und dort brach sofort alles auf mich herein: tausend Fragen, der Streit zwischen den Kindern, die nachlassende Spannkraft meiner Frau – und die ständige Sorge um unseren Sohn mit seinem seltenen Gendefekt. Ich war kurz davor zu explodieren. Aber ich schaffte es, mir einen Moment auf meinem Bett zu nehmen. Einfach dazusitzen. Alles Gott hinzuwerfen und zu sagen: „Gott, das ist mir zu viel! Ich schaffe das nicht.“ Dann still zu werden. Nur zu sein. Im Jetzt. Neu bei mir anzukommen. Gott Raum zu geben. Und ich spürte: Er ist da. Ich konnte Prioritäten neu sortieren. Und tatsächlich gestärkt aus diesen wenigen Minuten hervorgehen. Danach hatten wir zwar keinen stressfreien, aber einen wirklich schönen Abend als Familie.

 

 

In der Stille liegt Kraft

Mitten im Sturm für einen Moment still zu stehen, ist kein Zeichen von Schwäche, sondern von innerer Stärke.

 

In der Pause ordnet sich das Chaos.

In der Stille erkennst du dich wieder.

Und Gott war die ganze Zeit schon da.

 

Erlaube dir die Unterbrechung. Probier es aus: Das nächste Mal, wenn dich der Alltagsstress zu überrollen droht, halte bewusst kurz inne. Du wirst sehen – selbst 30 Sekunden können einen Unterschied machen. Nimm dir außerdem vor, in den kommenden Tagen ein bis zwei Mini-Pausen in deinen Tagesablauf einzubauen – vielleicht beim Übergang von der Arbeit zum Feierabend oder immer dann, wenn du den Computer hochfährst. Beobachte, wie sich diese kleinen Ruheinseln auf dein Wohlbefinden auswirken. Du wirst entdecken, dass der Trubel ein Stück seiner Macht verliert, sobald du dich traust, mitten darin still zu werden.

 

Die Kunst des Innehaltens liegt darin, dir diese Momente zu erlauben. Je öfter du es tust, desto natürlicher wird es dir vorkommen.

REFLEXIONSFRAGE

 

Welchen Alltagsstress-Moment könntest du bewusst mit einer Atempause durchbrechen – und wann wirst du es ausprobieren? Vielleicht schon heute Abend beim Schlafengehen oder morgen früh nach dem Aufwachen?

Heiko Metz

doppelt Papa, ein bisschen Theologe, immer wieder Autor und mehr als gerne Dozent. Redaktionsleiter bei der „Stiftung Marburger Medien“. Außerdem: Bücher-Verschlinger, Gerne-Griller, Apple-Fanboy, Kaffee-Abhängiger. Und Marburger. Mehr unter www.heiko-metz.de, Instagram: @heikometz

Weiterlesen