Stell dir vor, du sitzt im Wald und hörst nur das Rauschen der Blätter und das Zwitschern der Vögel. Automatisch atmest du tiefer, dein Puls wird ruhiger. Die Natur hat eine erstaunliche Fähigkeit, uns zu entspannen und unsere Seele zur Ruhe zu bringen. Kein Wunder, denn als Teil der Schöpfung finden wir in der Schöpfung selbst Geborgenheit und neue Kraft.

 

Viele von uns spüren: Ein Spaziergang im Grünen oder der Blick auf einen See kann Wunder wirken, wenn wir gestresst sind. Schon die Bibel lädt uns ein, in der Schöpfung Gottes Gegenwart zu entdecken: „Die Himmel erzählen die Herrlichkeit Gottes“ heißt es in den Psalmen. Jesus selbst zog sich oft in die Berge zurück, um zu beten. Und Franz von Assisi erlebte in jedem Vogel und jeder Blume einen Bruder und eine Schwester. Die Natur ist wie eine große Kathedrale, in der wir Gott begegnen können – still und unaufdringlich, aber kraftvoll.

 

In der Natur kommt die Seele zur Ruhe, und Gottes Stimme wird leichter hörbar.

 

 

Wie du die Natur als Ruheinsel nutzen kannst

Micro-Auszeit im Grünen: Schon 10 Minuten im Park können Wunder wirken. Setz dich auf eine Bank unter einen Baum, schließe die Augen und lausche. Der Wind in den Blättern, das Zwitschern – all das kann wie Balsam für die Seele sein. Sprich vielleicht ein kurzes Dankgebet für die Schönheit um dich herum.

 

Barfußgehen: Wenn möglich, zieh die Schuhe aus und spüre das Gras oder den Waldboden unter deinen Füßen. Das erdet nicht nur körperlich, sondern auch seelisch. Während du barfuß gehst, kannst du beten oder einfach staunend wahrnehmen, wie gut Gottes Schöpfung tut.

 

Gebet unter freiem Himmel: Verlege deine Zeit der Stille nach draußen. Warum nicht mal im Garten oder auf dem Balkon die Bibel lesen oder beten? Die frische Luft und das Vogelgezwitscher können dein Gebet vertiefen. So wird dein Balkon am Morgen zur kleinen Klosterzelle im Freien.

 

Natur als Spiegel: Nimm bewusst wahr, was die Natur dir sagen kann. Jede Jahreszeit trägt Botschaften: Im Herbst das Loslassen der Blätter (Was darfst du loslassen?), im Winter die Stille und das Warten, im Frühling das Aufblühen neuer Hoffnung. Mache einen Spaziergang und betrachte zum Beispiel einen Baum – vielleicht spricht Gott durch ihn zu dir.

 

Waldbadenbeten: Der Trend des „Waldbadens“, also des Eintauchens in die Waldatmosphäre, lässt sich wunderbar mit Gebet verbinden. Geh achtsam durch den Wald, atme die kühle, duftende Luft tief ein und bete dabei einen einfachen Dank oder ein Vaterunser. Stell dir vor, mit jedem Atemzug nimmst du Gottes Frieden in dich auf.

 

Sternehimmel bestaunen: Wenn die Nacht klar ist, gönn dir ein paar Minuten unter dem Sternenzelt. Schaue hinauf in den weiten Himmel und lass dich von der Unendlichkeit berühren. Vielleicht sprichst du dabei wie der Psalmist: „Wie gewaltig ist dein Name, HERR, auf der ganzen Erde!“ Dein Alltagsstress schrumpft ein wenig, wenn du die Sterne betrachtest.

Kleiner Begleiter für Schöpfungsmeditationen

 

Entdecke das Heilige in der Natur – still, achtsam, verbunden.

 

Gebet zum Start

Gott, du Schöpfer allen Lebens,

ich gehe hinaus in deine Welt.

Öffne meine Augen für das Wunderbare,

mein Herz für dein Flüstern im Wind.

Mach mich still, empfänglich, wach.

Ich will dich suchen – und finden.

Amen.

 

So funktioniert’s:

Wähle einen Ort in der Natur: Wald, Wiese, Balkon oder Park. Nimm dir mindestens 15 Minuten Zeit. Geh langsam oder setz dich hin. Halte Ausschau nach einem kleinen Detail – und bleib dabei.

 

 

ENTDECKERFRAGEN FÜR DEINE STILLE ZEIT

 

Ein Blatt: Was hat dieses Blatt erlebt? Was darf ich heute loslassen?

Ein Spinnennetz: Wo bin ich verbunden – wo zu sehr verstrickt?

Ein Stein: Was trägt mich? Was ist mein Fundament?

Ein Insekt: Was erledige ich geschäftig – was könnte ich gelassener tun?

Ein Tropfen auf einem Grashalm: Was ist zerbrechlich in mir? Was will ich behüten?

Eine Ähre oder Grashalm im Wind: Wo darf ich mich beugen, ohne zu brechen?

Ein alter Baum: Welche Lebensspuren trage ich? Worin liegt meine Kraft?

Der Himmel über dir: Was ist gerade größer als ich? Was darf ich Gott anvertrauen?

 

Lass deine Entdeckung zu einem Gebet werden. Vielleicht laut, vielleicht flüsternd, vielleicht einfach nur in Gedanken.

 

Gebet zum Abschluss

Gott, du hast mich heute überrascht.

In einem Blatt. In einem Tropfen. In einer Maus vielleicht.

Danke für deine stille Gegenwart.

Hilf mir, sie auch im Lärm des Alltags nicht zu vergessen.

Amen.

Heilige Orte unter freiem Himmel

Wenn wir die Natur auf diese Weise als Ruheinsel nutzen, werden wir oft reich beschenkt. Unsere Anspannung fällt ab, und wir fühlen uns verbunden – mit Gott und mit der Schöpfung. Studien bestätigen, dass Zeit im Grünen Stress reduziert und das Wohlbefinden steigert. Aber für uns geht es um mehr als Wellness: Es ist Gottes Geschenk an uns. Die Schöpfung predigt ohne Worte (siehe z. B. Psalm 19) und erinnert uns daran, dass wir eingebettet sind in etwas Größeres.

Die Natur hat eine erstaunliche Fähigkeit, uns zu entspannen und unsere Seele zur Ruhe zu bringen.

Ich persönlich habe einige meiner tiefsten Gottesbegegnungen unter freiem Himmel gehabt. Einmal war ich nach einer schweren Nachricht voller Kummer und ging in den Wald. Während ich zwischen den alten Eichen hindurchlief, spürte ich plötzlich einen Frieden, der sich ausbreitete – als ob Gott durch das Rascheln der Blätter zu mir sagte: „Ich bin bei dir.“ Ein anderes Mal – es war Herbst – huschte plötzlich eine kleine Maus über meinen Weg. Ich blieb stehen und musste schmunzeln. Dieses zarte, fast unsichtbare Tier erinnerte mich daran, wie klein und verletzlich auch ich bin. Und wie viel Sanftheit es braucht, um im Leben unterwegs zu sein. In diesem Moment war ich nicht mehr nur Spaziergänger – ich war Teil der Schöpfung, verbunden mit allem Lebendigen. Gott hat durch eine Maus gesprochen.

 

Ein andermal saß ich am Meer und schaute minutenlang den Wellen zu. Das unablässige Rauschen und Zurückziehen des Wassers erinnerte mich daran, wie beständig Gottes Liebe ist. Mein Herz wurde weit und ruhig dabei. Oft setze ich mich auch mit meinem Notizbuch an eine Quelle in der Nähe. Das Plätschern des Wassers beruhigt mich, ich liebe es, dem Wasserspiel zuzuschauen und im Gebet kann ich dort meine Sorgen viel leichter abgeben, als sonst. Diese Orte in der Natur sind zu heiligen Orten für mich geworden, zu Oasen im Alltagswüstenland.

 

Die Schöpfung ist Gottes leises Flüstern an unsere Seele.

IMPULS

Plane dir regelmäßig kleine „Naturzeiten“ ein. Vielleicht ein Abendspaziergang pro Woche oder ein Ausflug ins Grüne am Wochenende. Nutze diese Zeiten, um aufzutanken: Beobachte bewusst, rieche, höre, und komm mit Gott ins Gespräch über das, was du siehst. Deine Seele wird es dir danken.

 

REFLEXIONSFRAGE

Welcher Ort in der Natur ist für dich eine Ruhe-Oase? Vielleicht ein Wald, ein See oder dein eigener Garten – plane doch, diesen Ort bald wieder einmal bewusst aufzusuchen.

Heiko Metz

doppelt Papa, ein bisschen Theologe, immer wieder Autor und mehr als gerne Dozent. Redaktionsleiter bei der „Stiftung Marburger Medien“. Außerdem: Bücher-Verschlinger, Gerne-Griller, Apple-Fanboy, Kaffee-Abhängiger. Und Marburger. Mehr unter www.heiko-metz.de, Instagram: @heikometz

Mehr lesen