Macht Glaube stark? Die Resilienzforschung ist der Frage nachgegangen, ob religiöse Menschen widerstandsfähiger in Krisensituationen sind und „Nackenschläge des Lebens“ besser verarbeiten können. Zahlreiche Studien kommen zu der einhelligen Überzeugung, dass es einen signifikanten Zusammenhang zwischen Spiritualität und emotionaler Widerstandskraft gibt. So belegt beispielsweise die aktuelle Studie „Junge Deutsche 2021“, dass die 15- bis 35-Jährigen, die sich als religiös bezeichnen, deutlich besser durch die Corona-Krise gekommen sind als diejenigen ohne einen Glaubensbezug.

 

Resilienzfaktor „Spiritualität“

Spiritualität und Religion sind nicht zu unterschätzende Resilienz-Faktoren, weil der Glaube an etwas, das größer ist, als die eigene Existenz, in und durch Krisen trägt. Spirituelle Sichtweisen und Fähigkeiten vermitteln in bewegten und herausfordernden Zeiten die Erfahrung, Kraft zu schöpfen und Halt zu gewinnen. Insbesondere der Glaube an eine göttliche Macht bietet in folgenden Bereichen einen Mehrwert:

 

● Sie verleihen dem Leben einen tieferen Sinn und verstehen es als Teil eines göttlichen Plans.

 

● Erfahrungen von Leid und Schmerz werden in einen größeren Zusammenhang gestellt. Nichts geschieht zufällig, sondern dient letztlich einem höheren Ziel.

 

● Religiöse Menschen können ihre Sorgen, Ängste und Probleme an eine göttliche Macht adressieren und sich dadurch entlastet fühlen.

 

● Diesseitige Probleme und Herausforderungen relativieren sich durch einen Blick auf das Jenseitige.

 

● Die Gemeinschaft der Glaubenden bietet eine soziale und emotionale Geborgenheit und Sicherheit.

 

● Der Einzelne muss nicht permanent um sich selbst kreisen und sich alleinverantwortlich für das eigene Lebensglück fühlen, sondern kann für andere Menschen da sein und im Auftrag Gottes etwas in dieser Welt positiv verändern.

 

Ist die Spiritualität im christlichen Glauben verankert, geht es um die Führung Gottes im persönlichen Alltagsleben, ein tiefes Vertrauen, dass letztlich alles zum Guten dienen wird und Glaubende auch in schweren Krisen von Gott begleitet sind. Hinzu kommen die Perspektive eines ewigen Lebens und die Zugehörigkeit zur Gemeinschaft des Volkes Gottes, der Gemeinde.

 

„Trotzdem“-Glaube

In der Bibel finden sich viele Biografien von Frauen und Männern, die ausgesprochen resiliente Persönlichkeiten waren. Josef, dessen Lebensgeschichte im ersten Buch Mose erzählt wird (1.Mose 37–50), besaß nicht nur resiliente Fähigkeiten wie Optimismus, Lösungsorientierung oder Improvisationsvermögen. Was ihn vielfältige Krisen überstehen und ihn letztlich daraus gestärkt hervorgehen ließ, war vor allem sein unerschütterlicher Glaube. Josef als der Prototyp des resilienten Menschen zeichnete sich durch eine ausgeprägte „Trotzdem-Haltung“ aus. So setzte er düsteren Lebensumständen, Anfeindungen durch andere Menschen und unverschuldeten Notlagen sein persönliches Bekenntnis entgegen: „Trotz allem vertraue ich auf dich, mein Gott. Du behältst den Überblick und du vermagst es, selbst böse Ereignisse in etwas sehr Gutes zu verwandeln!“

 

Christen haben die Möglichkeit, innere Widerstandskraft und emotionale Stärke aus ihrer Beziehung zu Jesus Christus zu schöpfen. Der „Draht nach oben“, mit Christus sprechen, auf seine Worte hören, in Verbindung bleiben, bewirken inneren Frieden und schaffen Zuversicht, auch und gerade dann, wenn das Leben einem Saures gibt. Wer mit Gott verbunden lebt, kann sogar über Mauern springen, eigene Begrenzungen überwinden und selbst in düsteren Stunden den göttlichen Zuspruch hören: „Ich bin immer bei dir!“

Christen schöpfen innere Widerstandskraft und emotionale Stärke aus ihrer Beziehung zu Jesus Christus.

Gottvertrauen macht resilient. Glaube ist eine Energiequelle. Wer Christus nachfolgt, vertraut auf dessen Kraft, wenn es schwierig wird. Und doch macht der christliche Glaube nicht grundsätzlich und in jedem Fall resilienter. Es gibt auch einige Risikofaktoren des Glaubens. Damit sind Glaubenshaltungen und Verhaltensweisen gemeint, die Glaubende eher schwächen, als sie zu stärken. Wenn beispielsweise Autoritätspersonen Glaubensinhalte missbrauchen, um Macht über andere auszuüben. Bibelworte können geradezu als Waffe eingesetzt werden, um Einzelne oder eine Gruppe gefügig zu machen und auf Kurs zu halten.

 

In Krisen getragen

Der Schutzfaktor „christliche Gemeinschaft“ wirkt besonders dann stabilisierend und stärkend, wenn Empathie, Respekt, Vergebung und eine offene, wertschätzende Kommunikation gelebt werden. Umgekehrt gilt, dass eine Gemeinschaft, in der man einander negativ bewertet, Fehler gegeißelt und Probleme als „ungeistlich“ angesehen werden, ihre Mitglieder emotional schwächt und in Krisen verunsichert.

 

Eine geistlich und menschlich gesunde Gemeindekultur trägt Glaubende auch durch schwerste Krisen hindurch. Wer gerade vor lauter Problemen selbst nicht glauben kann, wem gerade nicht nach Beten zumute ist, der kann erleben, wie die christliche Gemeinschaft durch Krisen trägt. Andere beten stellvertretend für denjenigen, der selbst nicht beten kann. Andere glauben stellvertretend für den, der gerade (ver-)zweifelt, und bitten um Gottes Hilfe.

 

 

Zum Nachdenken:

▹ Was hat mir in zurückliegenden Krisen- und Problemzeiten geholfen?

▹ Welche eigenen Fähigkeiten und Stärken haben mich resilient gemacht?

▹ Wo bin ich an meine persönlichen Grenzen gestoßen?

▹ Inwieweit schöpfe ich aus meinem Glauben Energie und Hoffnung, wenn ich vor besonderen Herausforderungen stehe?

▹ Welche Rolle nimmt dabei die Glaubensgemeinschaft mit anderen Menschen ein?

 

 

GEBET: „Guter himmlischer Vater, ich danke dir, dass du mich kennst und mich siehst. Wenn sich mal wieder Probleme vor mir türmen oder ich in eine Krise schlittere, lässt du mich nicht im Stich. Ich vertraue darauf, dass deine Kraft in mir größer als alle Riesen vor mir ist. Lass mich deine Worte hören, damit sie mich durch die Krise navigieren. Und bitte stelle mir Menschen an die Seite, die mir Halt und Hoffnung geben. Auch wenn ich mich schwach fühle, bin ich stark, weil du mit mir gehst. Danke für deine Hilfe. Amen.“

Matthias Hipler

betreibt eine Praxis für Psychotherapie, Paartherapie und Coaching in Hanau.

 

www.psychotherapie-hipler.de

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