Wie heißt’s?

WAS LANGE GÄRT, WIRD ENDLICH MUT

Entscheidung für die Zuversicht

 

Wer hat’s geschrieben?

Christina Ott und Valerie Lilli im Briefwechsel. Christina Ott ist psychologische Beraterin und Supervisorin, Referentin und Autorin und lebt mit ihrem Mann in Nürnberg. Valerie Lill ist Singer-Songwriterin, Musiktherapeutin, Wortakrobatin, Vocalcoach und Buchautorin und lebt mit ihrem Mann in Reichshof. Beide Autorinnen haben erwachsene Kinder.

 

Worum geht’s?

Zwei Frauen in ihren Mittfünfzigern lernen sich als Herzensschwestern kennen und beginnen eine Freundschaft, die sie in Briefen vertiefen. Als Leserin begleitet man ein Jahr lang den intensiven Briefwechsel zwischen Christina und Valerie, die unter anderem die Leidenschaft teilen, Dinge zu reflektieren und sie mit Gottes Wahrheiten zu verweben. Sie lernen sich immer besser kennen, stellen Gemeinsamkeiten und Unterschiede fest und navigieren organisch – wie in einem Gespräch, das diese schriftliche Kommunikation in stark entschleunigter Form ja ist – durch tiefschürfende Lebensthemen wie Identität, Glaubensprägungen, Kindheitserfahrungen, aber auch kleine Alltagsdetails, Freuden und Dankbarkeiten. Nebenbei erfährt man, wie beide Frauen gesunde und gute Freundinnen, Nachbarinnen und Familienmenschen sind, wie sie andere begleiten, Sorgenvolles betend Gott hinhalten und in vielem Inspiration für ein in Beziehung zu Gott und Menschen gelebtes Leben sind.

 

Das Buch ist, anhand der Hauptthemen in den Briefen, unterteilt in acht Kapitel, die immer wieder durch Kästen und Abschnitte bereichert werden, in denen man eingeladen ist, Gedanken zu vertiefen. Dazu bringen Gedichte der Wortkünstlerin Valerie die Reflexionen auf eine weitere farbenfrohe Ebene.

 

Wie ich es finde.

Zwei interessante und reife Frauen haben aus unterschiedlichen Perspektiven viele wunderbare Gedanken, über die es sich nachzudenken lohnt. Einige Anstöße habe ich für mich mitgenommen und werde sie weiter bewegen, wie zum Beispiel wodurch unsere Emotionen motiviert sind, oder auch der Aspekt der „narrativen Identität“, also was ich im Erzählen über mich in den Mittelpunkt stelle und was nicht. Dazu zeigen Christina Ott und Valerie Lill auf sehr eindrückliche Weise, wie man die andere wirklich in den Blick nimmt, emphatisch auf ihre Gedanken reagiert, mitfeiert, mittrauert, versteht. Ein wenig wie ein Grundkurs im aktiven Zuhören – in Briefform.

 

Das Format fand ich recht herausfordernd – den verschiedenen Gedankenfäden zu folgen, die die beiden über längere Zeit spinnen und immer wieder aufnehmen zwischen vielen anderen Themen, erforderte oft große Konzentration und auch mal Zurückblättern, wer gerade wovon spricht. Ein recht komplexes, stark verdichtetes Leseerlebnis, das nicht mal so nebenher geschehen kann. Letztlich folgt man ja auch den Gedanken und Gesprächen zweier bislang unbekannter Personen, bleibt selbst mit den eigenen Rückfragen oder inneren Themen außerhalb des fortlaufenden Gesprächs, kann zwar für sich reflektieren und sich etwas herausziehen, aber man wird nicht vom anderen gesehen – was mir ein wesentlicher Bestandteil der Frauenfreundschaft und ihrer gegenseitigen Freude zu sein scheint.

 

Die Themen und Gedankengänge verbinden die beiden Frauen immer mit einer zuversichtlichen und vertrauensvollen Perspektive, auch im Reflektieren über die Welt und die Menschen um sie her. Das ist wohltuend und schön. Dennoch habe ich manchmal die Schwere vermisst, eine auch verletzte Tiefe und authentische Einblicke in die eigenen Seelen, wo Lebensthemen schnell verallgemeinert oder nur vage angedeutet wurden. Das mag eine bewusste Entscheidung gewesen zu sein, ebenso wie den Briefwechsel immer wieder auf Zuversicht zu richten, doch klang es dadurch manches Mal etwas gefiltert. All das mag aber durchaus auch an der Reife der beiden Frauen liegen, die sie zweifelsohne dadurch „trainiert“ haben, wie sie weise ihre Sorgen und belastenden Gedanken immer schneller umleiten.

 

Darüber hinaus für mich überraschend schön, da ich sonst kein allzu großer Fan von Gedichten bin: Valeries Lills Wortkunst hat mich immer wieder wirklich ins Staunen und die Themen ungewöhnlich und stark auf den Punkt gebracht. Wow!

 

Wer sollte es lesen?

Menschen, die tiefgründige Gespräche und Reflexionen über sich, das Leben, Identität, Geworden-Sein und Wachstum lieben und sich gerne mit sich auseinandersetzen. Und lernen, wie aktives, wertschätzendes Zuhören – auch in Briefform – funktioniert und gelingt.

 

Wo ist es erschienen?

Francke Buch, 252 Seiten, EUR 15,– (Paperback), EUR 12,99 (E-Book)

 

 

ANDREA SPECHT ist Autorin und Lektorin und lebt mit ihrer Familie in Potsdam (www.textgehalt.de).

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