Jeder Mensch kennt Situationen im Leben, wo es Mut braucht. Unbekanntes, ganz gleich, worum es sich dabei handelt, kann zweierlei Reaktionen in uns hervorrufen: Neugier und Entdeckergeist oder aber Angst. Gerade wenn wir diesem Neuen unfreiwillig und gänzlich unvorbereitet gegenüberstehen, tendieren wir zu einer Angstreaktion. Da liegt auch der Unterschied zu so etwas wie einem Fallschirmsprung: Dieser ist in aller Regel selbst gewählt und bewirkt daher einen gewissen Nervenkitzel und Adrenalinkick. Dafür greifen manche Menschen sogar tief in die Tasche. Ganz anders sieht es jedoch mit der unfreiwilligen Konfrontation mit Unbekanntem aus: Hier reagieren wir zumeist mit Angst, die uns innerlich erstarren lässt.
Was Mut (nicht) ist
„Ach, wäre ich doch nur mutiger!“ Haben Sie sich das schon einmal gewünscht? Keinerlei Angst zu empfinden und stattdessen furchtlos allem zu begegnen, was sich Ihnen in den Weg stellt? Diesem Wunsch liegt das Missverständnis zugrunde, was Mut ist. Mut bedeutet nämlich gerade nicht, keine Angst zu verspüren. Denn ohne Angst bräuchte es ja gar keinen Mut. Mut bedeutet vielmehr, über die empfundene Angst hinauszuwachsen (Sie ist aber keinesfalls leichtsinnig, denn das wäre Übermut)!
Mut könnte man als die bewusste Entscheidung beschreiben, sich nicht von der Angst vereinnahmen zu lassen. Mut und Angst gehen Hand in Hand. Mut ist kalkuliert: Er wägt Risiken, Konsequenzen und den möglichen Gewinn gegeneinander ab und trifft überlegte Entscheidungen. Mut geht über seine vermeintlichen Grenzen hinaus – aus und mit Überzeugung.
Mut bedeutet gerade nicht, keine Angst zu verspüren. Mut bedeutet vielmehr, über die empfundene Angst hinauszuwachsen.
Was als mutig angesehen und was nicht, ist individuell ganz unterschiedlich. Für den einen erfordert es beispielsweise Mut, klar seine Meinung zu äußern, während das für jemand anderen ganz normal ist und keinerlei Überwindung kostet. Auf der anderen Seite ist es sehr wahrscheinlich, dass dem mutigen Meinungsäußerer Dinge Mut abverlangen, die für andere ein Klacks sind, zum Beispiel vor einer Gruppe von Menschen zu reden. Was als beängstigend empfunden wird, hat auch mit unseren bisherigen Erfahrungen zu tun und damit, was andere Menschen uns vorgelebt haben.
Einfach positiv denken?
Oft heißt es, man solle doch einfach positiv denken. Man solle ich selbst sagen, dass man das schon hinkriegt und dann klappe das auch. Das Problem ist, dass wir solche Aussagen nicht einfach schlucken, selbst wenn sie aus unserem eigenen Mund kommen. Wir hinterfragen Dinge und vor allem die, von denen wir nicht so recht überzeugt sind. Wenn wir also nicht zumindest vom Verstand her glauben, dass das mit dem „Ich schaff das!“ wahr sein könnte, dann wird unser Herz die Botschaft nicht annehmen.
Mut entsteht nicht dadurch, dass wir uns „mutig reden“, sondern indem wir dem, was uns Angst macht, ins Auge sehen, die Herausforderung klar benennen, uns unserer Ressourcen bewusstwerden und dabei erkennen, dass wir eine echte Chance haben. Keine Garantie, aber eine reelle Chance. Mut ist reflektiert. Er weiß um die Möglichkeit zu scheitern, aber auch um die Möglichkeit, als Sieger vom Platz zu gehen.
Von Mut-Räubern und Mut-Schenkern
Ob wir das aber als Option in Betracht ziehen – nicht nur rein theoretisch, sondern als echte Option –, hängt auch davon ab, mit wem wir uns umgeben. Bestehen unsere prägenden Beziehungen primär aus Personen, die ihren Mut-Schalter umlegen können, wenn es darauf ankommt? Menschen, bei denen wir beobachten können: „Ja, es geht!“? Die Angst spüren und sich dennoch nicht von ihr bestimmen lassen? Oder sind es vor allem Menschen, die die Angst regieren lassen? Die Ängste durch ihre Worte nicht nur in sich selbst, sondern auch in anderen heraufbeschwören?
Egal wie jemand „tickt“: Er oder sie kann ein toller Mensch und Freund sein! Der Unterschied ist, ob er unsere Ängste füttert oder unseren Mut-Muskel aktiviert. Daher sollten wir, wenn wir einer Situation gegenüberstehen, die unseren Mut erfordert, genau hinschauen, welche Wirkung Begegnungen auf uns haben. Das bedeutet nicht, dass man sich dann nicht mehr mit den „Angstverstärkern“ treffen darf. Nur wäre es vielleicht gut, Vorhaben, die einem Mut abverlangen, nicht zuerst mit ihnen zu besprechen. Und auch grundsätzlich mal Stopp zu sagen, wenn Angst in Gesprächen mit ihnen zu viel Raum einnimmt. Stattdessen lieber positive Gegenimpulse setzen und fragen, was man aktiv tun könnte, um der Angst zu begegnen.
Ein anderer wichtiger potenzieller Mut-Räuber sind unsere Gedanken. Beobachten Sie sich und Ihre Gedanken rund um angstbesetzte Themen einmal selbst: Was denken Sie? Sind Ihre Gedanken aufbauend oder entmutigend, wahr oder im hohen Maße fragwürdig? Auch hier können Sie ansetzen, indem Sie sie wahrnehmen, hinterfragen und wo nötig korrigieren.
Ein bedeutender Mut-Macher hingegen sind häufig gute Erfahrungen der Vergangenheit. Führen Sie sich in einer ruhigen Minute gerne einmal vor Augen, wo Sie überall schon mutig waren und Ihr Mut zum Erfolg geführt hat: Wie haben Sie sich gefühlt? Gab es vielleicht auch Situationen, wo Sie Ihr Mut verlassen hat und Sie rückblickend bedauern, es nicht wenigstens versucht zu haben?
Lassen Sie sich auch davon für zukünftige herausfordernde Situationen motivieren! Wir können die Vergangenheit nicht ungeschehen machen, aber wir können daraus positive Lehren für die Zukunft ziehen.
Mutig können ja die anderen sein …
Muss eigentlich jeder mutig sein? Was ist verkehrt daran, dass manche der Angst Raum geben und andere dem Mut? Denn mal ehrlich: Nicht in jedem von uns steckt ein David, der Goliaths besiegt! Oder doch?
Natürlich ist jeder Mensch, jedes Leben verschieden. Und doch brauchen wir alle im Laufe unseres Lebens immer wieder einmal Mut. Je öfter wir der Angst das Ruder überlassen und unseren Mut-Muskel degenerieren lassen, desto mehr nistet sich die Angst als Lebensgefühl bei uns ein. Angst beraubt uns vieler guter Dinge; sie schränkt unseren Aktionsradius ein, macht das Leben klein. Und im Laufe der Zeit beraubt sie uns der Hoffnung, dass Dinge auch ganz anders sein könnten – besser.
Mut ist reflektiert. Er weiß um die Möglichkeit zu scheitern, aber auch um die Möglichkeit, als Sieger vom Platz zu gehen.
Die Dichterin Else Pannek hat einmal sehr treffend formuliert, dass Hoffnung ein „Lebensmittel“ sei. Das stimmt: Wir brauchen Hoffnung im und zum Leben. Es ist Hoffnung, die in uns den Mut mobilisiert, das Leben anzupacken, auch wenn es schwierig ist. Hoffnung ist der Glaube, dass da etwas Besseres auf uns wartet, für das der Weg und alle Mühen sich lohnen. Hoffnung gibt Kraft. Aber: Sie muss begründet sein!
Wenn Angst mit begründeter Hoffnung gewässert wird, erwachsen daraus der Mut und die Kraft, die nötigen Schritte zu gehen. Wir sind nicht mehr in der Ohnmacht der Angst gefangen, sondern können eigenmächtig Dinge zum Positiven bewegen. Das ist wichtig, denn kaum etwas setzt der menschlichen Seele mehr zu als das Gefühl, einer Situation hilflos ausgeliefert zu sein.
Die drei Stimmen
Wir alle hören drei Stimmen in uns, die um unsere Aufmerksamkeit buhlen. Wir sind gut beraten, genau hinzuhören und herauszufinden, wer da gerade redet, um dann entscheiden zu können, auf welche Stimme wir hören:
Die Stimme der Angst: Sie will uns weismachen, dass wir unwiederbringlich in einer Sackgasse feststecken und es keine Aussicht auf Entkommen gibt. Sie sagt: „So ist es und so wird es bleiben. Finde dich damit ab!“
Die Stimme des Mutes: Sie singt Lieder der Hoffnung und sucht nach Auswegen aus der vertrackten Situation. Sie ist in hohem Maße lösungsorientiert, aber auch reflektiert und realistisch und gibt keine Garantie auf Erfolg.
Die Stimme des Übermutes: Sie behauptet steif und fest, dass es kein Problem gibt, für das es keine einfache Lösung gibt. Wer ihr vertraut, dem garantiert sie ein Happy End.
Kommt Ihnen eine der drei Stimmen womöglich besonders vertraut oder aber vollkommen fremd vor? Es lohnt sich, dem weiter nachzugehen und wo nötig die Empfangsbereitschaft für manche Stimmen etwas zu drosseln bzw. zu erhöhen.
Mutig durch Gott?!
Eine vierte Stimme soll an dieser Stelle noch erwähnt werden: die Stimme Gottes. Denn Gott geht mit uns durchs Leben und das schließt auch die Tage ein, an denen Angst sich breitmacht. Auch mit Gott an unserer Seite begegnen wir weiterhin Herausforderungen, nur können wir mit seiner Hilfe anders mit ihnen umgehen. Weil wir wissen: Wir müssen da nicht alleine durch, denn Gott ist da. Gemeinsam ist man stärker als allein und mit Gott im Team gilt das allemal! Gott an unserer Seite zu haben, bedeutet, einen weisen Ratgeber zu haben, der sein Wissen gerne mit uns teilt, immer unser Bestes will und uns ermutigt.
Vertraue ich Gott, dass er es gut meint und macht – auch wenn ich davon gerade noch nicht so viel wie erhofft sehen kann? Vertraue ich darauf, dass ich selbst etwas im Leben zum Positiven bewegen kann? Dass es Hoffnung gibt und die Aussicht auf Erfolg?
Heilsamer Glaube ist von Vertrauen geprägt. Er weiß, dass Misserfolge nicht das Ende bedeuten. Dass Gott unseres Vertrauens würdig ist, weil er nie auf die Idee kommen würde, uns in die Irre zu führen oder gar fallen zu lassen. Der persönliche Glaube an Gott kann also ein wahrer Mut-Katalysator sein!
Mut zu haben bedeutet nicht, dass das, was man mutig anpackt, auch immer gelingt. Er kann sich auch darin zeigen, dass man nach einem Fehlschlag nicht aufgibt, sondern sich wieder aufrappelt und es (mit veränderter Strategie) noch einmal versucht. Hinfallen, Krone richten, wieder aufstehen – das ist der Dreiklang des Mutes. Zum Schluss darum vier Tipps fürs Mut-Muskel-Training:
1. Fangen Sie mit Dingen an, die einen „kleinen Mut“ erfordern, statt direkt mit einem Mammut-Mut-Projekt!
2. Erstellen Sie eine Liste von Dingen, die Sie gerne anpacken möchten! Sortieren Sie sie anschließend entsprechend des dafür erforderlichen Mutes von „braucht wenig“ bis zu „braucht super viel“.
3. Spielen Sie gedanklich die jeweilige Situation durch: Was kann im schlimmsten Fall passieren, was bestenfalls?
4. Und ganz wichtig: Fangen Sie an!