„Denn du allein kennst das menschliche Herz.“

1. Könige 8,39, Monatsspruch Juni 2020

„Kleider machen Leute“, sagt ein Sprichwort. Menschen stecken andere Menschen aufgrund ihres Aussehens, ihrer Kleidung, ihres ersten Eindrucks in Schubladen: Gescannt, alles klar, weiß Bescheid, einsortiert! Ja, wir Menschen schauen andere Menschen an und sind schnell dabei, uns eine Meinung über andere Personen zu erlauben. Sekundenschnell entscheiden wir, ob wir mit ihr Zeit verbringen wollen oder nicht. Ob wir uns mit ihr verbinden wollen oder nicht. Dabei urteilen wir, ohne den anderen näher zu kennen. Wir haben oft nur einen Moment in der Biografie des Menschen erlebt und glauben, Bescheid zu wissen. Eigentlich zu schnell, oder?

Doch ist ein Mensch – sein Denken, Fühlen und Erleben – nicht so viel größer, facettenreicher und auch unübersichtlicher als wir glauben? Ja, schon im eigenen Leben stelle ich fest, dass mein Herz wirklich eine Welt für sich ist. Da gibt es schöne Wiesen, die zum Ausruhen einladen. Aber auch Abgründe, die mir den Atem rauben wollen. Da spüre ich Liebe, aber auch Ablehnung. Da ist Wahrheit, aber auch Lüge. Da ist Vertrauen, aber immer wieder auch Skepsis und Misstrauen. Schönes und Dunkles – und das alles in meinem Herzen, das alles in mir drin. Und so ist es auch bei jedem anderen Menschen, der uns begegnet. Jede Begegnung ist eine Momentaufnahme einer langen Reise, die er mit sich selbst, Gott und anderen Menschen begeht. Was für eine Anmaßung also, Menschen und ihr Leben aufgrund eines ersten Eindrucks zu bewerten!

In 1. Könige 8,39 steht ein sehr weiser Satz: „Denn du (Gott) allein kennst das menschliche Herz.“ Gott schaut Menschen nicht bis zum Shirt und zur Frisur an – er schaut tiefer. Er schaut rein in die große Herzenswelt jedes Einzelnen und erkennt alles, was sich da drin verbirgt. Jede Sehnsucht, jede Hoffnung, jeden Schmerz und jeden Frust. Seine Augen erfassen die innere Welt jedes Menschen. Und Gott kennt sich aus – mit Menschen und mit Herzen. Da wo wir an eigene Grenzen kommen, wenn es um unser eigenes Leben geht oder das Leben anderer, da gibt es für Gott keine Grenzen. Er schaut jedes Herz intensiv an und er liebt es. Nicht, weil er so beeindruckt davon wäre, wie schön unsere Herzen sind. Aber er liebt es, weil es zu einem Menschen gehört, den er erschaffen hat. Gott liebt. Auch mich, wenn ich mich selbst gerade nicht lieben kann. Und auch jeden anderen, den ich für mich vielleicht schon längst aussortiert und in eine Schublade gesteckt habe. Gott kennt und liebt. Wenn das keine heilsame Nachricht ist!