Können wir inmitten gesundheitlicher Herausforderungen zu einer anderen Sicht auf Gesundheit und Krankheit, auf Grenzen und Chancen finden? Dr. Dietmar Pfennighaus vom „Ganzheitlichen Gesundheitshaus“ in Marburg ist überzeugt, dass uns Körper und Seele jede Menge Ressourcen zur Verfügung stellen, die uns auch jenseits vollkommener Gesundheit neue Wege eröffnen.

 

 

Wir entscheiden ständig zwischen unterschiedlichen Perspektiven. Die Alternativen kann man so zusammenfassen: „Zwei Menschen schauen durchs Gitter in die Ferne. Der eine sieht Morast – der andere Sterne.“

Ich frage mich und auch Sie: Worauf schauen wir durch das Gitter unseres zuweilen einengenden Alltags? Worauf konzentrieren wir uns beim Thema „Gesundheit“? Gewöhnlich sind wir eher auf den Morast möglicher oder tatsächlicher Krankheiten fixiert. Doch ein Aufschauen zu unseren gesunden Anteilen ist immer möglich. Daraus ergibt sich maßgeblich, wie gesund wir uns fühlen.

 

Das ist eine gute Nachricht. Denn unsere Befindlichkeit ergibt sich nicht zwangsläufig aus medizinischen Werten und Aussagen. Wir sind frei, auf unsere Ressourcen zu schauen. Natürlich muss uns der Arzt fragen: „Was fehlt Ihnen?“ Doch es ist zu schade, dass uns niemand auf das Potenzial des Körpers und der Seele anspricht, über das wir längst verfügen, um gesundheitliche Beeinträchtigungen zu überwinden oder gleich zu verhindern. Vier Einstellungen helfen, mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen konstruktiv umzugehen.

 

 

Feststellung Nr. 1: „Größtenteils bin ich gesund“

Wir haben ein klar umrissenes Bild, welche Störungen als Krankheit gelten. Doch wenn Gesundheit so wichtig ist, dass es uns bei den guten Wünschen zum Neuen Jahr oft als erstes einfällt: Was umfasst sie und was gehört dazu? Was an mir ist gesund und was nicht?

 

Jemand begegnet einem Hippie und sagt: „Sie haben einen Schuh verloren.“ Doch der antwortet: „Nein, ich habe einen gefunden!“ Es kommt also ganz darauf an, dass wir uns auf das konzentrieren, was wir vorfinden. Meist schauen wir mehr auf die Defizite als auf das, was uns an Gutem gegeben ist. Für eine ausgewogene Wahrnehmung sollten wir jedoch unbedingt gegensteuern und immer wieder auf unsere gesunden Anteile schauen.

 

Auch in von Krankheit geprägten Zeiten ist wahrscheinlich immer noch der überwiegende Teil Ihres Körpers und Ihrer Seele gesund. Damit können Sie das Glas Ihrer Gesundheit als wenigstens halbvoll betrachten – und nicht als halbleer. Um sich dessen sicher zu sein, sollten Sie sich auf Ihre gesunden Anteile mindestens so stark konzentrieren wie auf Krankheiten, die Sie oder andere haben (könnten).

Einer an Krebs erkrankten Frau wurde immer wieder gesagt, dass ihr das Schlimmste widerfahren sei. Sie schrieb ihre Antwort auf einen Zettel: „Das ist nicht das Schlimmste, was passieren könnte. Der Krebs ist so beschränkt. Er kann nicht die Liebe verstümmeln, nicht die Hoffnung erschüttern, den Glauben zersetzen, den Frieden zerfressen, das Vertrauen zerstören, die Freundschaft töten, die Erinnerungen ausschließen, den Mut zum Schweigen bringen, den Geist dämpfen oder die Kraft von Jesus abschwächen!“ (aus: Pete Greig, „Offline“, S. 120)

 

Stellen Sie sich vor Augen, was an Ihnen gesund ist, das heißt was an Körper, Seele und Geist ausgewogen und ohne Beeinträchtigungen unterwegs ist. Und im Hinblick auf Ihre Beschwerden beachten Sie, welche körperlichen und seelischen Kräfte ihnen entgegenstehen. Halten Sie sich eine konkrete Situation vor Augen, die Sie gesundheitlich oder anderweitig beeinträchtigt. Nun öffnen Sie die Hände wie die Waagschalen einer Apotheker-Waage. Legen Sie in die eine Hand „Was sie mir nimmt“ im Hinblick auf diese Situation und in der anderen Hand wägen Sie „Was sie mir lässt“. Beobachten Sie, dass beides da ist. Was ist gewichtiger? Worauf wollen Sie noch ein bisschen mehr Ihre Aufmerksamkeit richten?

 

 

Feststellung Nr. 2: „Ich bin vollständig ausgestattet“

Wir fühlen uns immer wieder unvollständig. Dieses Gefühl wird durch Erfahrungen verstärkt, bei denen in unserem ach-so-zerstückelten Alltag oft jeweils nur ein kleiner Teil von uns abgefragt wird: unsere Arbeits- oder Kaufkraft, unser Wissen oder eine andere Fähigkeit. Doch selbst wenn andere uns nicht stets als ganzen Menschen wahrnehmen – wir sind und bleiben ganz und gar vollständig.

 

Vieles in dieser Welt ist nicht komplett. Doch wir selbst sind mit allem auf die Welt gekommen, das wir zum Leben brauchten. Wir hatten ganz zu Anfang auch nicht den Eindruck, dass uns irgendetwas fehlt, und genaugenommen ist das immer noch so. Wenn wir uns einmal von der Kopfhaut bis zu den Zehenspitzen wahrnehmen, können wir feststellen, dass alles, was für unser Sein notwendig ist, vorhanden ist. Und sollte inzwischen irgendetwas an unserem Körper abhandengekommen sein, sind andere Teile unseres Leibes darauf aus, den Verlust auszugleichen.

 

Besinnen Sie sich nach dem Aufwachen als erstes auf Ihre Vollständigkeit. Es ist alles da, was Sie brauchen, um sich den Herausforderungen des Tages zu stellen.

Auch in unserer Seele existiert ein Netzwerk gegenseitiger Unterstützung. Entsteht eine Herausforderung wie zum Beispiel das Betrauern eines Verlustes, versuchen andere Aspekte unseres Seelenlebens zu verhindern, dass wir nicht in der Schwere versinken.

 

Ebenso gibt es eine Verflechtung zwischen Leib und Seele. Wenn unser Körper leidet, will die Seele etwas Aufmunterndes entgegensetzen. Sie kann auf die immer noch vorhandenen schönen Seiten aufmerksam machen und vieles mehr. Wilhelm von Humboldt drückte es so aus: „Es ist unglaublich, wie viel Kraft die Seele dem Körper zu leihen vermag.“

 

 Foto: Dean Drobot / Shutterstock.com

Foto: Dean Drobot / Shutterstock.com

 

In diesem Unterstützungsnetzwerk gibt es natürlich keine Einbahnstraße. Ist die Seele beschwert, bietet sich der Körper an, etwas angenehm zu spüren. In diesem Moment muss sich das für unser Bewusstsein Belastende hintenanstellen.

Gehen Sie davon aus, dass das große und schon Ihr Leben lang eingespielte Team Ihres Körpers und Ihrer Seele versammelt ist, um Ihnen jetzt und in jedem weiteren Moment Ihres Lebens zu dienen. Dieses Team ist vollständig oder zumindest vollständig genug. Wenn Sie das bezweifeln, überprüfen Sie es, indem Sie mit Ihrer Aufmerksamkeit durch Ihren Körper wandern.

 

→ Beobachten Sie, inwieweit Sie über Bewegungsfähigkeit verfügen und sinnen Sie darüber nach, wie dazu ein Orchester von Knochen, Gelenken, Muskeln, Sehnen, Nerven im Einsatz ist.

→ Achten Sie auf Ihren Atem und führen Sie sich vor Augen, wie alle Zellen Ihres Körpers darin kooperieren.

→ Denken Sie an Ihre Verdauung, die ebenso ein großes Kooperationswerk ist.

→ Nun denken Sie an Ihre Sinnesorgane, die zusammenspielen, damit Sie die Welt wahrnehmen können.

 

Beobachten Sie also, was Ihnen alles zur Verfügung steht. Und selbst wenn etwas von dieser großen Organisation in Urlaub oder krank ist, geht es gut weiter. Ebenso stehen Ihnen gerade Seelenkräfte zur Verfügung, die Ihnen ermöglichen, etwas Wertvolles zu bewegen. Beobachten Sie, was gerade offensichtlich im Einsatz ist. Was erscheint Ihnen plausibel: Vorstellungskraft, Begeisterungsfähigkeit, Freude, Einfühlungsvermögen, Zuversicht, Kreativität oder gar Entdeckerfreude?

Besinnen Sie sich darum morgens nach dem Aufwachen als erstes auf Ihre Vollständigkeit. Es ist alles da, was Sie brauchen, um sich den Herausforderungen dieses Tages zu stellen. 

 

Feststellung Nr. 3: „Ich altere nicht – ich reife“

Viele Menschen nehmen das Älterwerden nur in Kauf, weil es die einzige Möglichkeit ist, lange zu leben. Doch wir können so darauf zugehen, dass wir es als eine wertvolle Chance betrachten. Altersvorsorge ist ein vielbewegtes Thema. Allerdings werden darunter in der Regel nur finanzielle Angelegenheiten verstanden – ganz als wäre Geld die entscheidende Voraussetzung für Glück und Zufriedenheit. Darum sollte sie auch eine „Altersvorsorge für die Seele“ ins Gespräch bringen, das ein versöhntes Verhältnis zum Älterwerden fördert.

 

Welche Sicht auf das Leben hilft nun weiter? Leben ist von unaufhörlichem Wachstum bestimmt. Das können wir ständig in der Natur beobachten. Für uns selbst ist es zu Anfang unseres Lebens auffällig. Doch an dem Grundprinzip hat sich nichts geändert.
Das Gute am Wachstum ist, dass es auf Wandlung ausgerichtet ist. Das Kind, das im Mutterleib ein Wachstumsstadium erreicht hat, kann dort nicht verbleiben und muss sich wandeln. Und das gilt auch für alle weiteren Entwicklungsschritte.

 

Ist Ihnen bewusst, wie Sie sich ständig erneuern? Ihr Schöpfer hat dafür Vorsorge getroffen. Wenn sich Ihre Haut nicht ständig erneuern würde, verginge Ihnen völlig der Spaß, sich anzuschauen. In jeder Zelle steckt ein Kraftwerk der Regeneration. Ebenso reinigt sich Ihre Seele ständig von Belastendem. Sie erhebt sich immer wieder aus der Asche von Niederlagen und Versagen.

 

 

Ist Ihnen bewusst, wie Sie sich ständig erneuern? Ihr Schöpfer hat dafür Vorsorge getroffen.

Bestimmte Bibeltexte sind mir erst in der zweiten Lebenshälfte wichtig geworden. Dazu gehört dieser: „Darum werden wir nicht müde; sondern wenn auch unser äußerer Mensch verfällt, so wird doch der innere von Tag zu Tag erneuert“ (2. Korinther 4, 16). Es gibt also eine Gegenbewegung zu dem äußeren Verfall. Was für eine gruselige Vorstellung wäre es, wenn alle Zielverfehlungen – oder biblisch ausgedrückt „Sünden“ – wie eine Kette wären, die um unseren Hals liegt und ständig neue Kettenglieder dazu kämen! Doch so ist es gerade nicht!

 

Nähern Sie sich einmal dem Gedanken, dass auch heute ein Prozess der inneren Erneuerung stattfindet. Was könnte darauf hinweisen? Wo fühlt sich etwas ein klein wenig leichter an als gestern? Und wenn Sie es noch nicht bemerken können (so wie uns manche Erneuerungsprozesse entgehen): Sie können sich dennoch sicher sein, dass Gott in Ihnen am Werk ist. Zumindest haben Sie die Bereitschaft zur Erneuerung in sich. Sehen Sie das als Kapital an.

 

 

Feststellung Nr. 4: „Mein innerer Kern bleibt stets gesund“

Als Gott den Menschen nach seinem Bilde schuf, hat er viel von sich selbst in die Krönung seiner Schöpfung hineingelegt. Dieses Bild von Gott in uns ist zwar entstellt, so dass wir es ohne eine entsprechende „Brille“ oft nur noch mit Mühe erkennen – aber es ist keineswegs verlorengegangen. So gehören Wesenszüge zu unserer Persönlichkeit, die wir nicht hätten, wenn Gott sie nicht schon vorher gehabt hätte. Sie sind gewissermaßen der „heilige Kern“ unseres Seins. Heilig deshalb, weil wir sie nicht produzieren können, sondern sie aus Gottes Wesen resultieren. Heilig, weil sie Gott für uns ausgesucht hat. Und schließlich und ganz entscheidend heilig, weil sie unantastbar sind. Denn die Krisen und Katastrophen auf unserem Lebensweg können zwar bewirken, dass diese Eigenschaften gerade nicht mehr spürbar und sichtbar sind. Doch sie können von diesen Ereignissen keinesfalls ausgelöscht werden. Sie stehen unter dem Schutz Gottes, so dass sie in uns bleiben, um unter bestimmten Voraussetzungen zum Vorschein zu kommen und sich zu entfalten. Das bedeutet im Klartext: Was auch immer mich an Krankheit ereilen sollte – der innere Kern meiner Persönlichkeit kann nicht krank werden.

 

Machen Sie sich darum auf die Suche nach den Schätzen! Das kann jeder von uns immer wieder tun. Ein paar seien an dieser Stelle genannt:

Das Vertrauen hat die Gehilfinnen Gelassenheit, Entdeckerfreude, Zufriedenheit, Dankbarkeit und Geduld.

Der Orientierungssinn ist von Entscheidungsfreiheit, Vorstellungskraft, Hoffnung, Zielstrebigkeit und Begeisterungsfähigkeit flankiert.

Die Liebe bringt Treue, Feinfühligkeit, Barmherzigkeit, Besonnenheit und Herzensweisheit mit sich.

Die Leichtigkeit wird von Kreativität, Lebendigkeit, Humor, Schönheitssinn und Genussfähigkeit unterstützt.

 

Lassen Sie sich von ihnen auf Ihrer Entdeckungsreise inspirieren! Denn Gesundheit ist auch Ansichtssache.

Dr. Dietmar Pfennighaus

leitet zusammen mit seiner Frau Ruth das „Ganzheitliche Gesundheitshaus“ in Marburg. Dort werden Menschen durch Seminare und Beratung in ihren gesundheitlichen Herausforderungen gestärkt. Dieser Artikel bietet einen kleinen Einblick in die Ausrichtung dieser Arbeit.

 

www.ge-haus.de

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