„Mir fällt es immer wieder schwer, nein zu sagen. Es verunsichert mich und oft habe ich Angst, dass mein Gegenüber mich nicht versteht oder ich jemanden damit verletze. Also sage ich dann manchmal einfach ja und ärgere mich nachher darüber. Gerade in diesen Corona-Zeiten ist es mir so wichtig, auch einmal mutig nein zu sagen. Was kann ich tun?“

 

 

Ein Nein zu formulieren fordert uns heraus, unsere eigenen Grenzen wahrzunehmen und vertreten zu können. Neben der sachlichen Ebene kommunizieren wir jedoch zusätzlich auch noch auf der Beziehungsebene. Das geschieht ganz ohne Worte, also nonverbal. Da wird aus unserem „Ich kann leider nicht zu deinem Geburtstag kommen“ beim Empfänger vielleicht ein „Du bist mir nicht so wichtig!“ Wir brauchen daher ein Nein, das unsere Bedürfnisse und Wünsche verteidigen kann, gleichzeitig aber das Ziel hat, Beziehungen zu erhalten und zu stärken. Dafür sind zwei Grundlagen wichtig:

 

 

Ein Ja zu uns selbst

 

Um ein Nein formulieren zu können, brauchen wir erst einmal ein Ja zu uns selbst. Ein Ja zu uns und unseren Grenzen. Dieses Ja basiert auf dem Ja Gottes zu uns: „So, wie du bist – auch mit deinen Grenzen – bist du okay! So wie du bist, bist du wertgeachtet und geliebt!“ (siehe auch 1. Johannes 4,9–10)

 

Unsere Ziele, Wünsche und Bedürfnisse haben Berechtigung: Sie haben ein Recht vorzukommen. Wir dürfen lernen, sie wahrzunehmen, um sie formulieren und nach außen hin mit gutem Gewissen vertreten zu können. Dabei tragen wir allein die Verantwortung dafür, niemand anderes wird dies für uns übernehmen.

 

Unser Nein lädt uns also zu einem stabileren Selbstbewusstsein ein. Wir dürfen es uns wert sein, uns unserer selbst bewusst zu sein, also ganz bei uns zu sein. „Was ist mir wichtig?“, „Was will ich erreichen?“

 

 

Ein Ja zum Gegenüber

 

Ein Nein, das den anderen nicht vor den Kopf stößt, benötigt auch ein Ja zum Gegenüber. Gottes Ja zu uns gilt auch für den anderen. Wir begegnen unseren Mitmenschen, die ebenfalls ihre Bedürfnisse, Wünsche, Ziele und Grenzen mit sich bringen. Begegnen wir diesen Bedürfnissen und Zielen mit einem Nein, werden wir eventuell für Irritation und Misstrauen sorgen. Aber auch das darf sein.

 

Wichtig ist dann jedoch, dass wir unser Gegenüber mit diesen negativen Emotionen nicht stehen lassen, weil wir ganz mit uns selbst beschäftigt bleiben. Wir dürfen lernen, auch ganz bei dem anderen zu sein und seine Bedürfnisse, Wünsche und Ziele wahrzunehmen.

 

Das könnte zum Beispiel so aussehen: Mein Mann plant am Wochenende spontan eine Tagestour mit dem Fahrrad, ich merke jedoch, dass meine eigenen Kräfte gerade nicht ausreichen, um dann allein für die Familienangelegenheiten und die Kinder zu sorgen. Also sage ich: „Ich kann dein Bedürfnis verstehen. Du brauchst Zeit für dich allein, den Sport und die Natur. Ich würde es gerne unterstützen, aber ich merke, dass ich diese Woche damit weit über meine Grenze gehen würde. Mir geht es gesundheitlich nicht so gut und ich hatte sehr viel Stress in dieser Woche. Wäre es möglich, dass wir dein Vorhaben verschieben und einen Alternativ-Termin finden?“

Eine Beziehung, die den anderen in seinen Bedürfnissen wahrnimmt und ihm Wertschätzung entgegenbringt, kann ein Nein aushalten und wird zu einer tragfähigen Beziehung.

Eine Beziehung, die den anderen in seinen Bedürfnissen wahrnimmt und ihm Wertschätzung entgegenbringt, kann ein Nein aushalten und wird zu einer tragfähigen Beziehung. In unserem klaren Ja und unserem eindeutigen Nein liegt Vertrauen. Wir schaffen Ehrlichkeit und Verlässlichkeit. Ganz praktisch kann das so aussehen:

 

 

1. Um nein zu sagen, brauchen wir Vorbereitungszeit

Um unsere eigenen Bedürfnisse und Wünsche wahrzunehmen, brauchen wir Zeit. Gerade dann, wenn wir darin nicht geübt sind. Daher ist es hilfreich, uns diese Zeit zu verschaffen: „Ich denke darüber nach und melde mich morgen bei dir.“ Diese Vorbereitungszeit dürfen wir nun nutzen, um uns Folgendes bewusst zu machen:

 

2. Unsere eigenen Bedürfnisse und Wünsche wahrnehmen

Hinter unserem Nein steckt auch immer ein Ja. Ein Ja zu unseren Bedürfnissen, unseren Wünschen und Werten. „Nein, ich möchte dich zur Begrüßung nicht in den Arm nehmen, weil es mir wichtig ist, dich und mich vor Ansteckung zu schützen!“

→ „Was ist mir wichtig?“

→ „Was wünsche ich mir?“

→ „Welche Werte vertrete ich?“

 

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3. Unsere Motivation prüfen

→ Schmeichelt mir die Anfrage und neige ich daher eher dazu, ein Ja zu sagen? Wenn ja: Ist das so okay für mich?

→ Ist mein Bedürfnis, gebraucht zu werden, angesprochen?
→ Was vermittle ich meinem Gegenüber, wenn ich ja sage?
→ Sage ich ja, um einem Konflikt aus dem Weg zu gehen?

 

 

4. Konsequenzen abwägen

→ Habe ich Angst vor Ablehnung? Was macht das mit mir?

→ Habe ich Angst, etwas zu verpassen? Was wäre schlimm daran?

→ Wenn ich nein sage, kann das Ärger bedeuten. Bin ich bereit dazu? Kann ich die Konsequenten mittragen?

 

Uns diesen Fragen zu stellen hilft uns dabei, in unserer Entscheidungsfindung aktiv zu bleiben. Wir geraten nicht passiv in Situationen, die wir uns gar nicht ausgesucht haben. Je bewusster wir uns unserer Bedürfnisse und Werte sind, desto mehr haben wir gegebenenfalls übrigens auch die Freiheit, sie bewusst zurückzustellen oder auf sie verzichten zu können.

 

5. Unser Nein formulieren

Je klarer wir uns in unserer Entscheidungsfindung sind, umso leichter können wir gegebenenfalls auch unser Nein formulieren und aushalten. „Unser Ja sei ein Ja, unser Nein ein Nein“, heißt es in der Bibel (Jakobus 5,2). Klarheit schafft Vertrauen und Verlässlichkeit. Und wie bei so vielem anderen gilt auch hier: Weniger ist mehr.

 

 

Zur Vertiefung: „Das verbindende Nein: Misstrauen überwinden – Vertrauen finden“, Werner May, 136 Seiten, EUR 8,90, J. H. Röll Verlag

 

 

→ Lesen Sie ebenfalls von Georgia Mix:  „Wie finde ich vom Sorgen zum Vertrauen?“

Georgia Mix

ist als christliche Beraterin, Referentin und Autorin tätig und leitet die Seelsorgepraxis ihrer Gemeinde. Sie ist verheiratet und Mutter dreier Töchter. Gemeinsam mit ihrem Mann Holger hat sie „KostPAARZeiten – Ein Andachtsbuch für Frischverheiratete“ verfasst sowie den dazugehörigen Adventskalender „KostPaarZeiten“ (beide erschienen bei SCM Hänssler).

 

 

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