„Ich mache mir andauernd Sorgen über alles Mögliche. Ich sorge mich um meine Kinder: Werden sie den Anforderungen in der Schule genügen? Haben sie gute Freunde? Sind sie selbstbewusst genug, sich durchzusetzen? Ich sorge mich um meinen Ehemann: Kann er die viele Verantwortung in seinem Job tragen? Ich sorge mich um meine immer älter werdenden Eltern, unsere finanzielle Situation, um die politische Lage, den Klimawandel, die Zukunft überhaupt und ob ich dem allem gerecht werden kann. Dieses ständige Sorgen belastet mich sehr. Was kann ich tun?“
Sorgen können uns manchmal ganz schön einnehmen. Sie können unsere gesamte Aufmerksamkeit fesseln und uns in unseren Gefühlen, Entscheidungen, unserem Denken und Handeln beeinflussen. Und damit vertreiben sie manchmal sogar jegliche Freude aus unserem Leben – wie dunkle Wolken, die sich am Himmel zusammenbrauen. Die deutsche Sprache drückt durch das Wort „sorgen“ zwei unterschiedliche Aspekte aus. Zum einen beschreibt es ein wertvolles Fürsorgen: Wir sorgen gut für jemanden. Wir kümmern uns verantwortungsvoll um etwas. Zum anderen drückt es ein Sich-Ängstigen aus: Ich sorge mich um jemanden! Ich habe Angst um sie oder ihn.
Unser Ängstigen kann dann so weit gehen, dass wir durch unser Sorgen wie blockiert, ja fast gefangen sind. Solch ein zerstörerisches Sorgen gleicht einem destruktiven Zersorgen. Die Vorsilbe „zer“ beschreibt dabei das Wörterbuch als eine „Vorsilbe, die eine Auflösung oder Zerstörung bezeichnet“. Wir sorgen uns nicht bloß, sondern wir lösen uns in der Sorge auf, unsere Sorge verliert seinen fürsorglichen Sinn und wirkt sich immer zerstörerischer auf unser Innenleben aus.
Wir sorgen uns nicht bloß, sondern wir lösen uns in der Sorge auf, werden innerlich davon zerstört.
Die Grenze zwischen fürsorglichem Sorgen und Zersorgen ist oft schwer zu ziehen. Wann ist meine Sorge um die schulischen Noten meiner Kinder eine gute Fürsorge und ab wann wird sie zu einem ängstlichen Druck, der mich selbst und die Kinder belastet und traktiert? Es ist ein schmaler Grat, dem wir ein wenig auf die Schliche kommen dürfen. Dazu helfen uns vielleicht folgende Schritte:
1. Sorgen bewusst wahrnehmen
Häufig schwirren uns unsere Sorgen unbewusst im Kopf umher. Es ist hilfreich, diese einmal konkret zu benennen. „Was genau ist es eigentlich, das mich besorgt?“ Vielleicht ist es förderlich, dass wir unsere Sorgen in bewussten Worten auf kleine Sorgen-Zettel notieren. Auf einem ersten Zettel könnte es dann heißen: „Ich sorge mich darum, dass meine Eltern immer pflegebedürftiger werden und nicht mehr alleine zurechtkomme.“ Auf ein anderen: „Ich sorge mich, dass meine Kinder später nicht den Beruf ihrer Wahl erwählen können, weil die schulischen Leistungen zu schlecht waren.“ Ein solch konkretes Benennen hilft uns dabei, uns bewusst zu machen, was genau uns eigentlich umtreibt und besorgt.
2. Zersorgen entlarven
„Deshalb habt keine Angst vor der Zukunft! Es ist doch genug, wenn jeder Tag seine eigenen Lasten hat. Gott wird auch morgen für euch sorgen“, sagt Jesus zu seinen Nachfolgern in Matthäus 6,34 (Hfa). Gott lädt uns ein, dass wir aus diesen vielen Sorgen(-Zetteln) erst einmal all die aussieben, die uns in fiktiven, negativen (Zukunfts-)Gedanken binden und uns lediglich zum Zersorgen bringen: Was wäre, wenn mein Mann die Last der Verantwortung im Job nicht länger tragen kann, er krank wird, seine Arbeit verliert, ihm die Rente gemindert wird, wir unser Haus nicht halten können, usw.? Diese destruktiven Zukunfts-Szenarien dienen oft nur einer innerlichen Panikmache, anstatt einer konstruktiven Auseinandersetzung. Wir dürfen sie getrost ablegen, im Vertrauen darauf, dass Gott auch morgen für uns sorgen wird. Und so unsere Aufmerksamkeit auf das lenken, was heute relevant und wichtig ist.
3. Loslassen und Annehmen
„All eure Sorgen werft auf ihn, denn er sorgt für euch“, ermutigt uns der Apostel Petrus (1. Petrus 5,7). Um aus dem zerstörerischen Zersorgen zu einem wertvollen Fürsorgen zu gelangen, sind wir nun eingeladen, Gott unsere verbleibenden Sorgen hinzuhalten, der uns zusagt: „Ich sorge für dich!“ Und stünde er neben uns, vielleicht hinzufügen würde: „Denn du bist mir wichtig, mein Kind! Ich weiß, wie schwer die Last der Sorge wiegt und möchte sie gerne für dich tragen, damit du befreiter leben kannst. Weil ich dich liebe und ich mich gerne liebevoll um dich sorge.“
Wir sind eingeladen, unsere Sorgen in diese Hände loszulassen, ja sogar zu werfen, wie eine Last, die uns untragbar wird: „Gott, hier gebe ich dir meine Sorgen: Die Englisch-Arbeit meiner Tochter heute, die gesundheitliche Situation meiner Eltern, meinen finanziellen Engpass. Im Vertrauen darauf, dass du dich um uns sorgst.“ Im Loslassen unserer Sorgen, dürfen wir auch die ängstliche Belastung ablegen, um wiederum verantwortungsvoll das entgegenzunehmen, was unserer Verantwortung entspricht. Wir müssen uns nicht länger von der Angst treiben lassen, sondern dürfen beginnen, uns unseren Herausforderungen aktiv zu stellen, indem wir beispielsweise mit unseren Kindern gute Unterstützung in der Schule organisieren, im Gespräch mit unseren Eltern sind, welche Hilfe sie wirklich brauchen, und so weiter.
Wir sind eingeladen, unsere Sorgen in Gottes Hände loszulassen, ja sogar zu werfen.
Und wir dürfen unsere Sorgen in Gottes Hände loslassen, um zu erleben, wie Gott für uns sorgt, und eine Ahnung davon zu bekommen, wie achtsame Fürsorge aussehen kann. Das bedeutet nicht, dass meine Tochter heute eine Eins in Englisch schreiben muss, oder meine Eltern sofort wieder gesund sind. Aber es bedeutet, dass wir unser ängstliches Sorgen dem geben, der uns sein göttliches Fürsorgen schenken will.
Um diese göttliche Fürsorge immer mehr wahrzunehmen, sind wir eingeladen zu einem kleinen praktischen Abendritual: Am Abend dürfen wir im Gebet auf den Tag zurückblicken. Und dabei dankbar auf das sehen, was an diesem Tag gut gelaufen ist, was uns Freude bereitet hat und wo wir Gottes gute Fürsorge erleben durften. Denn in dem Maß, in dem wir sein fürsorgliches Sorgen im Rückblick wahrnehmen können, werden wir ermutigt werden, unsere Sorgen auch in Zukunft immer wieder an ihn loszulassen.