MINDO: Herr Metz, ein heilsamer Glaube, der wohltuende und heilende Impulse in unser Leben bringt – wie sieht der aus?

 

HEIKO METZ: Ein heilsamer Glaube gibt Raum. Raum für Zweifel, Fragen, Verletzlichkeit. Er setzt mich nicht unter Druck, perfekt sein zu müssen, sondern lädt mich ein, einfach ich selbst zu sein. Genau so, wie ich bin. Und er begegnet mir da, wo ich gerade stehe – in den kleinen Momenten des Alltags: in einem stillen Gebet, einem tiefen Gespräch oder einfach in dem Gefühl, dass Gott mich hält.

 

Ich habe gelernt: Heilsamer Glaube hat nichts mit Kontrolle oder Leistung zu tun. Es geht darum, ehrlich hinzuschauen, wo ich verletzt bin, und zu entdecken, dass gerade diese Verletzungen Orte der Begegnung mit Gott sein können. Ein Glaube, der mich aufrichtet, mich ganz annimmt und mir immer wieder zeigt: Gottes Liebe ist da. Ohne Wenn und Aber.

 

Das habe ich in einer schwierigen Phase meines Lebens erfahren. Während meines Burn-outs war nichts mehr leicht. Alles war schwer. Alles zerbrach. Und genau da habe ich gespürt: Gott setzt mich nicht unter Druck. Er hält mich einfach. Ich durfte erkennen: Ich muss nicht stark sein, um geliebt zu werden. Ich darf einfach sein.

 

 

Kritisch nachfragt: Ist der Wunsch, dass Glaube vor allem auch guttun muss, dem heutigen Zeitgeist geschuldet – oder ist das biblische Wahrheit?

 

HEIKO METZ: Für mich ist das tief biblisch. Jesus sagt: „Ich bin gekommen, damit sie das Leben haben und es in Fülle haben“ (Johannes 10,10). Es geht um Heilung. Um ein Leben in Beziehung – mit Gott, mit anderen Menschen und mit mir selbst. Ein Glaube, der belastet oder kleinmacht, hat sich von dieser guten Nachricht entfernt.

 

Heilung ist der Kern des Glaubens. Jesus begegnet Menschen mit einer Liebe, die nichts fordert, sondern einfach annimmt. Diese Liebe macht ganz. Sie führt in die Freiheit. Und ja, sie fordert uns auch heraus. Heilsamer Glaube zeigt mir, wo ich gerade stehe, und lädt mich ein, weiterzugehen.

 

Natürlich spüre ich, dass der Wunsch nach einem Glauben, der guttut, heute besonders stark ist. Viele Menschen haben ein belastendes Gottesbild und kämpfen mit ihrer Geschichte. Aber genau darin sehe ich eine Chance: Glaube, wie Jesus ihn vorgelebt hat, verbindet. Er führt uns in die Ganzheit, in die Freiheit, in die Liebe. Und das ist heute genauso relevant wie damals.

Heilung ist der Kern des Glaubens.

Welche ungesunden, vielleicht sogar krankmachenden Glaubenssätze und Gottesbilder sind Ihrer Beobachtung nach denn am weitesten verbreitet?

 

HEIKO METZ: Viele Menschen denken: „Ich muss etwas leisten, damit Gott mich liebt.“ Gott wird dabei wie ein strenger Chef gesehen, der nur zufrieden ist, wenn ich perfekt funktioniere. Aber ganz ehrlich: Das macht müde. Das engt ein. Glaube, der so aussieht, hat mit dem Gott, den ich in Jesus kennengelernt habe, nichts zu tun.

 

Oft begegnet mir auch das Bild eines strafenden Gottes, der meine Fehler zählt. Wie viel Angst und Scham das verursacht! Aber Jesus zeigt uns einen Gott mit offenen Armen. Voller Liebe. Ohne erhobenen Zeigefinger.

 

Was ich auch oft sehe, ist dieses Denken in Schubladen: Gott ist „da oben“, der Alltag ist „weltlich“. Aber das trennt uns von Gott. Ein heilsamer Glaube sprengt diese Muster auf. Er zeigt: Gott ist hier. Mitten in meinem Chaos, in meiner Freude, in meinem Schmerz. In allem. Und genau da will er mir begegnen.

 

 

Nun werfen Kritiker dem christlichen Glauben gern vor, dass er nicht heilsam sei, sondern im Gegenteil: dass er Menschen unfrei mache und manchmal sogar krank. Was entgegnen Sie?

 

HEIKO METZ: Ich verstehe, woher diese Kritik kommt. Es gibt leider viele Geschichten, in denen Glaube für Kontrolle und Macht missbraucht wurde. Glaube, der nicht heilt, hat oft mehr mit Menschen als mit Gott zu tun. Das Problem ist nicht der Glaube selbst, sondern das, was wir daraus gemacht haben.

 

Über Jahrhunderte wurde Glaube genutzt, um Strukturen zu stützen, die unfrei machen – patriarchale Macht, Rassismus, Behindertenfeindlichkeit, Sexismus. Aber das ist nicht der Gott, von dem Jesus spricht. Seine Botschaft war radikal: Glaube heilt. Glaube schenkt Freiheit. Glaube gibt Würde.

 

Gerade Menschen am Rand hat Jesus in die Mitte gerückt. Er hat ihnen gezeigt: Du bist gesehen. Du bist geliebt. Du bist wichtig. Doch diese befreiende Botschaft wurde oft verdeckt von Strukturen, die den Glauben als Machtinstrument missbraucht haben.

 

Ein Glaube, der heilt, zeigt mir: Ich bin angenommen – mit all meinen Schwächen und Fehlern. Es geht darum, den Glauben zu leben, der aufrichtet. „Wo der Geist des Herrn ist, da ist Freiheit“, sagt Paulus im zweiten Korintherbrief. Und genau diese Freiheit wünsche ich jedem Menschen.

Über Jahrhunderte wurde Glaube genutzt, um Strukturen zu stützen, die unfrei machen. Aber das ist nicht der Gott, von dem Jesus spricht.

Wenn jemand bemerkt, dass sein Glaube ihn mehr verletzt, als dass er ihn heil macht – was raten Sie?

 

HEIKO METZ: Dann ist es Zeit, ehrlich hinzuschauen: Welche Bilder trage ich in mir? Ist es das Bild eines strafenden Gottes, der mich nie ganz annimmt? Sind es Stimmen, die mir sagen, dass ich nicht genüge? Oft haben diese Dinge mehr mit uns zu tun als mit Gott. Doch das Gute ist: Du darfst sie loslassen.

 

Gott ist nicht in den Stimmen, die Angst machen oder dich kleinhalten. Gott ist in der Liebe, die heilt und trägt. Nimm dir Zeit, ihm neu zu begegnen. Vielleicht in einem Gebet, in der Stille oder in einem ehrlichen Gespräch mit dir selbst. Und wenn das schwerfällt, such dir jemanden, der dich begleitet.

 

Manchmal hilft es auch, neue Geschichten zu finden – andere Bilder von Gott. Ein heilsamer Glaube erzählt dir Geschichten von Annahme, von Stärke, von einem Gott, der für dich ist. Gib dir Zeit, diese neuen Erlebnisse zu entdecken. Denn heilsamer Glaube entsteht selten allein. Er braucht Gemeinschaft, Liebe und Vertrauen.

 

 

Und in welchem Bereich Ihres Lebens hat der Glaube Sie ganz persönlich heiler gemacht?

 

HEIKO METZ: Der Glaube hat mich von diesem ständigen Gefühl befreit, immer leisten zu müssen. Ich dachte lange, dass ich nur dann etwas wert bin – auch vor Gott –, wenn ich perfekt funktioniere. Aber dann durfte ich lernen: Ich darf einfach sein. Das hat mich innerlich zur Ruhe kommen lassen.

 

Eine der schönsten Erfahrungen, die mir der Glaube geschenkt hat, ist die Freiheit, auch mal gegen den Strom zu schwimmen. Ich habe gelernt, alte Denkmuster loszulassen, Dinge zu hinterfragen und neue Wege zu gehen.

 

Besonders verändert hat mich das Leben mit meinem behinderten Kind. Ich habe gelernt, dass das Leben nicht perfekt sein muss, um erfüllt zu sein. Gott nimmt die Herausforderungen nicht immer weg, aber er trägt uns mitten hindurch. Diese Erfahrung hat mich gelehrt, die Schönheit im Unvollkommenen zu sehen.

 

Glaube hat mich geheilt, weil er mir neue Geschichten geschenkt hat – Geschichten von Liebe, Freiheit und Annahme. Diese Geschichten haben meinen Glauben verändert – und mein ganzes Leben.

 

 

Vielen Dank für Ihre Zeit.

 

Die Fragen stellte Sabine Müller.

 

 

HEIKO METZ

doppelt Papa, ein bisschen Theologe, immer wieder Autor und mehr als gerne Dozent. Redaktionsleiter bei der „Stiftung Marburger Medien“. Außerdem: Bücher-Verschlinger, Gerne-Griller, Apple-Fanboy, Kaffe-Abhängiger. Und Marburger. Mehr unter www.heiko-metz.de, Instagram: @heikometz

 

 

 

 

 

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