Es ist zwar schon eine Weile her, aber ich kann mich noch sehr gut daran erinnern, als ich Pippi Langstrumpf-Filme über alles liebte. Ich saß vor unserem alten Röhrenfernseher und wollte am liebsten in das Gerät hineinschlüpfen. Es war spannend, es war Abenteuer pur, es war lustig. Und ich weiß noch gut, wie ich Annika und Tommy beneidet habe um so eine tolle Freundin. Am meisten beneidete ich sie darum, dass Pippi es sich zu Hause immer so gemütlich machte und sich für Annika und Tommy immer irgendetwas Besonderes einfallen ließ. Ich schmolz dahin! Eine Freundin, die so lustig und wild und auf der anderen Seite so fürsorglich war, die hätte ich auch gerne gehabt.

 

Mit sich selbst befreundet sein

Als ich erwachsen wurde, war ich sehr oft sehr fürsorglich. Als Krankenschwester war das meine erste Pflicht. Als Mutter und Ehefrau auch. Später als Selbstständige in meiner Beratungspraxis dann auch. Und erst als Mitglied einer dynamischen modernen Gemeinde … Ich konnte unglaublich fürsorglich sein! Für alle, für jede und jeden! Für jede?

 

Naja, für andere schon – nur leider nicht für mich! Ich wartete wahrscheinlich immer noch auf Pippi Langstrumpf, die fürsorglich zu mir ist. Ich habe viele gute Nerven meiner damaligen Seelsorgerin verbraten, die mühsam versuchte mir beizubringen, dass in erster Linie weder Pippi noch jemand anderes für mich sorgen würde. Sondern dass das meine ganz eigene Aufgabe, ja sogar meine Verantwortung ist. Wumms, da hatte ich die Bescherung! Da war sie plötzlich, die tolle und fürsorgliche Freundin: Ich war es selbst!

 

Zugegeben: Der Spagat zwischen christlicher Nächstenliebe (wie ich sie gelernt habe) und der Verantwortung für mich selbst und mein eigenes Wohlergehen war nicht über Nacht erledigt (ganz im Vertrauen: Ich übe immer noch!). Und auch wenn ich inzwischen ganz wundervoll anderen erklären kann, warum, wieso und weshalb es so wichtig ist, gut für sich zu sorgen, war und ist der Weg zwischen meinem Kopf und meinem Herzen einfach ein langer!

Selbstfürsorge ist unerlässlich, besonders für Menschen, die viel geben und leisten.

Neulich habe ich es geschafft: Ich nahm ein gesundes Mittagessen auf dem Balkon ein und gönnte mir anschließend noch einen Kaffee und ein Stückchen Schoggi. Sehr fein! Und für den Tag danach hatte ich mich auf einen Kaffee in der Stadt verabredet, einfach so! Damit hatte ich jene kleinen Momente geschaffen, die mir gut tun.

 

Gott, du – und ich!

Jesus hat uns die Selbstfürsorge ans Herz gelegt, als er sagte, dass das Gebot der Liebe in erster Linie Gott, unserem himmlischen Vater, gilt, aber in gleicher Weise auch unserem Nächsten und ebenso uns selbst. In Markus 6,31 empfiehlt er seinen Jüngern, sich nach einem anstrengenden Einsatz auszuruhen. Jesus selbst zog sich immer wieder zurück, obwohl es doch sicher mehr als genug zu tun gab. Er nahm für sich in Anspruch, Grenzen zu setzen.

 

Warum möchte ich also darin immer besser werden?

1. Es liegt in der Natur der Dinge, dass wir uns als erwachsene Menschen um uns selbst kümmern müssen. Die Vorstellung, dass ein anderer dafür zuständig ist, überfordert unser Gegenüber und schafft unnötig Konfliktpotenzial.

 

2. Selbstfürsorge ist Liebe zu sich selbst. Sie ist „Tempeldienst“ – nicht Egoismus!

 

3. In Balance sein, um anderen wieder Halt geben zu können, ist eine kluge und weise Entscheidung, die sich auf Dauer für alle auszahlt!

Wie aber kann ich es schaffen, am Thema „Selbstfürsorge“ dranzubleiben? Eigentlich ganz einfach:

1. WWJD? What would Jesus do? – Was würde Jesus tun? Ich mache mir immer wieder klar, was Jesus mir auch in diesem Punkt vorgelebt hat.

 

2. Ich lobe mich über den grünen Klee, wenn es mir mal wieder gelungen ist! Das erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass ich es wieder tue.

 

3. Und wenn es mir mal nicht gelungen ist, gilt das gute alte Motto „Hinfallen – Aufstehen – Krone richten – Weitergehen“!

Selbstfürsorge ist unerlässlich, besonders für Menschen, die viel geben und leisten. Man füllt seine Schale und lässt die anderen dann an dem, was überfließt, teilhaben, anstatt durch tausend kleine Löcher leerzulaufen. Und Selbstfürsorge spiegelt auch noch etwas anderes: „Ich weiß, dass ich wertvoll bin!“ – auch ich bin ein Teil der Schöpfung, die wir ja bewahren sollen. Das zu leben und anderen vorzuleben, ist eine der schönsten Aufgaben, die wir haben. Und dabei bitte Schulterklopfen und Krone-Richten nicht vergessen!

Karin Maurer

ist Verhaltenswissenschaftlerin, systemische Beraterin und Burnout-Coach. Ihre Seminare bietet sie on- und offline an oder lädt zu einer Auszeit in die Schweiz ein. 

 

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