„Keine Umarmungen, keine Nähe, kein Sex – als Single lebe ich in einem absoluten Defizit. Und Corona macht alles nur noch schlimmer!“ Diese Aussage schrieb mir eine Single-Frau kürzlich. Und ja, da habe ich im ersten Moment zugestimmt. Im zweiten aber schon nicht mehr. Singles und der ständige Mangel – ist das die Realität?

 

Ja, auf den ersten Blick auf jeden Fall. Was uns alles fehlt! So vieles, was Paare und Familien ganz selbstverständlich haben und genießen dürfen – mir mangelt es!

Nein, auf den zweiten Blick auf keinen Fall. Uns Singles fehlt nicht alles. Wir leben nicht in Defizit und Mangel – zumindest nicht mehr als andere.

 

Zwischen „Schon jetzt“ und „Noch nicht“

Biblisch-theologisch gesehen leben alle Menschen im Defizit. Wir haben wegen unserer Sündhaftigkeit den Himmel verloren, unsere Vollkommenheit und die uneingeschränkte Nähe und Gegenwart des himmlischen Vaters. Und auch wenn Weihnachten und Ostern von der großen Versöhnung zeugen, die ich persönlich im Glauben an Gott auch angenommen habe: Ich lebe auf dieser Erde im „Schon-jetzt-und-doch-noch-Nicht“: Schon jetzt erlebe ich die Nähe Gottes, schon jetzt sind mir alle meine Sünden vergeben – aber noch nicht habe ich die ewige, unmittelbare Nähe, und noch nicht lebe ich in der vollen Heiligung, weil ich auf dieser Erde eben immer noch auch die unvollkommene Frau bleibe. Das ist die Ambivalenz, in der ich lebe. Und die hilft mir auch beim Verstehen meines Singleseins.

Natürlich fehlt mir als Single eine Menge. Frage ich allerdings meine besten Freunde – die Verheirateten und Familienmenschen – nach ihrem Mangel, präsentieren sie mir eine ähnlich lange Liste.

Denn soziologisch gesehen liegen mein Defizit und Mangel im Auge des Betrachters: Natürlich fehlt mir eine Menge. Keine Umarmungen, kein Sex, keine Menschen, mit denen ich mein Leben teile und so weiter. Frage ich allerdings meine besten Freunde – die Verheirateten und Familienmenschen – nach ihrem Mangel, präsentieren sie mir eine ähnlich lange Liste. Und ich merke: Mangel und Defizit haben was mit meiner Einstellung und Perspektive zu tun.

 

Wie wäre es, wenn wir Singles (ihr Verheirateten und Familienmenschen gerne auch!) einfach mal wohltuend stur auf das schauen, was wir haben, was uns möglich ist? Und nicht bräsig und unglücklich auf das, was uns fehlt? Ich werbe an dieser Stelle gerne für die Führung eines „Kontoheftes“ mit einer Soll- und einer Haben-Seite:

 

→ Soll-Seite: Was fehlt dir, weil du Single bist?

→ Haben-Seite: Was hast du, was ist dir möglich, weil du Single bist?

 

Feiere deine Möglichkeiten!

Sei ehrlich! Mit dir und dem Rest der Welt. Betrauere und beweine deinen Mangel. Versuche, deinen Bedürfnissen zu begegnen (siehe Weiterlese-Tipps). Und dann feiere deine Möglichkeiten und merke: Das Leben wird leichter, schöner und fröhlicher, wenn du dankbar zelebrierst, was du hast und was möglich ist.

 

Ja, wir Singles leben in ständigem Defizit und Mangel. So wie alle anderen auch.

 

 

 

ZUM WEITERLESEN:

→ Für Gemeinschaft gemacht

→ Singles und Paare: Lasst uns einander aus unserem Leben erzählen

 

Tina Tschage

hat Theologie studiert und das Handwerkszeug der Redakteurin erlernt. Sie lebt als Single-Frau in einer christlichen Gemeinschaft in München und arbeitet freiberuflich als Coach, Speakerin und Autorin.

 

www.tina-tschage.de

  

www.trau-frau.de

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