Das Corona-Virus hat fast alles für fast alle verändert. Mitten in dieser beispiellosen Krise bemühen sich viele Menschen um Humor und trotzige Gelassenheit. Sie werden herrlich kreativ. Mit Erfindungsreichtum und Improvisationsvermögen trotzen sie allen Einschränkungen und Schwierigkeiten. Krisen versetzen uns in die Lage aus dem Stegreif neue, kreative Wege zur Lösung auftretender Probleme zu finden.

 

Unverhofft kommt oft und meistens anders als man gedacht und geplant hat. Lebenskonzepte und Alltagspläne werden von der Realität nicht nur in Coronazeiten durchkreuzt. Dann gilt es, sich erfinderisch durchzuwursteln. Improvisieren hilft, um unsere Ziele auch dann noch zu erreichen, wenn scheinbar gerade gewaltig etwas schiefläuft. Die gute Nachricht lautet: In uns allen steckt eine gehörige Portion Improvisationstalent.

 

Wenn Krisen beflügeln

Da kommen in einer Hochhaussiedlung findige Nachbarn auf die Idee, Hilfsangebote per Zettel in den Treppenhäusern anzubieten. Der Inhaber eines Ladens nutzt die Zeit der Schließung für eine Inventur und räumt gründlich auf. Eine Kirchengemeinde lädt für Donnerstagabends zu einem virtuellen Stammtisch ein. Eine Gemeindeleitung hält den Kontakt zu ihren Gemeindegliedern über wöchentliche Telefonanrufe. Die Kurzarbeit wird für das Nähen von Gesichtsmasken genutzt. Die Kunst der Improvisation treibt millionenfach Blüten und spiegelt eine beeindruckende Solidarität in Unternehmen, Nachbarschaften, Gemeinden und Familien wider.

Wir können über unser Bauchgefühl, aber auch durch plötzliche Gedankenblitze, die Gott uns schenkt, zu einem improvisierten Handeln inspiriert werden.

Gerade dann, wenn Liebe und Hilfsbereitschaft zum Motor kreativer Ideen werden, geschehen große und kleine Wunder. Ein sehr eindrückliches Beispiel aus dem Markusevangelium (Kapitel 2,1ff) erzählt von dem Erfindungsreichtum freundschaftlicher Liebe: Jesus predigt in einem Haus in Kapernaum. Viele Zuhörer strömen herbei. Die Räumlichkeiten platzen aus allen Nähten. Vier Männer tragen einen Gelähmten herbei. Weil sie wegen der vielen Menschen mit dem Kranken nicht bis zu Jesus vordringen können, kommen sie auf die findige Idee, Jesus sozusagen „aufs Dach zu steigen“. Dazu decken sie kurzerhand ein Stück Hausdach ab, um ihren Freund auf der Bahre durch die Luke zu Jesus herunterzulassen. Als Jesus das Vertrauen der vier Helfer in seine Heilungskraft wahrnimmt, spricht er dem Kranken Vergebung der Sünden zu und heilt ihn. So wird die Operation „Heilung für den Freund“ dank ihres Improvisationsmutes zum vollen Erfolg.

 

Bauchgefühl und Gottes Reden

Die vier Freunde erfinden einen Weg aus der Sackgasse. Improvisation geschieht oft spontan aus dem Bauch heraus. Sie schauen sich um, folgen ihrem Impuls und handeln eher aus einem Gefühl heraus. In Momenten, in denen wir plötzlich improvisieren müssen, wird Wissen aktiviert, das tief in uns schlummert.

 

Wir können über unser Bauchgefühl, aber auch durch plötzliche Gedankenblitze, die Gott uns schenkt, zu einem improvisierten Handeln inspiriert werden. Um diese Erfahrung in Krisensituationen machen zu können, brauchen wir nicht wie der kleine Wikingerjunge Wicki unsere Nase zu reiben. Oft reicht schon ein Stoßgebet „Gott, ich weiß gerade nicht, was ich tun soll und wie es weitergehen kann. Ich brauche dringend eine zündende Idee von dir!“ Gott ist selbst ein Meister der Improvisation. Denken wir nur an Bileams sprechenden Esel. Selbst bei der Geburt seines Sohnes müssen Maria und Josef reichlich improvisieren und dadurch die alttestamentlichen Verheißungen erfüllen. Als Jesus danach gefragt wird, wem Steuern zu zahlen sind, lässt er sich eine Münze reichen und erklärt mit dem Aufdruck der Münze, dass sie dem Staat entrichtet werden müssen. In den vielen Begegnungen mit anderen Menschen greift Jesus zu Mitteln der Improvisation. Er handelt aus dem Bauch heraus: genau richtig, oft unerwartet, manchmal anstößig, aber immer aus mit Liebe gewürztem Einfallsreichtum.

 

Mit dem Herzen hören

Manchen von uns ist Improvisationstalent in die Wiege gelegt. Die anderen können die Kunst des Improvisierens trainieren. In einer festgefahrenen Situation können wir uns erlauben, verrückte Gedanken und Ideen zu sammeln und über den Horizont des Normalen hinauszudenken. Wenn Weg A nicht weiterführt, nehmen wir einfach B, C und D in den Blick und spielen sie ohne Denkverborte in der Fantasie durch, ganz nach dem Motto: „Wenn etwas nicht funktioniert, probiere es mal ganz anders zu machen!“

 

Wichtig ist auch, der eigenen Intuition zu vertrauen. Oft sind die ersten, spontanen Einfälle die besten. Daran glauben, dass es einen guten Weg geben wird, auch wenn ich ihn im Moment noch nicht sehe. Die Frage „Was sagt dir dein Herz?“, setzt manchmal neue Ideen frei.

 

Klar, wir bewegen uns alle am liebsten in vorgezeichneten Bahnen. Ein starkes Kontrollbedürfnis wiegt in uns Nutzen und Risiken ab. Was einmal funktioniert hat, muss doch auch wieder klappen. Dahinter lauert die Angst, einen Fehler zu machen oder sich zu blamieren. Lieber die Kontrolle behalten, bloß nichts loslassen und abgeben! Dabei geht es beim Improvisieren genau darum: Die Kontrolle einmal aus der Hand zu geben, etwas Neues auszuprobieren, das Altvertraute loszulassen, um die Kontrolle neu zu gewinnen. Insofern hängen Vertrauen in mich und Gott eng mit dem Mut, zu improvisieren, zusammen.

 

ÜBUNG: In dieser Übung geht es um das gedankliche Verknüpfen von relevanten Informationen. Machen Sie es sich bequem und lassen Sie Ihre Gedanken schweifen. Sprechen Sie laut aus, was Sie gerade denken und fühlen. Vermeiden Sie es, auf den Sinngehalt zu achten. Einfach mal alles aussprechen, was in Ihnen aufsteigt – zum Beispiel im Blick auf eine schwierige Situation.

Sie können auch die Bibel aufschlagen, mit dem Finger auf einen Vers tippen und alle spontanen Gedanken aussprechen. Wenn Sie dabei die innere Bremse lösen, werden Sie über Ihren Einfallsreichtum staunen.

 

GEBET: „Lieber Vater im Himmel, du steckst voller Ideen und dein Einfallsreichtum kennt keine Grenzen. Deine Schöpfung erzählt von deiner beeindruckenden Kreativität. Ein Wort von dir genügt, um etwas Neues ins Leben zu rufen. Ich danke dir, dass du auch für mein Leben viele Ideen hast und überraschend neue Wege für mich siehst. Bitte lass mich in Berührung kommen mit deinen kreativen Gedanken und Lösungen für meinen Alltag. Beschenke mich mit Mut, die Kontrolle an dich abzugeben, wenn ich gerade nicht mehr weiter weiß. Vor allem aber durchdringe meine Liebe zu dir, zu anderen Menschen und zu mir selbst mit neuen, frischen und kreativen Ideen. Ich danke dir. Amen.“

Matthias Hipler

betreibt eine Praxis für Psychotherapie, Paartherapie und Coaching in Hanau.

 

www.psychotherapie-hipler.de

 

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