„Selbstwirksamkeit“ – das klingt beim ersten Hören in der Tat etwas sperrig und theoretisch. Doch dahinter verbirgt sich eine sehr lebenspraktische innere Haltung, die uns dabei hilft, schwierige Lebenssituationen besser zu bewältigen. Jeder von uns wird beispielsweise mit dem Älter-Werden konfrontiert. Bestimmte Veränderungen kommen unausweichlich auf uns zu. Und trotzdem haben wir es selbst in der Hand, mit dieser Tatsache eigenverantwortlich umzugehen. Wir können die vorhandenen Spielräume nutzen, ein bisschen mehr auf unsere Gesundheit achten oder unseren Geist durch Lust am Lernen fit halten. Es liegt in unserer Verantwortung, ob wir uns nur als Opfer des Älter-Werdens sehen oder bewusst darauf mit guten Entscheidungen reagieren. Dabei können wir immer etwas bewirken – also selbstwirksam sein –, mag der Spielraum auch sehr begrenzt sein. „Wir können immer pro-aktiv etwas tun“ lautet die Botschaft der Selbstwirksamkeit. Sie ermutigt uns, im Rahmen unserer Möglichkeiten das Beste aus einer Situation zu machen.

 

Eigenverantwortlich leben

Die Liste an Herausforderungen, vor die das Leben uns stellen kann, ist lang. Einige Beispiele: Die Mutter wird pflegebedürftig. Eine Liebesbeziehung zerbricht. Wir erschöpfen durch anhaltende Überforderung im Job. Es gibt zwei grundverschiedene Möglichkeiten, darauf zu reagieren: Wir gehen entweder in die Opferrolle – oder reagieren selbstwirksam! Wer sich als Opfer sieht, nimmt ohnmächtig hin, was passiert, ergibt sich in sein Schicksal und glaubt, überhaupt nichts verändern zu können. In der Opferrolle verfestigt sich das Gefühl, gelebt zu werden, statt selbstbestimmt zu leben. Ohnmachts-Sätze lauten dann beispielsweise: „Ich muss meine Mutter pflegen“, „Ich werde nie wieder eine neue Liebe finden und muss alleine bleiben“, oder auch „Ich muss die Überbelastung in meinem Job weiter aushalten, sonst sitze ich eines Tages auf der Straße!“ Es sind die „Muss-Überzeugungen“, die uns an einem eigenverantwortlichen Leben hindern.

Bestimmte Veränderungen kommen unausweichlich auf uns zu. Und trotzdem haben wir es selbst in der Hand, mit dieser Tatsache eigenverantwortlich umzugehen.

Ganz anders reagiert der Selbstwirksame. Er wägt seine Möglichkeiten ab und trifft selbstbestimmte Entscheidungen: „Ich habe verschiedene Möglichkeiten, auf Mutters Pflegebedürftigkeit zu reagieren. Ich kann sie im Rahmen meiner Möglichkeiten unterstützen oder meine Geschwister um Mithilfe bitten, Pflegedienste organisieren oder einen Heimplatz suchen.“

 

Wer das Scheitern seiner Beziehung erlebt, kann sich verstärkt seinen Freunden zuwenden, alte Hobbys wieder aufnehmen und so pro-aktiv für sich selbst sorgen. Und keiner muss seine körperliche und seelische Gesundheit wegen der Arbeit aufs Spiel setzen. Reaktionsmöglichkeiten können zum Beispiel darin bestehen, das Gespräch mit Vorgesetzten zu suchen, öfter nein zu sagen oder – wenn das alles nicht fruchtet – eine neue Stelle zu suchen.

 

Ärmel hoch!

Wir müssen nicht wie das Kaninchen vor der Schlange erstarren, wenn wir mit krisenhaften Veränderungen oder Umständen konfrontiert werden. Selbstwirksamkeit hilft uns dabei, Ohnmachtsgefühle zu überwinden, „die Ärmel hochzukrempeln“ und ins Tun zu kommen. Wir können fast immer auf Lebensumstände einwirken, manchmal umfassend, manchmal im Kleinen.

 

Der Glaube an Handlungsspielräume in unserem Leben kann durch Gottvertrauen noch einmal geweitet werden. Wenn wir zum Beispiel keinen Einfluss auf eine Situation haben, können wir immer noch durch unser Gebet etwas bewirken. Wir können das Leid der Welt nicht besiegen, aber wir sind in der Lage, in unserem persönlichen Lebensumfeld durch liebevolle Zeichen etwas zum Positiven zu verändern. Gott fordert uns heraus, die Dinge beherzt anzupacken, unser Herz zu öffnen und uns durch seinen Geist inspirieren zu lassen, um als Salz- und Lichtmenschen auf das, was uns begegnet, einzuwirken.

 

 

GEBET:Lieber Gott und Vater, manche Lebensumstände habe ich mir nicht ausgesucht. Du weißt, wie schwer es mir fällt, gerade das anzunehmen, was mir Probleme bereitet. Ich danke dir, dass du mich darin nicht alleine lässt, sondern an meiner Seite bist. Ich bitte dich, öffne meine Augen dafür, wie ich besser mit den Problemen umgehen kann. Zeige mir die Spielräume, in denen ich selbst etwas zum Positiven bewirken kann für mich und andere. Danke, dass du mir Fähigkeiten und Begabungen mitgegeben hast, die mir dabei helfen, auf Krisen selbstwirksam zu antworten. Weil du an mich glaubst, will ich auch noch mehr an mich glauben! Amen.“

Matthias Hipler

betreibt eine Praxis für Psychotherapie, Paartherapie und Coaching in Hanau.

 

www.psychotherapie-hipler.de

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