Wie heißt’s?

IMMANUEL. IMMER BEI DIR

Den Schatz der Nähe Gottes erfahren

 

Wer hat’s geschrieben?

Summer Joy Gross ist anglikanische Priesterin, Exerzitien-Leiterin und geistliche Begleiterin. Sie lebt mit ihrem Mann und ihren drei Teenagern in Georgia, USA.

 

Worum geht‘s?

Summer Joy Gross stellt eine Verbindung zwischen unserem frühkindlichen Bindungserleben und unserem späteren Bindungsstil her und zeigt auf, wie sehr unsichere Bindungen unser Erwachsenenleben beeinflussen und unsere Beziehungen prägen: zu uns selbst, zu anderen zu Gott. Gottes Wunsch für uns ist es, in Verbundenheit zu leben. Bindungswunden jedoch können uns davon abhalten, vertrauensvoll in seine Gegenwart zu kommen oder seine Liebe zu spüren. Die gute Nachricht, so die Autorin: unser Gehirn kann sich auch noch im Erwachsenenalter verändern, was Bindungsforscher bestätigen – eine sichere Bindung kann man nachnähren. Ein Prozess, der Zeit und Bewusstheit braucht.

 

Angelehnt an das Bindungslernen von Kindern erläutert Gross die „emotionale Objektpermanenz“. So wie das Kind erlebt, dass die (kurzzeitige) Abwesenheit der Mutter nicht bedeutet, dass diese für immer weg ist, und im nächsten Schritt lernt, die Liebe der Mutter auch dann emotional abzurufen, wenn diese nicht anwesend ist, ist es auch mit Gottes Gegenwart: Wir können uns seine Nähe, die immer da ist, vergegenwärtigen. Dazu stellt die Autorin im zweiten Teil neun ausgewählte geistliche Übungen vor, die uns greifbar bewusster machen, dass Gott immer bei uns ist – sicher, verlässlich und uns zugewandt, ganz so wie im Namen „Immanuel“ (Gott mit uns) verheißen. Und stellt dabei jeweils konkret heraus, welche Bindungs-Prinzipien in diesen Übungen wirksam werden.

 

Wie ich es finde.

Die Übertragung des Bindungsstils auf unsere Gottesbeziehung hat mich neu ins Nachdenken gebracht – teils beunruhigend, teils erhellend. Die Autorin, die Menschen häufig darin begleitet, an ihrer Bindungswunde anzuknüpfen, geht in ihren Ausführungen mit großer Feinfühligkeit vor, da sie weiß, was die (für manche erstmalige) Auseinandersetzung mit diesem Thema oder dessen Tragweite auslösen kann.

 

Ermutigt hat mich, wie das bewusste Erfahren von Gottes Da-Sein heute noch unsere Bindungserfahrung verändern und heilen kann. Dabei geht es immer darum, selbst präsent zu werden, um uns die Anwesenheit Gottes zu vergegenwärtigen. Das nehme ich mir als wichtige Erinnerung mit, auch einige der hilfreichen Übungen.

 

Diese „Türöffner für Gottes Gegenwart in unserem Leben“, wie die Autorin die Bindungs-Übungen nennt, dienen alle der Verankerung im Hier und Jetzt, um Immanuel in der Gegenwart zu begegnen. Dabei haben mich diejenigen Ausführungen am meisten angesprochen, wo Gross konkret und vertiefend die Übungen erklärt. Das hätte für mich gern noch fokussierter sein können. Auch wenn die persönlichen Geschichten, die sie anfügt, dazu Beispiele geben, lenkten sie mich doch manchmal etwas ab, in die Übung hineinzufinden.

 

Zwischen den Zeilen hat mich – als Tochter wie als Mutter – sehr berührt, wie offen man mit den eigenen Bindungswunden in der Familie umgehen kann, so wie es bei der Autorin der Fall war. Ich mochte Gross’ persönliche und sehr offene Art, mich als Leserin hineinzunehmen und anzusprechen. Manches blieb jedoch etwas in Unschärfe – sicher auch durch teilweise schwer übersetzbare kulturelle Denkweisen sowie mitunter nicht zu Ende ausgeführte Gedankengänge. Ästhetisch spricht mich das Buch sehr an; haptisch edel, schön gesetzt und gelungen gestaltet.

 

Wer sollte es lesen?

Menschen, die sich nach dem Erleben der Gegenwart Gottes sehnen, die sich mehr Achtsamkeit im Alltag wünschen. Und all jene, die sich mit ihrer frühkindlichen Bindung und deren Auswirkungen befassen möchten und sich nach Veränderung ausstrecken. In diesem Buch steckt viel Hoffnung auf Freiheit und ein Leben in tieferer Verbundenheit – etwas, wonach sich vermutlich jeder sehnt.

 

Wo ist es erschienen?

fontis, 288 Seiten, EUR 24,90 (Paperback), EUR 21,99 (E-Book)

 

 

ANDREA SPECHT ist Autorin und Lektorin und lebt mit ihrer Familie in Potsdam (www.textgehalt.de).

Auch interessant