„Ich habe eine Kollegin, mit der ich nun schon seit mehreren Jahren in einem Büro zusammenarbeite. Bisher lief es eigentlich auch ganz gut zwischen uns, aber in den letzten Monaten fühle ich mich mehr und mehr von ihr ausgenutzt. Überall erzählt sie, was wir für ein tolles Arbeitsklima in der Abteilung haben, wie gut wir zusammenarbeiten und was für ein tolles Team wir beide sind. Doch den Großteil der Arbeit erledige in der letzten Zeit eigentlich ich. Wenn andere Kollegen um unsere Hilfe bitten, kann meine Kollegin immer wunderbar nein sagen und hat auch im größten Stress die Ruhe weg. So landet die ganze Arbeit bei mir, doch selbst wenn ich total rotiere, veranlasst sie das in keinster Weise dazu, mich zu unterstützen. Ich frage mich, ob sie überhaupt merkt, wie es mir geht. Eigentlich mag ich sie wirklich sehr, aber in letzter Zeit reagiere ich immer gereizter auf sie.“

 

 

Wenn man bereits seit einigen Jahre das Büro teilt, hat man eine Menge gemeinsam erlebt und sich in den unterschiedlichsten Situationen kennengelernt. Verwendet man anfangs noch viel Zeit darauf, einen gemeinsamen Arbeitsrhythmus zu finden und sich gut abzusprechen, wird man im Laufe der Zeit immer „nachlässiger“, was diese Art der Kommunikation und Absprachen angeht. „Der andere muss doch merken, wenn mir was nicht passt, er kennt mich doch schon so lange …“ Je länger man sich kennt und je intensiver man miteinander lebt und arbeitet, umso mehr setzt man voraus und umso weniger (be-)spricht man miteinander. Ganz ähnlich wie in einer Familie oder langjährigen Freundschaft glaubt man, allein durch die Länge der Beziehung einen bestimmten Status erreicht und ein gewisses Maß an Sicherheit gewonnen zu haben. Mancher meint, nicht mehr über alles reden zu müssen, weil man sich inzwischen scheinbar doch so gut kennt und zu wissen glaubt, wie der andere bestimmte Dinge meint. Dabei bleiben jedoch oft viele Gefühle auf der Strecke, weil sie nicht mehr mitgeteilt werden. Man will nicht „jede Kleinigkeit“ zum Thema machen, übersieht dabei jedoch häufig, dass es sich für einen selbst nicht wirklich um Kleinigkeiten handelt, die man einfach so wegstecken kann.

 

1. Machen Sie Ihrem Ärger Luft

Nehmen Sie sich und Ihre Gefühle ernst und machen Sie Ihren Ärger gegenüber Ihrer Kollegin zum Thema. Wenn Sie jahrelang ein gutes Team waren und sich das erst vor einigen Wochen geändert hat, gibt es vielleicht seitens Ihrer Kollegin einen Grund für ihr Verhalten, den Sie Ihnen einfach nicht mitgeteilt hat. Vielleicht macht Sie gerade eine schwierige Phase in Ihrer Ehe durch oder hat andere private Sorgen, die dazu führen, dass sie nicht mehr mitbekommt, wie es Ihnen geht. Wie auch immer – warten Sie nicht, bis der Kloß der aufgestauten Gefühle so dick geworden ist, dass er eines Tages platzt oder die Kollegin „von selbst drauf kommt“, dass etwas nicht stimmt.

Nehmen Sie sich und Ihre Gefühle ernst und machen Sie Ihren Ärger gegenüber Ihrer Kollegin zum Thema. Suchen Sie aktiv das Gespräch. Schaffen Sie dazu eine Atmosphäre, die Offenheit und Ehrlichkeit zulässt.

Suchen Sie stattdessen aktiv das Gespräch. Schaffen Sie dazu eine Atmosphäre, die Offenheit und Ehrlichkeit zulässt. Eine Konfrontation im Büro, bei der vielleicht auch noch andere Kollegen mithören könnten, ist nicht der geeignete Ort für ein klärendes Gespräch. Vielleicht gehen Sie einmal entspannt gemeinsam irgendwo zum Mittagessen. In nettem Ambiente und angenehmer Atmosphäre lässt sich leichter miteinander reden als am Arbeitsplatz und man hat auch die Zeit, ein ausführlicheres Gespräch zu führen. Außerdem kann es auch für Ihre Arbeitsbeziehung nur förderlich sein, einmal etwas außerhalb der gemeinsamen Arbeitszeiten und fern vom täglichen Stress zusammen zu unternehmen.

 

2. Setzen Sie klare Grenzen

Wie auch immer das Gespräch mit Ihrer Kollegin letztlich verläuft, Sie können und sollten für sich selbst Grenzen setzen, was das Übernehmen von Aufgaben betrifft. Sagen Sie Ihren anderen Kollegen gegenüber ruhig auch einmal nein beziehungsweise formulieren Sie eindeutige Aussagen wie: „Das kann ich jetzt nicht auch noch übernehmen!“ Oder aber Sie weisen freundlich darauf hin, dass die Erledigung eines Auftrags aufgrund anderer anstehender Dinge einige Zeit in Anspruch nehmen wird.

 

 

 

 

Warten Sie auch hier nicht, bis sich Ihr Schreibtisch unter seiner Last durchbiegt und Ihnen der Kragen platzt, sondern signalisieren Sie früh genug und entsprechend klar und bestimmt, wo Ihre Belastbarkeit an einem Limit angekommen ist. So lernen Ihre Kollegen realistisch einzuschätzen, wo sie bei Ihnen dran sind und können entsprechend darauf reagieren. Oftmals ist es nämlich in der Tat gar kein böser Wille, wenn die anderen es nicht mitbekommen, dass ein Kollege gerade überlastet ist, weil der stets den Eindruck erweckt, alles „mit Links“ zu schaffen und niemals „Stopp!“ ruft.

Inge Frantzen

ist MINDO-Redakteurin und systemische Lebensberaterin (IGNIS).

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